Vert Realos fordern strengere Integrationsregeln für muslimische Zuwanderung

Hijabs Foto: Danny-w Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die bürgerlich-grüne Gruppierung „Vert Realos“ hat ein Positionspapier zur Einwanderung aus muslimisch geprägten Staaten vorgelegt. Darin warnen sie vor kulturellen Konfliktlinien und fordern eine wertebasierte Migrationspolitik. Zwar betonen sie die Bedeutung muslimischer Mitbürgerinnen und Mitbürger für die Gesellschaft, kritisieren aber zugleich politische Strömungen des Islams, die im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stünden.

Konkret verlangen die Vert Realos:

  • ein Kopftuchverbot in staatlichen Institutionen,
  • ein Verbot religiöser Verhüllung bei Kindern,
  • die Ablehnung von Vollverschleierung im öffentlichen Raum,
  • konsequente Sanktionen bei Grundrechtsverstößen,
  • eine Begrenzung illegaler Migration und
  • eine gezielte Förderung legaler Zuwanderung auf Basis gemeinsamer Werte.

Integration sei nur möglich, wenn Grundrechte aktiv bejaht würden, heißt es in dem Papier. Falsche Toleranz gegenüber antidemokratischen Tendenzen schade dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Europa müsse offen bleiben – aber mit klaren Grenzen.

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paule t.
paule t.
1 Monat zuvor

Und wieder mal machen sich die Ruhrbarone, warum auch immer, zur Verlautbarungsstelle dieser praktisch einflusslosen Kleinstgruppierung am rechten Rand der Grünen. (Das ist in beide Richtungen nicht übertrieben: Wenn man mit zeitlicher Einschränkung auf das letzte Jahr nach „Vert Realos“ googelt, bekommt man im Wesentlichen Ergebnisse von der Gruppe selbst, ein paar EInzelpersonen und – den Ruhrbaronen. Also: Völlig irrelevante Kleinstgruppe, nur auf den Ruhrbaronen gepusht.)

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Inhaltlich, zum Grundsätzlichen:

Schon bei den Grundlagen geht die Gruppe von falschen Voraussetzungen in Bezug auf Menschenrechte und die religionspolitische Realität in Deutschland aus.

Zitat: „Säkularität als Basis: Religion ist Privatsache, nicht Maßstab staatlichen Handelns.“

Der Teilsatz „Religion ist Privatsache“ ist theoretisch, von den Menschenrechten aus gesehen, einfach falsch. Zu den Menschenrechten gehört auch die Religionsfreiheit, und zwar selbstverständlich nicht auf den privaten Raum beschränkt – Religionsfreiheit bedeutet selbstverständlich auch, Religion öffentlich ausüben und religiöse Standpunkte in die öffentliche Debatte einbringen zu dürfen.

Vor allem ist der Teilsatz allerdings in Bezug auf die religionspolitische Realität in Deutschland rein lachhaft. Wir haben eine „Christlich-Demokratische Union“ als wesentlich prägende Partei seit Bestehen unseres Staates (ob die Selbstbezeichnung gerechtfertigt ist, sei für den Moment dahingestellt), wir haben christliche Theologie an den Universitäten und christlichen Religionsunterricht an den Schulen, im staatlich geregelten und finanzierten sozialen Bereich gehören die Sozialwerke der Kirchen zu den bedeutendsten Playern, in allen die Politik beratenden Ethikkommissionen u.Ä. finden sich Vertreter der Kirchen … man könnte noch lange weitermachen.
Ob das alles gut so ist, kann man diskutieren, vor allem aufgrund der schwindenden Mitgliederzahl der Kirchen, aber es ist nun mal die historische gwachsene Realität in Deutschland.

Das alles nicht einmal zu erwähnen und die sachlich falsche Behauptung, dass Religion Provatsache sei, allein isamischen Zuwanderern entgegen zu halten, bedeutet, dass man – absichtlich oder aus völliger Uninformiertheit – darauf ausgeht, eine einzelne Religion gesondert aus der Öffentlichkeit heraushalten, also klar benachteiligen zu wollen. Und das widerspricht nun mal eindeutig dem GG.

