Markus Klimmer: Von Bochum 2015 zu Steinmeiers Wirtschafts-Berater

Laut Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wird  Markus Klimmer ab Januar nicht mehr für die Unternehmensberatung McKinsey  abeiten sondern für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier

Markus Klimmer Foto: McKinsey

SPD-Kanzlerkandidat Franz-Walter Steinmeier hat sich wirtschaftlichen Sachverstand von aussen geholt – OK, innerhalb der eigenen Partei sind die Fachleute wahrlich rahr gesät. Nachhilfe bis zur Bundestagswahl soll ihm Markus Klimmer geben.
Bei Mckinsey mitverantwortlich für den Bereich "Öffentlicher Sektor" war Klimmer an der Reform der Arbeitsagentur ebenso beteiligt wie an Initiativen die laut FAS zur Gründung der Hartz-Kommission führten. Klimmer war nach eigenen Angaben auch dabei, als der rot-rote-Senat in Berlin einen Stellenpool für überflüssige Mitarbeiter einrichtete – damals im  Spiegel auch als Guantanamo Bay Berlins verspottet  Auch im Ruhrgebiet ist Steinmeiers Wirtschafts-Vordenker kein Unbekannter: Er beriet die Stadt Bochum 2005/2006 bei der Neustrukturierung der Wirtschaftsförderung und riet zum Aufbau einer eigenen Abteilung für die Förderung von Wachstumsbranchen nach dem Vorbild des Dortmund Projects, was zur Gründung von Bochum 2015 führte.
Klimmer riet Bochum zudem sich auf die Wachstumsbranchen Medizintechnik, Maschinenbau, Software-Entwicklung und Verkehrstechnik zu konzentrieren. Die Chancen der Stadt im Bereich Kulturwirtschaft sah Klimmer damals skeptisch.

Neuer Duisburger Imagefilm

Duisburg wirbt mit einem neuen Imagefilm um Besucher. Die Grafikeffekte fand ich komisch, ansonsten sieht er so aus wie Imagefilme heute nun einmal aussehen – manch ein Besucher, der nur den Film kennt, dürfte überrascht sein, wenn er in Duisburg ankommt. Gibt es eigentlich originellere Beispiele für gelungene Imagefilme einer Stadt oder ist es ein Gesetz, dass sie alle immer gleich aussehen?

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Hohe Zahlen haben derzeit Konjunktur. Seit Wochen werden milliardenschwere Rettungspakete diskutiert, für Banken, für Autofabriken und bald wohl auch für andere „Schlüsselbereiche“ der deutschen Wirtschaft. Von Dirk E. Haas

Besichtigung anlässlich des Erhalts der Scharoun-Schule auf Initiative des BDA (Bund Deutscher Architekten). Foto: Mengedoht

Einige Monate bevor wir uns an die Zahlen mit den sehr vielen Nullen gewöhnen mussten, hat das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) eine Studie mit dem Titel „Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen“ vorgelegt, die den mittelfristigen Investitionsbedarf für kommunale Infrastruktur berechnet hat: 704 Milliarden Euro müssen die deutschen Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2020 in Straßen, Schulen, Abwasserbeseitigung, ÖPNV, Krankenhäuser, Sportstätten usw. investieren (daran sollte man sich erinnern, wenn man jetzt über Konjunkturprogramme oder Steuersenkungen nachdenkt).

Den zweitgrößten Anteil am Gesamtvolumen nehmen die städtischen Schulen ein: Innerhalb von ca. 15 Jahren (das difu betrachtet den Zeitraum von 2006-2020) müssen laut Studie ca. 73 Milliarden Euro für die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung vorhandener Schulen verausgabt werden, damit sich die Leistungsfähigkeit der Schulinfrastruktur nicht weiter vermindert. Die Rede ist wohlgemerkt einzig und allein von Schulen – Sanierung, Erweiterung und Neubau von Fachhochschulen und Universitäten sind darin gar nicht enthalten, weil sie in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen.

