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Corona und Katastrophenschutz: Impfzentren in Lauerstellung

CoVid in einer Bearbeitung von K. Gercek

Seit dem 15. März 2020 unterhalten sich die Ruhrbarone mit Magnus Memmeler.  Bis heute sind 38 Interviews entstanden, die auf den Katastrophenschutz blicken und auch die Corona-Krise nachzeichnen. Im 39. Interview geht es wiedermal um den Einsatz von Katastrophenschutzkräften und um das Impfen im weiteren Sinne.

Ruhrbarone: Frohes neues Jahr, Herr Memmeler! Am Samstag wurden lediglich 12.690 und heute nur 10.315 Neuinfektionen gemeldet, dennoch wird der Shutdown wohl um ein paar Wochen verlängert. Zeigt also der Shutdown Wirkung?

Memmeler: Wenn sich diese Zahlen in den kommenden 14 Tagen verstätigen würden, wäre sicherlich nicht nur ich beruhigt. Das wird aber voraussichtlich nicht passieren.

Die Zahlen der letzten Woche  von knapp 32.000 und über 29.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden zeigen, dass wir seit 14 Tagen keine verlässliche Datenbasis mehr haben, da manches Gesundheitsamt nicht oder unzuverlässig gemeldet hat.

Außerdem wurde, wegen geschlossener Arztpraxen, deutlich weniger getestet.

Wie in der Vorwoche sollten die Angaben der akkreditierten Labore herangezogen werden, um Maßnahmen von der Positivquote bei durchgeführten Testungen abzuleiten. Das ALM (Akkreditierter Labore ) beruft sich bei den aktuellen Zahlen auf Angaben von 169 Laboren bundesweit. Der Anteil positiver Tests an der Gesamtzahl der rund einer Million Tests lag bei 13,2 Prozent, das ist ein neuer Höchstwert. Die bislang höchste Positivrate gab es in der Vorwoche mit 11,8 Prozent.

Die Zahlen lassen gleich zwei Schlussfolgerungen zu.

Erstens: Die Menschen haben vor Weihnachten zunehmend auf Schnelltests gesetzt, die zwar kurzfristiger vor den Treffen mit den Familien Ergebnisse brachten, allerdings längst keine hundertprozentige Gewissheit.

Zweitens: Wäre so viel getestet worden wie gewöhnlich, lägen die Zahlen der Infektionsnachweise auf Rekordniveau.

Die Auswirkungen der Feiertage auf die Neuinfektionen und Neuerkrankungen wird das RKI erst in ein bis zwei Wochen abbilden können, da es für gewöhnlich so lange dauert, bis sich Ereignisse in den Zahlen niederschlagen. Außerdem wird erst in der kommenden Woche wieder im gewohnten Umfang getestet werden.

Diese recht profane Erkenntnis und die Bilder der letzten 14 Tage lassen mich daran zweifeln, dass Bund und Länder über eine Datenbasis verfügen, die es am Dienstag zulassen könnte, den Lockdown ab dem 10. Januar abzuschwächen. Deshalb plädieren viele Ministerpräsidenten auch schon für eine Fortsetzung des Shutdowns.


Magnus Memmeler mit Maske Foto: Privat

Magnus Memmeler (53 Jahre) lebt in Kamen. Seit über 31 Jahren arbeitet er im Rettungsdienst und Katastrophenschutz. 25 Jahre davon hat er diverse Leitungsfunktionen eingenommen. Er war beauftragt zur Organisation des Sanitätsdienstes beim DEKT in Dortmund und Verantwortlicher einer großen Hilfsorganisation bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in den Jahren 2013 – 2018. Er war zudem Mitglied bei der Stabsarbeit von Bezirksregierungen und in Arbeitskreisen des Innenministeriums bei der Konzeption von Katastrophenschutz-konzepten.

 

 


Ruhrbarone: Welche Bilder und Ereignisse in den letzten 14 Tagen beunruhigen Sie denn?

Memmeler: Bestatter in zahlreichen Regionen des Bundesgebietes lehnen Aufträge ab, da sie überlastet sind und unsere Mittelgebirge und andere Ausflugsregionen werden von Besuchermassen derart überrannt, dass Bürgermeister und Landräte darum flehen, dass diese touristischen Ausflüge doch bitte unterbleiben sollen.

Leider bleibt dieses Flehen ohne Reaktion. Trotz der bekannten Kontaktbeschränkungen musste die Polizei bundesweit zahlreiche Partys auflösen, bei denen die Schutzmaßnahmen unbeachtet blieben. Der Appel der Politik an die Vernunft der Bürger scheint bei manchen Mitmenschen sprichwörtlich ins Leere zu laufen.

Und mittendrin fanden sich erneut zahlreiche Funktionsträger der AFD, denen es offensichtlich zur Bestimmung geworden ist, durch menschenverachtendes Verhalten aufzufallen.

