Nun kann man diese Tat unterschiedlich für sich und seine Ideologie nutzen:
„Erst kommen die hierher, dann sind die frech zu unseren Helfern, und dann wundern die sich, wenn mal einer die Nerven verliert. Ausserdem weiss man ja gar nicht, was der Situation vorhergangen ist. Und über Gewalt gegen Deutsche berichtet niemand.“
„Da zeigt sich doch ein generelles Problem rassistischer Strukturen gepaart mit toxischer Männlichkeit. Man kann letztlich dieses Verhalten nicht verstehen, wenn man nicht willens ist zu akzeptieren, dass das System als solches dieses Verhalten nicht nur deckt, sondern fördert. Die Diskursverschiebung – gerade auch gegen Refugees – der letzten Jahre äußert sich hier ganz deutlich. Und es fehlt der Wille, zu einer echten eingehenden Analyse dieser Verhältnisse. Deutschland halt.“
Heute demonstrierten über 150 Menschen in Dortmund für ein Bleiberecht der syrischen Kriegsflüchtlinge, die seit Wochen in einem Protestcamp für ihr Bleiberecht und die Rettung ihrer in Syrien vom Tod bedrohten Frauen und Kinder. Von der Innenstadt zogen sie zur Zweigstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und übergaben dort 5100 Unterschriften, in denen Dortmunder und Dortmunderinnen die Forderungen der Syrer unterstützen. Nach lautstarken Protesten vor dem Bundesamt kam Referent Werner Fritsche zu dem Demonstrierenden, um ihre Forderungen anzuhören. Er nahm die Unterschriften entgegen und versprach schnelle Hilfe.
Die Syrer sollen eine Liste mit Name und Aktenzeichen abgeben, damit dieser Fälle im Bundesamt ab jetzt jetzt mit Nachdruck bearbeitet werden können. Der Sprecher des Protestcamps, Sakher sagte, dass man noch heute die Liste mit über 100 Namen abgeben werde. Sie hoffen, dass das Versprechen der schnellen Bearbeitung eingehalten wird.
Seit drei Wochen protestieren syrische Flüchtlinge in einem Protest-Camp in Dortmund für ihr Recht auf Asyl. Lange Fluchtwege liegen hinter ihnen, ihre Familien mussten sie zurücklassen. Der Schriftzug auf einem der Protest-Banner zeigt, dass es für sie um Leben und Tod geht: „Bitte helfen Sie unsere Familien, vor dem Tod zu retten!“ Doch für manche der Kriegsflüchtlinge kommt trotz der lauten Hilferufe jede Unterstützung zu spät. Die Syrer in dem mit Pavillons und Zeltplanen notdürftig improvisierten Camp, haben in der letzten Woche die ersten Todes-Nachrichten von ihren Angehörigen erhalten. Nun richten sie sich in einem Aufruf an die Bundesregierung.
Bei heftigen Unwetter, in nasskalten Nächten und dann wieder fast unerträglicher Sommerhitze harren die Flüchtlinge langmütig gegenüber dem Hauptbahnhof aus. Tagsüber herrscht bei dem Camp reger Betrieb. Viele der sonst eilig vorbeieilenden Passanten sind neugierig und suchen das Gespräch mit den Protestierenden. Abends wird an einer langen Tafel am Boden sitzend gemeinsam das Fasten gebrochen. Die Männer essen meist schweigend – nach einem Tag ohne Essen ist der Hunger groß. An diesem Abend wurde in einer marokkanischen Moschee ein syrisches Lammgericht in saurer Jogurtsosse zubereitet. Bani freut sich und lädt die Umstehenden dazu ein, mitzuessen. Die sprichwörtliche arabische Gastfreundschaft gilt auch hier, auf dem Asphalt der Fußgängerzone.
Die Syrer sind offen und freundlich. Manchmal könnte man fast vergessen, wie ernst die Lage ist. Die meisten der syrischen Flüchtlinge sind Familienväter und kämpfen für ein Bleiberecht. Auf den Bannern und Protestplakaten steht. „Unsere Familien sind vom Tod bedroht“ Und „Wir brauchen schnell Termine bei den Behörden“. Gemeint ist ein Termin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Hier beantragen die Kriegsflüchtlinge Asyl und hoffen auf die Chance, dann ihre Familien aus den Kriegsgebieten nachholen zu können.