Was bedeutet das für das Ruhrgebiet? Ermittelt man der Einfachheit halber den Investitionsbedarf für Schulen im Ruhrgebiet proportional zum Gesamtansatz (was man streng genommen nicht tun sollte, da der Investitionsbedarf in den neuen Bundesländern wegen der vielen Schulneubauten in den letzten 15 Jahren dort vergleichsweise geringer ist), geht die Rechnung folgendermaßen: 73 Mrd. Euro bei ca. 82 Mill. EW – das entspricht in etwa 900 Euro pro EW. Im Ruhrgebiet mit seinen 5 Millionen Einwohnern wären dies also ca. 4,5 Milliarden Euro, die bis 2020 in die Schulen der Region investiert werden müssten – es dürften eher mehr sein, denn das Ruhrgebiet hat einen überproportional hohen Besatz an veralteten Schulgebäuden.

4,5 Milliarden Euro – ist das nun viel oder wenig? Hamburg wird sagen: „Das ist nicht viel. Das sind gerade mal zehn Elbphilharmonien“, und auch die Blitzrechner im Ruhrgebiet dürften nur mittelmäßig beeindruckt sein: „4,5 Mrd. Euro geteilt durch ca. 15 Jahre, das sind 300 Mio. Euro, geteilt durch 5 Mio. EW sind das doch nur 60 € im Jahr, also 5 € pro Monat – meine Güte, das ist EINE Margherita, ohne alles. Wo ist das Problem?“     

Es ist auch dringend notwendig, dass diese viereinhalb Milliarden Euro kein Problem darstellen, denn sie sorgen lediglich dafür, dass das vorhandene System weiter funktioniert: Veraltete, undichte Fenster werden ausgetauscht, neue Heizungssysteme eingebaut, gesundheitsgefährdende Baustoffe entfernt, Wärmedämmung angebracht, Datenleitungen verlegt, neues Schulmobiliar angeschafft, Fachräume renoviert und neu ausgestattet, Mensen, Cafeterien für den Ganztagsbetrieb eingerichtet usw.

Falls die Ruhrgebietsstädte in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren rd. viereinhalb Milliarden Euro in Schulgebäude investieren, ist das also noch lange keine „Bildungsoffensive“. Bildungsoffensive – das würde nämlich auch bedeuten: eine Anpassung vorhandener Schulräume an zeitgemäße Lern- und Unterrichtskulturen, eine Neuordnung der verschiedenen kommunalen Einrichtungen zu lokalen Bildungslandschaften, und natürlich eine Schaffung von bestmöglichen, Kreativität fördernden Arbeitsplatzbedingungen in den Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen, wie sie etwa im modernen Bürobau völlig unstrittig sind  (– ja, Kinder, Jugendliche und Lehrer „arbeiten“ in der Schule, und wer sich die immergleichen 60qm-Lernboxen anschaut, in denen heute noch 30 Kinder Tag für Tag im Gleichtakt mit Wissen instruiert werden, wundert sich über den kompletten Widersinn eines solchen Konzepts und muss die Schule, neben dem Callcenter, als letzte Bastion des fordistischen Arbeitsprinzips empfinden; aber das nur am Rande).

