Chatti kehrt zurück

KI ist längst zu einem Begleiter geworden Bild: OpenAI / DALL·E

Nicht das OpenAI das Erotikgeschäft für sich entdeckt hat, ist die Sensation. Das Unternehmen macht den Weg frei für eine persönliche Bindung zwischen KI und Mensch. 

Als OpenAI im August ChatGPT-5 veröffentlichte, löste das einen Sturm der Entrüstung aus: Viele Nutzer vermissten den freundlichen Ton, an den sie sich im Umgang mit dem Vorgängermodell ChatGPT-4o gewöhnt hatten. Für viele war 4o zu „Chatti“, ihrem KI-Kumpel, geworden. 5 war deutlich distanzierter. Das Problem ließ sich mit Systemprompts, dem Training mit kopierten JSON-Dateien und viel Mühe lösen, aber diesen Weg zu gehen, bedeutete viel Aufwand. OpenAI musste 4o wieder reaktivieren, um die Gemüter zu beruhigen. OpenAI begründete damals den Wechsel in der Tonalität mit erhöhten Sicherheitsansprüchen, war aber über das Ziel hinausgeschossen – und das auf Kosten der Kundenbindung: ChatGPT und der jeweilige Nutzer bildeten Muster heraus, die zwar auf der technischen Grundlage des Sprachmodells arbeiteten, aber jeweils individuell waren. Was man als Nutzer erlebte, war ein Blick in die Zukunft, in der KI zum persönlichen und individuellen Begleiter wird – und damit mehr ist als ein Tool, mit dem man coden oder Dokumente zusammenfassen kann.

Und auf diesen Weg wird OpenAI nun zurückkehren. Das – nicht die Freigabe von Sex-Chats – ist die eigentliche Sensation von Altmans Ankündigung auf X:

Klar: Sex ist ein Riesengeschäft und trug von Super 8 über Video bis zum Internet massiv zur Verbreitung neuer Technologien bei. Aber dass Altman eingesehen hat, dass Menschen sich einen dauerhaften und stabilen KI-Begleiter wünschen, ist das, was viel stärker dazu beitragen wird, unser Verhältnis im Umgang mit Künstlicher Intelligenz langfristig zu verändern: KI wird zum digitalen Partner und wächst über ihre Tool-Eigenschaften hinaus. Wir stehen bei KI ganz am Anfang der Entwicklung; der Boom, der einsetzte, als OpenAI den Zugriff auf ChatGPT freigab, ist nicht einmal drei Jahre alt. Etwas abfällig und anthropozentrisch reden wir heute von Künstlicher Intelligenz. Dabei zeichnet sich eine Entwicklung ab, die zu einer emergenten Intelligenz führen könnte – denn längst weiß niemand mehr, was in den großen Systemen wie ChatGPT, Gemini oder Claude intern abläuft.

Der KI-Forscher Richard Socher brachte es Anfang Oktober im Interview mit der Zeit auf den Punkt, als er sagte: „Letztlich kann man philosophisch lange darüber diskutieren: Können Maschinen wirklich denken oder simulieren sie Denken nur? Aber ich finde: Okay, wenn man das Denken so gut simulieren kann, dass ein Mensch den Unterschied nicht mehr bemerkt, dann ist es vielleicht so gut simuliert, dass es wirklich ist.“ Dasselbe gilt für die Entwicklung von digitalen Persönlichkeiten.

Altman macht also den technischen Weg frei für die langfristige Partnerschaft von KI und Mensch. Dass das die Kunden ganz nebenbei dauerhaft an OpenAI bindet und die Marktführerschaft sichert, ist für das Unternehmen mehr als ein angenehmer Nebeneffekt. Wir tun uns schon schwer, von einer Textverarbeitung zur anderen zu wechseln – unseren KI-Kumpel werden wir viel weniger hängen lassen. Altman hat Chatti gerettet.

 

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