Aufatmen unter Schmerzen

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Applaus? Erleichterung? Die Bochumer Opelaner trauen den selbst ernannten Rettern ihres Werkes nicht über den Weg. "Bei uns herrscht Angst und große Wut", sagt Vertrauensmann Steffen Reichelt. Schon vor dem Berliner Tauziehen um ihre Arbeitsplätze haben die Beschäftigten auf zahlreichen Versammlungen heftig um ihre Zukunft gestritten, darüber, welcher Investor der beste sei und welche Forderungen sie an ihn stellen wollen. Alte Gräben zwischen gemäßigten und radikalen Gewerkschaftern in der Belegschaft platzen nun ebenfalls wieder auf.

Jetzt sind wir endlich am Zug", so Reichelt. Die politischen Verhandlungen hätten keine "Heldentaten" hervor gebracht. Denn wenn es einen großen Verlierer im nächtelangen Poker um die Rettung des Autoherstellers gibt, dann ist es die Stadt im Ruhrgebiet. Von den rund 5500 Menschen soll rund ein Drittel die Arbeit verlieren. Ohne betriebsbedingte Kündigungen, heißt es bislang. "Dazu gibt es aber keine schriftliche Vereinbarung. Wir wurden so oft belogen, warum sollten sich die Arbeitgeber diesmal an ihre Versprechen halten?", sagt Reichelt.

In der Belegschaft würde kaum einer den Rettungsaussagen von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers oder Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) Glauben schenken. Seit der besten Zeit des zweitgrößten deutschen Werkes mit weit mehr als 21 000 Arbeitern in den 1980er Jahren müssen die Bochumer nahezu jedes Jahr erneut um ihre Jobs bangen. Zuletzt 2004, als die Bochumer mit einem wilden Streik die Produktion in nahezu ganz Europa lahm legten. Seitdem hat General Motors die Produktionen in den europäischen Werken entkoppelt, sie sind nun nahezu unabhängig voneinander funktionsfähig. Wenig Spielraum besteht auch für ein freiwilliges Ausscheiden der Beschäftigten: Nach einem permanenten Stellenabbau sind in dem Werk nahe der Innenstadt kaum noch Menschen angestellt, die zum Beispiel aufgrund ihres Alters sich mit ihrer Abfindung zur Ruhe setzen wollen.

Aber mit Magna ist erstmalig der deutsche Staat am Verhandlungstisch. Die staatlichen Bürgschaften von Bund und Ländern sollen nun an die Sicherung eines Arbeitsplatz-Kontingents geknüpft werden. Wo genau diese Zielzahl für den Job-Erhalt liegt, solle bis zum November vereinbart werden, wenn die Überbrückungsfinanzierung ausläuft, heißt es aus der NRW-Landesregierung.

Auch Ministerpräsident Rüttgers betonte, genaue Angaben über die künftigen Arbeitsplätze könnten derzeit noch nicht gemacht werden. Er geht nach den nächtlichen Verhandlungen im Kanzleramt davon aus, dass in der Revierstadt 1800 Stellen abgebaut werden. Dies sei aber "noch nicht in Stein gemeißelt". Damit ist Rüttgers komplett umgefallen. Noch vor zehn Tagen hatte der Christdemokrat ein erstes Magna-Konzept strikt abgelehnt, das die Streichung von 2200 Jobs vorsah. "Jetzt herrscht endlich Sicherheit für die Opel-Beschäftigten in Bochum," sagt Rüttgers nun.

"Es ist ein Aufatmen mit Schmerzen", sagt der IG-Metall Bezirksleiter Oliver Burkhard. "Zu Freudentänzen sind wir ganz und gar nicht aufgelegt." Es sei zwar gut, dass die Politik endlich beschlossen hat einzugreifen. "Und dass wir mit Magna endlich ein Gegenüber haben, mit dem wir verhandeln können." Aber dies sei teuer erkauft. "Die Bochumer Beschäftigten scheinen deutschlandweit am härtesten betroffen zu sein", so Burkhard. Er weiß, dass die Verhandlungen auch um Zugeständnisse der Beschäftigten hart werden. Mehr als 80 Prozent der Opelaner in Bochum sind gewerkschaftlich organisiert, mehr als in jedem anderen Opel-Werk. Zudem sind dort traditionell kommunistische und antikapitalistische Gruppierungen wie die MLPD einflussreich. Sie wollen grundsätzlich nicht auf Lohn verzichten oder längere Arbeitszeiten vereinbaren. "Magna muss sich etwas einfallen lassen, um hier einvernehmliche Lösungen zu finden."

Vor wenigen Wochen erst hatten die Opelaner mit hauchdünner Mehrheit für einen vorläufigen Verzicht auf ihre zuvor vereinbarte Lohnerhöhung verzichtet. Einige Betriebsgruppen zweifeln die Abstimmung allerdings an — es seien zu wenig Stimmzettel verteilt worden. "Die Belegschaft ist sehr gespalten", sagt Burkhard. Es werde daher keine schnelle Lösung geben und alles zur Abstimmung gestellt.

Vertrauensmann Reichelt bezweifelt ohnehin, dass die Bochumer bereit wären, etwa auf das Weihnachtsgeld zu verzichten um Jobs zu erhalten. Zugeständnisse würden nicht belohnt. "Die wollen aus immer weniger Leuten immer mehr rausholen."

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