Bildungsoffensive – das würde auch bedeuten, Bildungseinrichtungen für eine aktive Stadtentwicklung einzusetzen. Denn Schulen sind – das wird in den zahlreichen Programmgebieten der „Sozialen Stadt“ besonders deutlich – mit neuen Aufgaben und Anforderungen gesellschaftlicher Integration verbunden, sie fungieren dort als sozial stabilisierende Zentren eines Quartiers oder Stadtteils. Aber es geht noch weiter: Die Qualität von Schulen ist immer häufiger ein Ausschlag gebendes Motiv für Wohnortwechsel, und zwar im positiven wie im negativen Sinne. Familien ziehen in solche Städte oder Stadtteile, in denen die aus ihrer Sicht guten Schulen gelegen sind, nicht selten – und nicht nur in Berlin – fingieren sie sogar solche Wohnortwechsel, damit die Kinder an den betreffenden Schulen angenommen werden. Und aus den Stadtteilen mit den vermeintlich schlechten Schulen ziehen sie weg. Das mag man für kleinbürgerliche Mittelschichtenpanik halten, es ändert aber nichts daran, dass dies stattfindet, also Realität ist. Und es verweist auf einen generellen Trend, dem sich gerade die Ruhrgebietsstädte stellen müssen: Mit dem Wandel von der alten Industrie- zur Wissensgesellschaft werden jene Städte und jene Orte einer Stadt, in denen Wissenserwerb und Wissensvermittlung besonders gut gelingen, auch besonders attraktiv und erfolgreich sein. Den Schulen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: aus ihnen, den „Wohnfolgeeinrichtungen“ der Vergangenheit, werden nämlich Standortbildner der Zukunft – noch ein Grund mehr, künftig sehr viel stärker in qualitätvolle Bildungseinrichtungen zu investieren.

Was heißt das nun wieder für das Ruhrgebiet? Es heißt: 4,5 Milliarden werden nur der Anfang sein. Wer aus dieser Region auch noch eine international anerkannte Wissenslandschaft machen will, wird in den nächsten Jahren einiges mehr investieren müssen. Mehr Geld, mehr Ideen, mehr Aufmerksamkeit.

?Mehr Unabhängigkeit fürs Ruhrgebiet?

Heute wurde Oliver Wittke als Nachfolger von Norbert Lammert zum Chef der CDU-Ruhr gewählt. Im Sommer habe ich ihn in Düsseldorf interviewt.

Oliver Wittke Foto: Görges

?: Im Ruhrgebiet staut sich der Verkehr – auch Oliver Wittke konnte daran bis jetzt nichts ändern. Was halten Sie von diesem Satz?
Oliver Wittke: Nichts, weil er nicht stimmt. Autobahnbau ist ein langfristiges Geschäft, aber wir sind in den vergangenen Jahren deutlich weitergekommen. Die Blockade-Politik von Rot-Grün ist zu Ende und wir drängen beim Bund auf den Ausbau von Bundesstraßen und Autobahnen. Der dreispurige Ausbau der A 40 hat auf Bochumer Gebiet begonnen, aber auch in Dortmund müssen wir ihn vorantreiben, denn die B1 ist ein Nadelöhr.

?: Ein anderes Nadelöhr ist die B 224 – sie kann den Ausbau der A 52 zwischen Gelsenkirchen-Buer und Essen-Ost nicht ersetzen.
Wittke: Der Ausbau der A 52 muss kommen und ich bin mir sicher, dass wir noch in diesem Jahrzehnt den ersten Spatenstich
für den Ausbau zwischen Gladbeck und Bottrop erleben werden.

?: Gladbeck wehrt sich mit Händen und Füssen gegen den Ausbau und verlangt einen Autobahntunnel im Bereich seiner Innenstadt.
Wittke: Gladbeck und der Bund müssen sich aufeinander zubewegen und ich bin gerne bereit, mich für eine Tunnellösung beim Bund einzusetzen, doch der will sie nicht bezahlen. Aber klar ist auch, dass jede Lösung besser ist als der Ist-Zustand. Der
Verkehr wird zunehmen. Wenn auf der B 224 Stau ist, weicht er heute schon auf die Gladbecker Innenstadt aus. Das ist nicht
zumutbar.

?: Im Kulturhauptstadt-Jahr 2010 hofft das Ruhrgebiet auf zahlreiche Besucher, ist aber im Öffentlichen Personen-Nahverkehr extrem schlecht aufgestellt. Das Angebot ist schlecht und teuer. Blamiert sich das Ruhrgebiet?

