150 Jahre Hermannsdenkmal sind kein Grund zu feiern

Das Hermannsdenkmal aus der Luft gesehen Foto: Carsten Steger Lizenz: CC BY-SA 4.0


Heute wird bei Detmold 150 Jahre Hermannsdenkmal gefeiert. Vielleicht wäre die deutsche Geschichte anders verlaufen, wenn man den Namensgeber vergessen hätte.

Heute wird in Ostwestfalen gefeiert: Das Hermannsdenkmal wird 150 Jahre alt. Es gibt ein großes Familienfest: Kletterer seilen sich von der Plattform ab, ein Musiktheater führt das Stück TarZahn hat Karies auf, und den ganzen Tag gibt es Wein mit Hermann. Eine gute Idee, denn nüchtern ist der Kult um Hermann kaum zu ertragen. Wir wissen wenig über den Mann, dem zwischen 1838 und 1875 das Denkmal errichtet wurde. Schriftliche Quellen der Barbarenstämme, die unter dem Namen „Germanen“ zusammengefasst werden, gab es nicht. Sie hatten keine Schriftkultur und lebten schon damals den grünen Traum, wie der Historiker Karl Banghard in seinem Buch Die wahre Geschichte der Germanen schreibt: „Wie wäre es, germanische Hinterlassenschaften nicht durch die Brille von Kampf und Derbheit, sondern von Nachhaltigkeit und Vernetzung zu betrachten? Im Gegensatz zu ihrer Umgebung griffen sie stärker auf Wildbeutertraditionen zurück. Dieses Phänomen, die Low Level Food Production, wurde im Süderbusenwurth-Kapitel dieses Buches umrissen. Sammelwirtschaft und Ackerbau ergänzten sich komplementär. Das bot eine gute Mischung aus Effizienz und Nachhaltigkeit.“

9 nach Christus schlug Arminius, aus dem später Hermann wurde, als Anführer einer Stammesallianz im Krieg gegen die Römer eine Schlacht gegen die Römer und besiegte Varus und seine drei Legionen wohl in der Nähe von Kalkriese in Niedersachsen. Arminius kannte das Geschäft, hatte er doch als Offizier in der römischen Armee gedient. Die Schlacht ist historisch gesichert, der Ort nach wie vor umstritten. Der römische Historiker Tacitus stilisierte ihn zum „Befreier Germaniens“, obwohl es noch weit über 1000 Jahre dauern sollte, bis die Bewohner der Landstriche östlich des Rheins auch nur in Ansätzen so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln sollten. Sie lebten in Clans und Stämmen, organisiert im ständigen Krieg miteinander. Einem dieser Konflikte fiel wohl auch Arminius zum Opfer.

Eine beeindruckende militärische Leistung, keine Frage, aber dass ab dem späten Mittelalter der vergessene Hermann nach und nach zum Nationalhelden, zum „Volksheiland“, wie ihn Friedrich Ludwig Jahn im 19. Jahrhundert nannte, wurde, hatte verheerende Folgen: Mit der Wahl Hermanns zur Urfigur deutscher Geschichte wurde ein verhängnisvoller Weg eingeschlagen. Deutschland stellte sich gegen die römische Tradition und damit gegen die europäische Zivilisation, die von den Griechen begründet und von den Römern fortgeführt wurde. Hermann-Deutschland begeisterte sich an seinen barbarischen Wurzeln, wähnte sich den antiken Hochkulturen überlegen und beschritt auch wegen Hermann einen Sonderweg, der im 20. Jahrhundert in die Katastrophe führen sollte. Wer weiß, ob es den Wilhelmismus und den Nationalsozialismus gegeben hätte, wenn die Wahl auf andere Personen als Gründerväter gefallen wäre. Zwei Alternativen hätte es gegeben, und im Gegensatz zu Hermann hinterließen sie ein politisches Erbe, das jenseits des Mythos zum Teil bis in die Gegenwart reicht: Karl der Große und Otto I.

