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Wer für eine freie Presse ist, drückt ab heute den Ruhr Nachrichten die Daumen

Lensing Carée in Dortmund. Verlagssitz Ruhr Nachrichten Foto: Lucas Kaufmann Lizenz: CC BY-SA 4.0

Ab heute beschäftigt sich das Landgericht Dortmund mit einer Klage des Lensing Verlages, in dem die Ruhr Nachrichten erscheinen. Lensing will verhindern, dass die Stadt Dortmund ihre Internetseite weiter ausbaut und so in Konkurrenz zu den Verlagen tritt. Die Entscheidung in dem Prozess wird nicht heute fallen, ist aber für die Zukunft der freien Medien wichtig. Egal ob Städte, Länder oder der Bund: Sie alle verfügen über das Geld und das Personal, eigene, attraktive Medien aufzubauen – und neben Servicemeldungen, bunten Bildern von im Zoo geborenen Tierbabys und Kulturmeldungen für den Oberbürgermeister, die Ministerpräsidentin und Kabinett und Kanzlerin zu werden. Das ist eigentlich ein Verstoss gegen das im Grundgesetz verankerte Prinzip der Staatsferne der Medien.  Bleibt zu hoffen, dass die Richter das auch so sehen – denn ein von Steuergeldern finanziertes Oberbürgermeisterwerbeinternet wäre nichts anderes als ein Angriff auf die Pressefreiheit und eine massive Wettbewerbsverzerrung: Denn wenn Verlage kein Geld haben, müssen sie ihr Geschäftsmodell ändern. Wenn Städte kein Geld haben, greifen sie dem Bürger in die Tasche.

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Ke
Ke
4 Jahre zuvor

Hier fehlt mir die Differenzierung. Was genau ist furchtbar?
Warum soll eine Stadt keinen Veranstaltungskalender mit Terminen etc herausgeben?
Natürlich müssen Museen und Zoos etc auch Werbung machen…..

Mit dem Internet gibt es keinen Grund, diese Meldungen nicht direkt zu verbreiten.

Kommerzielle Medien sollten eben aus der Rolle des Verteilers von Pressemitteilungen herauswachsen.

Edward Steintain
Edward Steintain
4 Jahre zuvor

In dieser Zeit der Menschheitsgeschichte treten vermehrt Entwicklungen auf, die manche ablehnen – wie das in den Beiträgen der 'ruhrbarone' vorgetragen wird.

Ich sage: Das war schon immer so.

Die Menschheit hält mit dem uralten sozio-kulturellen Phänomen der „Meidung“ (engl. shunning, J. Haidt, Science 2007) dagegen. Es ist nicht die sog. Wahlverdrossenheit, die die SPD auf heute 13% sinken lässt. Das ist Meidung!

Meidung ist eine kostengünstige Bestrafung bei gescheiterter Kooperation und trifft besonders Trittbrettfahrer (und ihre eigensüchtigen Interessen).

Die Stadt Dortmund hat schon lange zuvor die Gemeinschaft der Bürger und das Gemeinwesen schwer belastet, und so gesellschaftliche Entwicklungen impliziert, die seit Jahren Ausdruck der Meidung sind.

Meidung ist ein hochgradig selektiertes, kulturelles Erfolgsprinzip.

Anders ausgedrückt: Die SPD Dortmund wäre ein traditioneller Key Accounter des Abkackens der SPD BRD – wenn das Prinzip Meidung gilt.

Peter Schmieder
Peter Schmieder
4 Jahre zuvor

Aus Sicht eines Kulturveranstalters kommentiere ich gerne wie folgt:

Unsere, aber nicht nur unsere, Presserundgänge werden von den Ruhr-Nachrichten nicht mehr besetzt. Auf Rückfragen erhalten wir häufig den Wunsch nach einem Eröffnungsfoto und einen gegenüber unserem vorab versandten Pressematerial veränderten Text für die Nachberichterstattung. Wir sollen also die Zeitung selbst machen, die wir am nächste Tag lesen, am besten in der Cloud online gestalten. Sprich: die Ruhr-Nachrichten geben ein Feld der Berichterstattung auf, und dies als Monopolist. – Die überregionale Kultur wird im Blatt hin- und hergeschoben wie eine Anzeige von Teppich-Kibek. Manchmal rutscht die Kultur bis in die Stadtteilnachrichten. Dort gibt es auch Ausstellungsbesprechungen, die dann eine Ungleichgewichtigkeit zum Dortmunder Lokalteil erzeugen, nämlich, als sei in den großen Häusern der Stadt nichts los. – Die Ressortzuständigkeit der JournalistInnen wurde aufgelöst, jeder soll über alles schreiben. Natürlich nicht beim Bundesliga-Fußball, da würde die Absurdität dieser Massnahme zu deutlich. – Die Bezahlschranke wird online auch vor manchem Beitrag hochgefahren, der schnell als bereits vom Leser im Wege von Steuern bezahlter Content zu erkennen ist: Polizeiberichterstattung.

Ein paar Meilensteine zur jüngsten Entwicklung der Ruhr-Nachrichten: Die freie Presse ist dort gekennzeichnet von Entlassungen, dem Zwang für Redakteure, selbst als Fotografen tätig zu werden, Abwanderung von KollegInnen, die das sinkende Schiff verlassen.

Wer glaubt, Herr Lensing Wolff würde sich für Pressefreiheit, Grundgesetz oder journalistische Qualität interessieren, ist auf dem Holzweg. Das hat dort nie interessiert. Insofern ist es eher bedauerlich, dass mit hehren Worten über Grundrechte knallharte wirtschaftliche Interessen bemäntelt werden. Dem OB Sierau ist zuzustimmen, wenn er sagt, dass das Stadtportal Informationspflichten wahrnimmt, die die Ruhr-Nachrichten als fahles Nachbild einer Lokalzeitung nicht mehr bedienen können und wollen. Wenn ich es recht verstanden habe: Das Stadtportal soll über bestimmte Dinge nicht mehr berichten, damit keiner mehr darüber berichtet. Wenn man dann noch hinzunimmt, dass die wohlfeilen Klagen aus Sicht eines Monopolisten am Zeitungsmarkt erhoben werden, dann wird klar, was viele bereits erkannt haben: Wir schauen dem Verlag und seiner Zeitung beim Sterben zu, jetzt sogar bei Gericht. Dortmund hätte weißgott Besseres verdient.

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