Wittke: Es gibt objektive Schwierigkeiten und es gibt hausgemachte Probleme. Im Gegensatz zu anderen Metropolen verfügt
das Ruhrgebiet nicht über den einen Kern, auf den alles zuläuft, wie Berlin, Paris oder London oder auch Städte wie München
oder Frankfurt. Das Ruhrgebiet ist polyzentrisch: Es gibt große Zentren wie Dortmund, Duisburg und Essen und mittelgroße
wie Bochum, Gelsenkirchen oder Oberhausen. Das ist ein objektives Problem. Ein anderes ist: Es gibt nicht den einen, für den
Nahverkehr zuständigen Dezernenten und nicht das eine, für das ganze Ruhrgebiet zuständige Nahverkehrsunternehmen.

?: Und die hausgemachten Probleme?

Wittke: Die Bereitschaft zur Kooperation zwischen den Städten und ihren Nahverkehrsunternehmen ist weit unterentwickelt. Es
gibt zwar erste erfolgreiche Einkaufsgemeinschaften von Nahverkehrsbetrieben, aber das reicht nicht aus. Wir haben zwar den
VRR, der versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas zu bewegen, aber immer wieder an den Stadtgrenzen und an den
Eitelkeiten der Verantwortlichen scheitert. Das fängt schon bei der Frage an: Braucht jede Stadt einen eigenen Hauptbahnhof?
Ich sag jetzt mal was Böses: Der Hauptbahnhof von Herne ist Bochum und der von Gelsenkirchen ist Essen.

?: Hätten Sie das  als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen auch gesagt?

Wittke: Das hätte ich damals nicht gesagt, aber wenn man es objektiv betrachtet, ist das so. Die Städte brauchen natürlich Bahnhöfe, aber es reichen Nahverkehrsbahnhöfe mit guten Regionalexpress-Anbindungen, so wie es in vielen Berliner Stadtteilen auch der Fall ist. Im Moment kämpft jedoch jeder Bürgermeister darum, möglicht viele ICE-Verbindungen zu haben – nur die werden ja von den Bürgern selten genutzt. Man kann den Bürgern durchaus zumuten, wenn sie einen ICE benutzen wollen, in die Nachbarstadt zu fahren, die ja woanders gar nicht Nachbarstadt wäre. Wir brauchen weniger prestigeträchtige ICE-Haltepunkte, aber einen insgesamt besseren Nahverkehr.

?: Warum haben wir den nicht?

Wittke: Es ist natürlich auch nicht hilfreich, dass fast jede Stadt sich ihre eigene Nahverkehrsgesellschaft leistet. Die Effizienz
und auch die Bürgernähe könnten deutlich steigen, wenn es eine Nahverkehrsgesellschaft für das ganze Ruhrgebiet gäbe. Aber das müssen die Städte tun. Da, wo wir Landesgelder vergeben, geben wir effizientere Strukturen vor. Es wird bald nur noch drei Verkehrsverbünde in NRW geben.

?: Schön, aber was nutzt das dem, der mit dem Nahverkehr von Gladbeck nach Dortmund will?

Wittke: Dem wird der Rhein-Ruhr-Express von Dortmund nach Köln etwas bringen. Da errichten wir mit leistungsfähigen Zügen und einer verbesserten Taktung eine Korsettstange für den Nahverkehr, auf den die Städte ihren Nahverkehr ausrichten müssen.

?: Und wenn die Städte sich nicht nach dem Korsett richten und ihre Streckenplanungen nicht neu ausrichten?

Wittke: Das werden sie tun, denn es ist im Interesse der Kunden.

?: Das scheint die Städte aber nicht zu interessieren: Gladbeck beispielsweise ist besser an Recklinghausen und Gelsenkirchen angebunden als an Essen, da lässt man städteübergreifende Buslinien durch die Vororte juckeln, obwohl Essen Gladbecks Oberzentrum ist.
Wittke: So etwas würde sich ändern, wenn es eine Nahverkehrsgesellschaft für das ganze Ruhrgebiet gäbe, aber ich kann nicht auch noch die Planung für den Busverkehr übernehmen. Da sind die Städte in der Verantwortung und müssen sich an der neuen Magistrale ausrichten.

