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Alles außer Pop – Slave to the Grind

Der Film “Slave to the Grind” läuft zur Zeit auf einigen Festivals und hier und da im Programmkino. Es handelt sich um eine Dokumentation über Grindcore. Sie kennen keinen Grindcore? Aber Sie kennen doch bestimmt die erste Napalm Death? Auch nicht? Also … Sie haben eine Waschmaschine und die läuft doch sicher manchmal im Schleudergang. Und Sie waren mal auf einem Bauernhof und haben gehört, wie sich die Schweine dort artikulieren. Nun bringen Sie beides zusammen: Grindcore.
Für jeden, der in dieser Musik mehr als das hört, ist der Film sehr aufschlussreich. So erfährt man, wie der typische Blastbeat entstanden ist, dessen synkopische Snare-Schläge eigentlich ein Trick waren, um mit der Hälfte der Anschläge die volle Geschwindigkeit spielen zu können. Man erfährt, wie Repulsion in den USA und Napalm Death in England Anfang der 80er Jahre den bestehenden Hardcore-Punk zu neuen Geschwindigkeitsgefilden getrieben haben und so ein ganz neues Genre erfanden. Wie sich die verschiedenen Spielarten (etwa Gore-Grind) entwickelten, wo überall auf der Welt Grindcore gespielt wird (überall) und dass es auch weibliche Grindcore-Bands gibt.
Viel Raum nimmt der Tod mehrer Protagonisten ein, etwa von Mieszko Talarczyk, Sänger der Band Nasum, der 2004 beim Tsunami in Thailand ums Leben kam. Oder der von Seth Putnam von der Band Anal Cunt, einem Provokateur vor dem Herrn, von dem die eine Hälfte der Zeitzeugen sagt, er sei völlig gestört gewesen, während die andere ihn privat eigentlich als ganz normal empfunden hat.
Viele Momente sind lustig, z.B. wenn Tim Morse von Anal Cunt erzählt, wie er seiner Mutter die neue Band vorgestellt hat, samt ihrer ganzen Obszönität, und einfach nichts und wieder nichts als Argument vorbringen konnte, wieso man so eine Band gründen wollen sollte. Wie die meisten Herrschaften in dem Film ist Morse ein äußerst sympathischer, intelligenter Typ und es wäre eine nähere Betrachtung wert, warum nette und aufgeweckte Leute eigentlich so eine Freude daran haben, derartige Primitivität zu vertonen.
Wie heutzutage üblich ist alles schnell geschnitten, mit vielen kurzen Statements, vielen Bildern und wenig Ruhemomenten. Das könnte man natürlich auch als Parallele zur vorgestellten Musik interpretieren, aber so extrem ist es nun doch wieder nicht. Ich hätte mir den Mut gewünscht, einfach mal ein ganzes Stück einer Band zu spielen (so lang dauernd Grindcore-Lieder nun wirklich nicht) und darauf zu vertrauen, dass die Zuschauer auch mal mehr als 30 Sekunden bei einer Sache bleiben können.
Der Film ist trotzdem empfehlenswert, präsentiert eine bemerkenswerte Fülle an Material, an Zeitzeugen, Bildern und Skurilitäten. Für Freunde dieses Genres ein Muss, für Menschen, die sich für einen Blick in eine fremde Welt offen zeigen, ein Anlass zum Wundern.

Der Autor schreibt hier alle zwei Wochen über Musik. Über Musik redet er auch im Podcast Ach & Krach – Gespräche über Lärmmusik.

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