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zu einzelnen Forderungen, nur beispielhaft:

Zitat: „Neutralität staatlicher Institutionen: Kein Kopftuch in Schulen, Justiz, Polizei und Verwaltung“

Auch Beamte sind individuelle Menschen mit ihren individuellen Grundrechten. Dazu gehört auch die Religionsfreiheit und damit auch das Recht, religiöse Symbole zu tragen. Das im Namen der staatlchen Neutralität einzuschränken, mag bei ganz wenigen Bereichen, wo unmittelbar staatliche Gewalt ausgeübt und zu diesem Zweck auch sowieso schon Uniform bzw. Amtstracht getragen wird, also etwa bei Polizei und Justiz, gerechtfertigt sein. In der Schule ist es das aber schon – höchstrichterlich festgestellt – nur ganz ausnahmsweise zulässig, nämlich wenn im konkreten Fall (!) der Schulfriede gefährdet wäre. Bei anderen Verwaltungsmitarbeiter:innen dürften eher noch strengere Maßstäbe an ein Verbot angelegt werden. Diese Forderung ist in der ASllgemeinheit also klar verfassungswdrig. Erst recht, da Symbole anderer Religionen überhaupt nicht erwähnt werden, mithin eine Religion gezielt benachteiligz wird.

Zitat: „Konsequente Durchsetzung von Frauenrechten: Klare Ablehnung von Zwangs- und Frühverheiratung, Genitalverstümmelung, Importbräuten, Verwandtenehen und inoffiziellen Imamehen“

Newsflash: Zwangsehen, Ehen unter 18 und Genitalverstümmelung sind schon verboten. Es wird also mit großem Aplomb gefordert, dass bereits verboetene Dinge verboten werden sollen. Die anderen Dinge sind erlaubt und können mE auch nicht menschenrechtskonform verboten werden. Oder will man es wirklich verbieten, wenn jemand eine Person aus einem anderen Land heiraten möchte oder sich für ein Zusammenleben ohne standesamtliche Hochzeit einen religiösen Segen geben lassen möchte (um „Importbräute“ und „Imamehe“ neutraler zu formulieren)?

Zitat: „Freiheitsrechte stärken: Meinungs-, Glaubens- und Wissenschaftsfreiheit sind unantastbar“

Ja, man kann natürlich auch etwas, was eh schon im GG steht und Rechtslage ist, einfach mal wiederholen. Was soll damit jetzt anders werden? Ohne Konkretisierung ist das konsequenzenloses Blabla.

Zitat: „Konsequenzen bei Verstößen: Bei schwerwiegenden Verstößen müssen Sanktionen folgen – bis hin zur Aufenthaltsbeendigung“

Auch hier: Das ist bereits der Fall. Ohne Konkretisierung, was man noch verschärfen will, ist das Blabla.

Zitat: „Illegale Migration begrenzen: Mit wirksamem Grenzschutz, Abkommen mit Drittstaaten und ausgelagerten Asylverfahren“

Aha. Man möchte also das Recht, Asyl überhaupt erst zu beantragen, noch stärker einschränken, als es eh schon der Fall ist, bis dahin, dass man Rechtsverfahren für das Asyl in Deutschland außerhalb der Europäischen Union stattfinden lassen will. Weil ja die Länder in Nordafrika und im Nahen Osten, von denen man da ja mutmaßlich reden muss, auch so vertrauenswürdige Leucxhttüme von Demokratie und Menschenrechten sind. Abgesehen davon, dass solche Ideen immer wieder von Gerichten verworfen worden sind. Scheiß drauf, Rechtsstaat ist für wenn’s nicht gegen Ausländer geht.

Die anderen Forderung bewegen sich auf ganz ähnlichem Niveau.

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Wir haben hier also eine merkwürdige Mischung von unkonkretem Blabla und bereits geltenden Selbstverständlichkeiten einerseits und klar rechts-, teils verfassungswidrigen Forderungen andererseits, die die eine Grundrichtung zeigen, eben nicht Menschenrechte ganz grundsätzlich stärken zu wollen (teilweise geht es ja auch eindeutig gegen Menschenrechte), sondern den Staat spezifisch gegen eine durch eine bestimmte Religion gekennzeichnete, unter Generalverdacht gestellte Gruppe in Stellung zu bringen.
Mit Verlaub: Leute, die so etwas verfassen, hätten m.E. bezüglich der „Grundlagen unserer Gesellschaft“, aka Rechtsstaat und Menschenrecht, eher selbst Nachholbedarf.

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