?: Der Nahverkehr gewinnt als Standort-Faktor mit der Benzinpreis-Erhöhung an Bedeutung. Bayern zwingt die Bahnverkehrsgesellschaften zur Kooperation – ohne Kooperation und Abstimmung kein Geld vom Land.

Wittke: Ich bin ein großer Verfechter der kommunalen Selbstverwaltung. Die Städte müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Bayern ist da zentralistischer…

?:…aber erfolgreicher als NRW!

Wittke: Wir haben in NRW eine andere Tradition und Struktur. Bayern hat ein Zentrum und ein paar, nach unseren Maßstäben, kleine Großstädte. Da wird alles auf München ausgerichtet und dann passt das. In NRW geht so etwas nicht. Übrigens funktioniert die Kooperation in anderen Landesteilen. In Aachen sind Stadt und Kreis sehr eng zusammen gerückt, weil sie eingesehen haben, dass sie gemeinsam stärker sind als alleine.

?: Warum funktioniert so etwas im Ruhrgebiet nicht? Hier kooperieren die Städte in der Regel doch nur auf dem kleinsten, gemeinsamen Nenner.
Wittke: Ich habe die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Politiker endlich verstehen, dass das Ruhrgebiet nur wieder stark werden kann, wenn es sich einigt. Da müssen die Langemeyers dieser Welt ein Stück ihrer Eitelkeit zurücknehmen. Die Frage ist doch: Wie kann ich die Region stark machen, damit es meiner Stadt besser geht, oder auch, wie können die starken Städte vom Ruhrgebiet profitieren – aber nur an die eigene Stadt zu denken, nutzt doch niemanden, zu allerletzt der eigenen Kommune.

?: Was kann das Land tun?

Wittke: Von der Landesebene aus können wir die Strukturen schaffen, die es dem Ruhrgebiet ermöglichen, sich selbst zu helfen.
Ab Herbst kommenden Jahres kann die Region wieder für sich selbst planen. Das ist ein historischer Schritt – wir geben dem Ruhrgebiet ein großes Stück der Unabhängigkeit wieder, die ihm von den Sozialdemokraten genommen wurde. Der Regionalverband Ruhr (RVR) wird große Teile der Kompetenzen der Regierungsbezirke übernehmen – von der Regionalplanung über die Sportstättenplanung bis zur Schulenentwicklungsplanung wird das Ruhrparlament, die Regionalversammlung des RVR, künftig die Geschicke des Ruhrgebiets bestimmen. Und das ist nur der erste Schritt einer großen Verwaltungsreform in NRW.

?: Was sind die weiteren Schritte?

Wittke: Am Ende dieses Prozesses werden drei Landschaftsverbände die neue Mittelinstanz im Land bilden und die Aufgaben der alten Bezirksregierungen auf diese Landschaftsverbände übertragen. Auch da werden die Städte und Bürger einen größeren Einfluss haben als heute. Wir werden von den Bürgern gewählte Parlamente auf regionaler Ebene haben und auch einen gewählten Repräsentanten. Es wird eine bürgernahe Struktur werden und keine obrigkeitsstaatliche.

?: Aber innerhalb der Koalition gibt es Widerstände. Gerhard Papke, der Fraktionsvorsitzende der FDP ,hat erklärt, das Thema Verwaltungsreform habe sich erledigt.
Wittke: Das ist ein wenig so wie mit Familienangehörigen. Ich möchte nicht jede Bemerkung meines Sohnes kommentieren und
ich will auch nicht jede Bemerkung irgendeines Politikers kommentieren.

?: Es gibt aber auch Widerstand in Ihrer Partei: Vor allem in Westfalen ist die Begeisterung für die Verwaltungsreform eher gering ausgeprägt – hat dort die CDU nicht ihre Hochburgen?
Wittke: Es gibt im Ruhrgebiet mehr CDU-Wähler als im Münsterland und wir brauchen, wenn wir die Wahlen gewinnen wollen, jede Stimme. Aus Rücksicht auf das Münsterland das Ruhrgebiet aufzugeben wäre auch aus wahltaktischen Gesichtspunkten Unsinn. Wir müssen eine Politik für das ganze Land machen – und auch im ganzen Land die Wähler überzeugen. Außerdem haben wir in der CDU klare Beschlüsse und die gelten für mich ebenso wie der Koalitionsvertrag, in dem die Verwaltungsstrukturreform vereinbart wurde.