Bani erfährt über facebook von dem Tod seiner Verwandten
Bani zeigt auf sein Handy: „Hier, das habe ich gestern zugeschickt bekommen“. Zu sehen ist ein Film mit den Bildern eines völlig zerstörten Hauses, daneben ein tiefer Bombenkrater. „Du siehst hier meine Straße“ sagt Bani und scrollt weiter nach unten. Es sind Bilder von toten Kindern zu sehen und in einem Schutthaufen die Leiche eines Mannes. Sein Gesicht ist von blutigen Wunden übersät – Verletzungen durch die Bombensplitter. „Das ist mein Onkel.“
In den letzten Tagen haben sich beim Protestcamp der syrischen Flüchtlinge Vertreter der großen und kleinen Politikprominenz den Staffelstab nacheinander in die Hand gegeben. Warme Worte gab es von Innenminister Ralf Jäger, Kämmerer Jörg Stüdemann und der flüchtlingspolitischen Sprecherin der Grünen, Monika Düker. Die NRW-Piraten hatten die Syrer in den Landtag nach Düsseldorf eingeladen, einen Gegenbesuch im Dortmunder Camp machte gestern Torsten Sommer (Piraten). Nach den politischen Stell-Dich-eins, setzten am Donnerstag Künstlerinnen und Künstler aus Dortmund ein buntes Zeichen der Solidarität.
Mit bunten Kreiden malten sie Bilder auf den Asphalt vor der Katharinentreppe, wo die syrischen Flüchtlinge seit zwei Wochen in einem Protestcamp für ein Bleiberecht und die Zusammenführung mit ihren Familien kämpfen. Die Kreativen schrieben „Refugees welcome“ und andere Statements, die klar machen sollen: Ihr seid nicht allein – wir wollen, dass ihr bleibt! Dass in Bochum die jungen Grünen den bunten Kreideprotest gegen die NPD teuer bezahlen sollen, schreckte die Künstlerinnen und Künstler offensichtlich nicht ab. Und auch die Polizei, die zu Schutz der Syrer gegen rechtsextremistische Übergriffe zur Zeit im Dauereinsatz ist, sah die ganze Aktion entspannt.
Heute bringen alle demokratischen Parteien gemeinsam im Rat der Stadt Dortmund eine Resolution zum Camp der syrischen Flüchtlinge ein. Der Antrag wurde per Dringlichkeit auf die Tagesordnung gesetzt. So viel Einigkeit ist selten: Von der CDU bis zur LINKEN verständigte man sich auf einen gemeinsamen Text, der im Kern die Forderung enthält, den Syrern zunächst ein Bleiberecht zu ermöglichen. Für die syrischen Flüchtlinge und ihre von Gewalt und Tod bedrohten Frauen und Kinder, ein Zeichen der Solidarität. Resolutionen haben zwar lediglich einen symbolischen Wert, doch wird durch die parteiübergreifende Erklärung ein starkes Signal nach Düsseldorf gesendet, sich um die Sache intensiv zu kümmern. Innenminister Ralf Jäger besuchte das Protestcamp in dieser Woche. Seinen Worten müssen nun Taten folgen.
Die Bundesregierung und die rot-grüne Landesregierung wird in der Resolution aufgefordert, die bisherigen Aufnahmeprogramme für Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak zu verlängern, die Asylanträge schneller zu bearbeiten, das Verfahren zu verkürzen und gegebenenfalls den Aufenthaltstitel des Flüchtlings zu erhalten.
Doch auch lokaler Ebene gibt es für den Rat in Dortmund einiges zu tun, denn in den Zuständigkeitsbereich der Stadt Dortmund fällt sowohl die Ausländerbehörde als auch das Gesundheitsamt. Beide Ämter sind im Fall einer Abschiebung involviert. Im Rahmen der Amtshilfe kann beispielsweise das Gesundheitsamt herangezogen werden, um Gutachten über die Reiseunfähigkeit der Flüchtlinge zu überprüfen und sie gegebenenfalls wieder „gesund zu schreiben“, wie ein Fachanwalt für Asylrecht ironisch sagte. Daher lohnt sich der genaue Blick darauf, wie in Dortmund die gängige Praxis der Behörden ist.
