Asterix bei den Kirgisien – ein Bericht aus den himmlischen Bergen

Vor ein paar Tagen kam es zu einem Umsturz in Kirgisien. Unser Ruhrbaron Marcus Bensmann ist vor Ort. Er sprach mit dem gestürzten Präsidenten des zentralasiatischen Staates und prophezeit eine verdammt harte Zeit zu beiden Seiten des Tien-Shan-Gebirges – wie die himmlischen Berge auf krigisisch genannt werden. Hier sein Bericht:

Das Chaos in der zentralasiatischen Republik Kirgistan erinnert mich sehr an Asterix bei den Goten. Im Comicband drischt der eine Goten-Chef dem anderen Goten-Chef mit einem Knüppel auf den Kopf und verkündet, dass er nun Chef aller Goten sei. Die anderen Chef lachen aber dabei nur.

In Kirgistan ist das nicht anders. Vor fünf Jahren stürzte die sogenannte Tulpenrevolution den ersten kirgisischen Präsidenten Askar Akajew aus dem Amt. Die Revolte wurde getragen von unzufriedenen Clanführern aus dem Süden des durch das Tien-Schan-Gebirge in Norden und Süden zweigeteilten Landes. Die Clanleute bezahlten Tagelöhner und verbündeten sich mit den örtlichen Banditenchefs und stürmten zuerst die Städte in Sükirgistan Dschalalabad und Osch und dann die kirgisische Hauptstadt Bischkek. Akajew floh nach Russland. Die Opposition machte einen der ihren – Kurmanbek Bakijew aus Dschalalabad – zum neuen Chef.

Bakijew wurde Präsident und begann seine früheren Verbündeten abzuservieren.

Die Banditenchefs, die ihm an die Macht gebracht hatten, wurde erschossen.

Die anderen Kampfgenossen kalt gestellt. Die kirgisische Politikerin Rosa Utanbaewa war einer von Bakijew Mitstreitern, die aber dann in die Opposition gegen Bakijew ging.

Im April drehte sich das Bild. Diesmal begannen die Aufstände der Revolte in den Nordprovinzen in Talas und Narin, und schwappten dann am 7. April auf Bischkek rüber. Hier wurde die Sachen blutig.

Hatte sich die Revolte vor fünf Jahre damit begnügt Geschäfte zu plündern, knallte diesmal die Sicherheitskräfte in die anstürmende Menge, die gegen den Präsidentensitz anrannte. Die Demonstranten waren nicht viele, aber entschlossen. Knapp 5000 Mann erstürmten trotz tödlichen Kugelhagels das weiße Haus in Bischkek und zwangen den Präsidenten Kurmanbek Bakijiew zur Flucht. Rosa Utanbaewa übernahm die Regierungsgeschäfte der Notstandsregierung, löste das Parlament auf.

Bakijew floh aber nicht ins Ausland sondern ging zurück in seine Heimatstadt Dschalalabad. Hier steht sein Vaterhaus in einem Stadtviertel unweit des Zentrum, die Strassen dort heißen alle Bakijew. Der Präsident hat hier eine Jurte aufgestellt, wie man die örtlichen Filzzelte der Schafshirten nennt. Die Jurte dient Bakijew als Empfangsraum samt Samtsesseln und Holzschreibtisch.

An diesen Ort hat sich der Präsident mit seinen Anhängern und seiner Familie – vor allem mit seinen sieben Brüdern – zurückgezogen und sagt, er sei weiterhin Präsident, und daran werde sich auch nichts ändern. Zudem gibt Bakijew die Schuld für das Blutbad der Opposition. „Die habe zuerst geschossen“, sagt Bakijew, die Sicherheitskräfte hätten nur reagiert.

Wenn jetzt Rosa Utanbaewa sagt, sie sei Chefin, dann Bakijew lacht nur. Er denkt nicht daran aufzugeben.

Die Provinzen und Städte im Süden haben sich zwar offiziell der neuen Macht unterworfen. Aber gleichwohl können Bakijew und seine Brüder ein gesamtes Stadtviertel im Herzen des Landes okkupieren – ohne das auch nur eine Staubspur von kirgisischen Sicherheitskräften zu sehen ist.

So sieht der Bauplan für einen Bürgerkrieg im Herzen Zentralsiens aus – eben wie bei Asterix bei den Goten.

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konfi
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14 Jahre zuvor

Lieber Autor,

eigentlich ein wirklich spannender Artikel, den man hier zu lesen bekommt. Umso schlimmer finde ich den Einstieg des Artikels. Über Kirgistan ist hierzulande nahezu nichts bekannt – wer da die Machtkämpfe mit Comics vergleicht, der diskreditiert, vielleicht ungewollt, ein ganzes Volk. Hinter den Bergen, wo die Barbaren wohnen, hauen sich ein paar Clanführer wahrscheinlich tatsächlich mit Knüppeln die Köpfe ein – das ist das Bild, das die Leser von dem Land zurückbehalten.

Paul Havers
Paul Havers
14 Jahre zuvor

Spannende Geschichte und ich finde, man darf die Entwicklung dort gerne auch mal mit einem Comic vergleichen – trotz der Toten.
Wie schaut es denn mit der Rolle der Amerikaner und der Russen aus? Haben die US-Truppen dort nicht Militärbasen?

so, so
so, so
14 Jahre zuvor

diesen Kirgisen fehlt einfach die demokratische Reife. Statt dafür einen Aufstand zu machen, dass ein „postsowjetischer“ Diktator gestürzt wird und eine vom Westen für gut befundene Führungsfigur an die Macht zu bringen und dann wieder die Schnauze zu halten, machen sie glatt nochmal einen Aufstand, weil sie enttäuscht sind. Da hilft ihnen auch nicht der bemerkenswerte Mut und ihre Entschlossenheit eine in die Menge feuernde Soldateska plus einiger Scharfschützen zu überrennen. Darüber kann sich der aufgeklärte Journalist nur amüsieren. Da braucht es keinen Respekt vor den Toten usw.. Schliesslich wählt der mündige Staatsbürger halt alle paar Jahre neu – am Besten nach den Vorgaben des Westens (also liebe Ungarn …). Und für eine aus Enttäuschung gespeiste Wut ist er viel zu abgeklärt. Ausnahmsweise kann man dann auch mal einfach über die Hintergründe so einer Revolte berichten (kriminelle Clanschefs etc..). Während ansonsten (Ukraine, Georgien) natürlich das Volk sich in seinem Freiheitsdrang erhebt und es keine Strippenzieher gibt. So geht es halt zu, wenn man durch die Brille der Politk blickt. Die kann in diesem Fall keinen Nutzen erkennen und deshalb gibts auch keine Gratulations- etc. orgien. Schliesslich ist man ja mit dem letzten Diktator ganz gut gefahren. Aber das ist natürlich überhaupt nicht wahr.

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