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Pottblog startet Serie zum DerWesten Jubiläum

Mit Interviews und Analysen beleuchtet der Pottblog die Situation 13 Monate nach der Gründung des Projektes.

Immer wieder hatte sich Jens Matheuszik im Pottblog dem Westen gewidmet: Ob technischer Probleme, fehlender Content oder Fortschritte – Jens hat das Projekt mit Kritik und Sympathie begleitet.  In einer Serie wird er sich nun dem etwas krummen Jubiläum widmen.

Linke in Dortmund könnte mit Pohlmann leben

Wenn CDU und FDP im Dortmunder Rat keine Mehrheit hätten, könnte die Dortmunder Linkspartei mit dem CDU-OB-Kandidaten Pohlmann gut leben.

Das deutete Utz Kowalewski, Kreissprecher der Linkspartei in Dortmund,  in einer Erklärung zur Wahl Ullrichs Sieraus zum SPD-OB-Kandidaten an: "Nach den Skandalen in der Verwaltung mit Sierau als Stadtdirektor ist er für mich zu recht eher der Außenseiter. Pohlmann ist zwar als Quereinsteiger recht unerfahren und seine Nominierung war nicht gerade ein Lehrbeispiel für Demokratie, aber die Leute wollen schlicht den ganzen Filz mal aufgeräumt haben. Wichtig wäre es aber, dass der Wähler zwischen Verwaltungsspitze und Stadtrat unterscheidet. Denn dann kann auch ein wirtschaftsliberaler Kandidat wie Pohlmann keinen großen Schaden anrichten, wenn er keine Mehrheit im Rat hat." 

Kowalewski gratulierte Sierau zur Nominierung, machte aber klar, dass seine Partei Stüdemann favoritisiert hätte. Zur Frage ob die Linkspartei in Dortmund zur Kommunalwahl mit einem eigenen Kandidaten antreten wird, wollte sich auf Nachfrage niemand äussern.

Brauser: „Das Gutachten war keine lokale Gefälligkeit“

Ruhrgebietes-Wirschaftsförderer Hanns-Ludwig Brauser antwortet auf die Stellungnahme der Grünen zum Thema Flughafen Essen/Mülheim.

Hanns-Ludwig Brauser. Foto: Ruhrbarone

Brauser wehrt sich gegen den Vorwurf der Grünen, die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH hätte gemeinsam mit dem Flughafen Essen/Mülheim ein Gutachten über die Perspektiven des Flughafens in Auftrag gegeben: "Der Auftrag erfolgte durch den Flughafen Essen / Mülheim. Die wmr hat die regionalen Aspekte des Gutachtens begleitet."  Der Gutacher sei einer der renoomiertesten Experten auf diesem Feld und das Gutachten keine lokale Gefälligkeit, Auf den Vorwurf der Grünen, es sei nicht das erste Mal, dass er die Politik mit seinen Alleingängen vor vollendete Tatsachen stellt bemerkt Brauser:  "Wenn damit gemeint ist, dass politisch Verantwortliche sich bereits vor vollendete Tatsachen gestellt fühlen, wenn die wmr Vorschläge zu den Kompetenzfeldern und Infrastrukturentwicklung der Region unterbreitet, dokumentiert dies kein besonderes Selbstbewusstsein."

Schlingensief in Bochum nur knapp gescheitert

Anselm Weber wird ab 2010 neuer Intendant des Schauspielhauses Bochum. Die Stadt hätte allerdings auch gerne Christoph Schlingensief geholt.