Ein gute Lösung für die syrischen Flüchtlinge im Protestcamp und ihrer, von Gewalt und Tod bedrohten Familienmitglieder, ist nach Meinung der Unterzeichner der Resolution der Vorschlag des Auswärtigen Amtes und des Bundesinnenministers. Durch eine sogenannte „Globalzustimmung“ könnte das Bleiberecht und die, von den syrischen Protestierenden geforderte Familien-zusammenführung möglich gemacht werden. Ihnen wird damit vorübergehender Schutz – ohne langes Asylverfahren – in Deutschland gewährt.
Auch in der Vergangenheit waren Syrier durch Bürgerkrieg und die Verfolgung durch das Regime Assads in Gefahr. Im Mai 2013 entschieden sich daher einige EU-Staaten, feste Kontingente syrischer Flüchtlinge aufzunehmen. Mit diesem Mittel wurde unbürokratisch Leben gerettet – es ist höchste Zeit für die Menschen auf der Katharinentreppe, dies wieder zu tun.
Hier der vollständige Text der Ratsresolution:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, LINKE/PIRATEN und FDP/Bürgerliste bitten auf dem Weg der Dringlichkeit um die Erweiterung der Tagesordnung um den Punkt „Camp der syrischen Flüchtlinge“.
Bei den Dortmunder Bürgern sind die Syrer, die sich auf der Katharinentreppe in einem Protestcamp zusammen geschlossen haben, offenbar willkommen. Nachdem am Samstag an die syrischen Flüchtlinge rote Rosen als Zeichen der Solidarität verteilt worden waren, kam ein Chor und sang Willkommens-Lieder. Neben den spontanen Besuchen und Gästen des Camps, kamen auch diese Gesten offensichtlich gut an.
Die Syrer, die um das Leben ihrer in Syrien zurückgebliebenen Familien bangen, halten – wenn möglich – über Internet und die sozialen Medien Kontakt zu ihren Angehörigen. Die Fotos von dem Willkommens-Chor wurden via Handy direkt in die syrische Heimat geschickt. Ein kurzer Moment der Freude.
Während in Syrien der Krieg tobt und die Kämpfe der ISIS-Schlächter das Leben der Frauen und Kinder der Flüchtlinge bedrohen, überprüfen die zuständigen deutschen Ausländerbehörden weiterhin den Aufenthaltsstatus der Syrer, grübeln über die eventuellen Möglichkeiten der Familienzusammenführung nach, fordern dann doch noch weitere Nachweise, verlangen weitere Vermögensnachweise, halten – immer korrekt- die innerbehördlichen Zuständigkeiten ein, tippen Briefe, formulieren noch einmal ein paar Fragen zum genauen Fluchtweg, sehen Fristen als nicht einhaltbar an, erwarten eine erneute Aufstockung der Summe auf den Bankkonten, wollen den Pass noch einmal sehen und ach, ihre Familie hat erst 2016 einen Termin auf dem deutschen Konsulat – wir bedauern, dass ist zu spät – sie müssen bis dahin die Bundesrepublik bereits verlassen haben. Sie lehnen die Verlängerung von Visa ab … mahnen … fordern … fragen … zweifeln an.
Die Verfahren ziehen sich in die Länge. Abschiebebescheide hingegen werden schnell verschickt. Auch die Rückführungen im Dublin III-Verfahren in vermeintlich sichere Drittländer werden zügig eingeleitet.
Sich vor die Syrer zu stellen und zu resümieren, es sei traurig, hilft niemandem. Zu erklären, warum die Ämter nicht anders handeln können, ist Aufgabe der Pressesprecher der Behörden und nicht der Job von Kommunalpolitikern. Sie müssen die beteiligten kommunalen Behörden, wie Ausländeramt und Gesundheitsamt, in Blick auf ihre Entscheidungsprozesse und -kriterien überprüfen und hinterfragen.
Während den syrischen Flüchtlingen schwere Steine in den Weg gelegt werden, machen die Dortmunder genau das, was sie besonders gut können: Herz zeigen. Kaum vorstellbar, dass eine Abschiebung dieser Menschen in Dortmund stillschweigend toleriert werden würde.
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