Karl der Große schuf das Frankenreich, ließ sich 800 zum römischen Kaiser krönen. Er stellte sich in die antike Tradition und nicht gegen sie. Sein Reich zerbrach nach seinem Tod später in drei Teile: Aus dem westlichen ging Frankreich hervor, aus dem östlichen das spätere Deutsche Reich. Karl ließ eine eigene Schrift entwickeln, sorgte sich um die Bildung und versuchte, die Reste des römischen Wegenetzes zu erhalten. Otto I. wurde 962 zum römischen Kaiser gewählt und schuf das spätere Deutsche Reich, das bis 1806 Bestand haben sollte. Auch Otto sah sich in der antiken Tradition und mühte sich um ein enges Verhältnis zu Byzanz, dem oströmischen Reich: Er verheiratete seinen Sohn mit Theophanu, der Nichte des oströmischen Kaisers Johannes Tzimiskes.

Karl und Otto stellten sich und ihre Reiche in die antiken Traditionen, wollten Römer sein und keine Barbaren, und erkannten die Hochkulturen als überlegene Vorbilder an. Beide kämpften zudem gegen Mächte, die Europa bedrohten: Karl gegen die Araber in Spanien, Otto gegen die Ungarn, ein Reitervolk aus der asiatischen Steppe. Wenn sich das im Werden befindliche Deutschland Karl und Otto als Vorbilder und Gründerväter ausgewählt hätte, wäre die deutsche Geschichte vielleicht anders verlaufen.

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mike_mh
mike_mh
4 Monate zuvor

„Eine gute Idee, denn nüchtern ist der Kult um Hermann kaum zu ertragen.“
Was für ein Kult? Mir wäre es neu, dass es um Hermann/Hermannsdenkmal einen Kult gibt in unserer heutigen Zeit. Machen sie mal eine Straßenumfrage und fragen mal wer Hermann der Cherusker war, dass wird wahrscheinlich eher mau ausfallen.
Es ist doch gut, dass das Denkmal von seiner damals völkischen-nationalen Aufladung weg ist. In Frankreich gab es ja zu der Zeit den Vercingetorix-Kult
 
„Wie wäre es, germanische Hinterlassenschaften nicht durch die Brille von Kampf und Derbheit, sondern von Nachhaltigkeit und Vernetzung zu betrachten? Im Gegensatz zu ihrer Umgebung griffen sie stärker auf Wildbeutertraditionen zurück. Dieses Phänomen, die Low Level Food Production, wurde im Süderbusenwurth-Kapitel dieses Buches umrissen. Sammelwirtschaft und Ackerbau ergänzten sich komplementär. Das bot eine gute Mischung aus Effizienz und Nachhaltigkeit.“
Warum habe ich beim lesen dieses Satzes das Gefühl, dass könnte auch Robert Harbeck in einem seiner Kinderbücher geschrieben haben und im Grünen Parteiprogramm stehen?

„Karl gegen die Araber in Spanien“
Achtung, dass wird heutzutage wahrscheinlich als Antimuslimischer Rassismus interpretiert werden können.

hase12
hase12
4 Monate zuvor

Die These, dass die deutsche Geschichte anders verlaufen wäre, wenn man den Namensgeber vergessen hätte, ist milde ausgedrückt, Unsinn. Zum einen hätten wir ohne ihn unsere germanische Sprache womöglich verloren. Des weiteren ist festzuhalten, dass der deutsche Nationalismus seinen Ursprung im Rheinland hat, also dort wo die Nazis bei Wahlen am schlechtesten abgeschnitten haben, wie man auf den Karten unschwer erkennen kann. Dieser Logik nach hat der deutsche Nationalismus einen immunisierenden Einfluss gegenüber Diktatoren und Gewaltherrschern und keinen fördernen. Richtig ist, dass der Hermannskult von diesen missbraucht worden ist zur Instrumentalisierung der eigenen Zwecke und des eigenen Programms. Was sich aus der Erinnerung an Arminius = Herrmann, der Cherusker (Herrmann bedeutet Heeresmann, Mann des Heeres) ableiten lässt und seinen Befreiungskampf gegen die römische Besatzungsmacht so bedeutungsvoll und erinnerungswürdig macht, ist ein zentraler Grundsatz, der eigentlich für jeden gilt bzw. gelten sollte. Im Zweifel hat und genießt die Freiheit die höchste Priorität und Wertschätzung und nicht eine wie auch immer geartete Unterordnung, besonders gegenüber Fremden, die nicht einmal die eigene Sprache, sondern eine völlig andere Sprache sprechen.

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