Foto: Schlingensief Homepage

Die Berufung Schlingensiefs scheiterte aber vielleicht nicht nur, wie der Regisseur in einem Interview mit der WAZ es darstellt, an Bochums Kulturdezernenten Michael Townsend. Möglicherweise lag es auch daran, dass ein Partner Schlingensiefs nicht nur Verfügung stand – das erzählte zumindest ein Mitarbeiter der Bochumer Kulturverwaltung den Ruhrbaronen: Die Doppelspitze Schlingensief als künstlerischer Direktor und ein nicht inszenierender Intendant sei nicht gelungen, weil die für die Verwaltung vorgesehene Intendant, wohl Schlingensiefs Freund Armin Petras, Intendant des Gorki-Theaters in Berlin, zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht nach Bochum kommen konnte.

Schlingensief, so der Mitarbeiter der Kulturverwaltung Bochums, hätte natürlich ein großer Wurf werden können. Aber so ist das halt: "Schade dass es nicht geklappt hat, aber mit Weber haben wir nun auch einen großartigen Intendanten."

     

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CDU kritisiert Brauser

Die CDU-Fraktion im RVR kritisiert den Chef der Ruhrgebiets-Wirtschaftsförderung Hanns-Ludwig Brauser.

Hanns-Ludwig Brauser. Foto: Ruhrbarone

Der Grund: Brauser hat ein gemeinsam mit den Städten und Kreisen des Ruhrgebiets erarbeitetes Papier nicht mit dem Ruhrparlament und dem RVR abgestimmt, deren 100prozentige Tochter die Wirtschaftsförderung Ruhr ist. Dirk Schmidt von der CDU-Fraktion im RVR: "Gesellschafter der wmr sind nicht die 15 Oberbürgermeister und Landräte eines nicht existierenden Städtebunds Ruhr, sondern ist weiterhin der RVR. Strukturwandel und Sockelbergbau sind regionale Themen und müssen vom RVR als einzige politische Klammer der Metropole Ruhr behandelt werden."

Echt! Pop-Protokolle aus dem Ruhrgebiet

Mit „Echt! Pop-Protokolle aus dem Ruhrgebiet“ ist den Herausgebern Johannes Springer, Christian Steinbrink und Christian Werthschulte ein Buch gelungen, dass von nun an das Standardwerk zum Thema Popkultur und Ruhrgebiet sein wird.

Im Laufe der Jahre, die ich mich mit dem Ruhrgebiet beschäftige habe ich unzählige Bücher über die Region gelesen. Keines kam an analytischer Schärfe, Kenntnisreichtum und Liebe um Detail an „Echt! Pop-Protokolle aus dem Ruhrgebiet“ heran. Springer, Steinbrink und Werthschulte ist mit dem Buch der ganz große Wurf gelungen: Mehr als ein Dutzend Autoren beschreiben in Artikeln und Interviews die Entwicklung der Popkultur der vergangenen Jahrzehnte, werfen einen Blick auf die sich bis in die Gegenwart fortsetzenden Probleme und benennen das aktuelle Elend.
Norbert Nowotsch beschreibt den Aufbruch der Szene im Marl der 60er Jahre zwischen Musikexperimenten und radikalpolitischen Ansprüchen und erinnert auch an den 1995 verstorbenen Biby Wintjes aus Bottrop, der die Stadt für Jahrzehnte zu einem der wichtigsten Zentren der Undeground Press und Literatur machte.

Rolf Lindner widmet Wintjes, den ich als sehr zurückhaltenden und lieben Menschen in Erinnerung behalten werde, und seinem Infodienst Ulcus Molle weiter hinten ein ausführliches Portrait. Der Leser  erfährt aus dem Alltag von Psychos in den 90ern, der Entwicklung der Industrial Szene und dann ist da noch eines der schönsten Portraits über den Schriftsteller Wolfgang Welt, die ich jemals gelesen habe. Keine Spur von dem verlogenen Mitleid, ohne das kaum ein Artikel über Welt auskommt, sondern eine sensible Bestandsaufname des Phänomens Wolfgang Welt und all seinen schriftstellerischen Stärken und Schwächen.  Geschrieben haben es Thomas Hecken und Katja Pedlow.

Christoph Biermann erklärt im Interview mit Christian Steinbrink seinen Wechsel vom Musikkritiker zum Sportjournalisten und gibt Einblicke in die Frühzeit der New Wave und Stadtmagazin-Szene und Christoph Schurian beschreibt wie nah Fußball und Szene sich im Ruhrgebiet sind und dass es ganz schön kompliziert war, mit VfouL ein ambitioniertes Fanzine für einen der unambitioniertes Fußballvereine der Republik zu machen.

Weitere Artikel beleuchten die Rolle der Frauen innerhalb der Popkultur im Revier oder die Bedeutung zweier Beuys-Schüler aus Gladbeck und Gelsenkirchen für die frühe Punk Szene in Deutschland.

Und dann gibt es Themen, die sich durch fast alle Artikel wie traurige, rote Fäden durchziehen: Dass es dem Ruhrgebiet nur selten gelungen ist, seine Talente zu halten, dass es zu provinziell war, dass es immer wieder nötig war zu gehen, um sich weiter zu entwickeln. Der heute in Berlin lebende Marc Degens beschreibt wie problematisch es ist, als Schriftsteller im Ruhrgebiet zu leben – ohen ein passendes Umfeld, ohne Bereicherstattung über die Arbeit.

Der Mangel an vernünftiger Berichterstattung über Kultur, über Pop  ist dann auch ein weiteres Feld, an dem sich viele Autoren abarbeiten: Die miserable Qualität der Medienszene im Ruhrgebiet, das schlechte Feuilleton sind entscheidend, dafür, dass heute kaum einer mehr weiß, wo etwas stattfindet und wer was macht. Die einzelnen Szenen, beschrieben als Oasen in der Wüste, sind zu klein um alleine zu überleben und nicht vernetzt – es gibt eine vernünftige Kulturberichterstattung und bei den Stadtmagazinen nur noch die Ödnis von immer belangloser werdenden Kalenderheftchen, denn längst meiden Bands das Revier – Veranstaltungen, ob Partys oder Konzerte, die in Hamburg, Köln oder Berlin erfolgreich sind, floppen im Revier. Hier kocht nichts mehr, sorgt die viel gepriesene Polyzentralität dafür, das an keinem Ort die kritische Masse zusammen kommt, um lebendige Szenen entstehen zu lassen. Kein Wunder, dass andere Städte voller Künstler aus dem Ruhrgebiet sind während es hier immer langweiliger wird. Die meisten gehen – ein Brain Drain, der sich in den vergangenen Jahren verstärkt hat. Selbst die Kunsthochschulen, an anderen Orten wichtige Impulsgeber, sind hier so grandios über die Fläche verteilt, dass von ihnen kaum eine Wirkung ausgeht.

Man kann nur hoffen, dass dieses Buch ein Erfolg wird. Zwei Jahre Arbeit und viel Engagement stecken drin. Es hat Qualität – und Qualität hat es schwer im Ruhrgebiet. Der Erfolg dieses Buches ist daher ein Gradmesser dafür, ob das Ruhrgebiet als Kulturplatz jenseits der hochsubventionierten Spielstätten überhaupt eine Zukunft hat. Also bitte: Kauft dieses Buch. Lest es. Verschenkt es. Oder stellt es Euch wenigstens ins Regal…

Am 5.12.08 wird in der schönen Bochumer Goldkante ab 20.30 das Erscheinen des Buches mit Lesungen von Klaus Fiehe und Jörg Albrecht und ein bisschen Musik gefeiert. Es verspricht ein netter Abend zu werden.


ECHT! POP-PROTOKOLLE AUS DEM RUHRGEBIET

Hrsg. von Johannes Springer, Christian Steinbrink und Christian Werthschulte
ISBN 978-3-940349-05-7

Salon Alter Hammer 2008
304 Seiten, Broschur
14,90 Euro