Zusätzlich wird sich der Mangel an Pflegekräften in Krankenhäusern infolge der Corona-Pandemie aus Sicht der Intensivmediziner noch verstärken. Uwe Janssens, Chef der Intensivmedizinervereinigung DIVI, gab aktuell zu Protokoll:

„Wir befürchten durch die monatelangen Belastungen, die die Pflegekräfte jetzt mitgemacht haben auf den Intensivstationen, dass wir Anfang kommenden Jahres Leute haben werden, die unter der Last zusammenbrechen und nicht mehr resilient genug sind und dann tatsächlich ins Aus gehen.“

Man kämpfe, so Janssens, weiter mit den Folgen der hohen Infektionszahlen der vergangenen Wochen. Janssens mahnte ein einheitliches Gesamtkonzept der Politik an. Es müsse mit einer Stimme gesprochen werden, und es müssten Ziele weit für das Jahr 2021 formuliert werden.

Sächsische COVID-Patienten werden inzwischen nach Rostock und Greifswald verlegt, um die Situation in Sachsen zumindest etwas zu entspannen. Das in der letzten Woche erwähnte Kleeblatt zur Organisation überregionaler Verlegungen von Patienten, wird also bereits genutzt.

„Die Lage vor allem in Ostsachsen ist ernst. Aktuell haben wir noch ausreichend Kapazitäten, um den sächsischen Kollegen und Patienten zu helfen“,

sagte Professor Christian Schmidt, Ärztlicher Vorstand der Unimedizin Rostock hierzu der Presse.

Wegen der dramatisch hohen Corona-Todeszahlen im ostsächsischen Zittau müssen dort mittlerweile Leichen außerhalb des Krematoriums zwischengelagert werden. Die Toten sollen im Bereich des Hochwasserstützpunkts gelagert und bei Freigabe zur Einäscherung ins Krematorium gefahren werden, teilte die Stadt Zittau am Dienstagabend mit.

Soldaten der Bundeswehr mussten bereits über den Jahreswechsel in Zittau aushelfen, um Kliniken und Pflegeheime zu unterstützen. Weitere Bettenkapazitäten in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen wurden hierdurch sehr kurzfristig organisiert.

Der Thüringer Landkreis Sonneberg hat am Dienstag pandemiebedingt den Katastrophenfall ausgerufen. Hauptgrund für diese Maßnahme ist die angespannte Lage in mehreren Pflege- und Betreuungseinrichtungen, dem Rettungswesen sowie den örtlichen Krankenhäusern, erklärte Landrat Hans-Peter Schmitz.

All das ergebe sich laut Landrat aus den aktuellen und immer drastischer werdenden Personalengpässen, die auf die Corona-Pandemie zurückzuführen seien.

„Nach sorgfältiger Prüfung haben wir uns entschlossen, den Katastrophenfall auszurufen, um das Leben und die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger weiterhin nach bestem Wissen und Gewissen zu schützen“, sagte Schmitz. Es gehe vor allem darum, einen rechtlichen Rahmen für den Einsatz von ehrenamtlichen Kräften zu schaffen, „um die Bewältigung der diffusen pandemischen Lage in wesentlichen Bereichen der Daseinsvorsorge zu gewährleisten“.

Ziel sei es, die zur Verfügung stehenden Kräfte unter einer einheitlichen Leitung zu bündeln und im Bedarfsfall umgehend einsetzen zu können, hieß es. Zur Koordinierung von deren praktischem Einsatz sei eine Sanitätseinsatzleitung gebildet worden.

Auch wenn dies nun ausschließlich drastische Darstellungen sind, die den Osten der Republik betreffen, ist die Lage im restlichen Bundesgebiet nicht wirklich besser. Auch im bergischen Wuppertal lehnen einige Bestatter bereits neue Beauftragungen ab, um sich vor Überlastung zu schützen.

Ohne Katastrophenschutz nichts mehr möglich

Wie die bundesweite Lage in Seniorenheimen ist, haben wir bereits in der vergangenen Woche dargestellt. Immer mehr Landkreise und Städte binden Ressourcen des Katastrophenschutzes aktiv ein, um Entlastung in Seniorenheimen und im Rettungsdient zu ermöglichen.

Egal ob es sich um eine privatrechtliche Beauftragung von Hilfsorganisationen, die Feststellung des Großschadensereignisses in Brandenburg oder die Feststellung des Katastrophenschutzfalles in Sonneberg oder Bayern handelt, die Versäumnisse der letzten Wochen und Monate haben dazu geführt, dass die Pandemiebewältigung in der Bundesrepublik zu dem geworden ist, was die Politik stets vermeiden wollte.

Die Pandemiebewältigung ist ohne die Mittel des Katastrophenschutzes vielerorts nicht mehr möglich. Schön wäre es nun, wenn das Logistikwissen und die Lagebeurteilung des Katastrophenschutzes auch endlich Anwendung finden würde.

Ruhrbarone: Sie sprechen von Fehler und Versäumnissen. Was läuft ihrer Meinung nach bei der Lagebeurteilung und der Logistik falsch?

Memmeler: Wir sollten uns hier die Wiederholung von Aussagen aus den letzten 38 Interviews sparen, auch wenn viele davon leider immer noch aktuell sind. Außer Sie klären mich nun darüber auf, dass es zum Beispiel überraschenderweise fundierte Pläne zum Schulstart gibt. Das würde nämlich auf einen Erkenntnisgewinn bei den Entscheidern hindeuten, der nicht von Meinungsbildnern, sondern von wissenschaftlicher Expertise beeinflusst wurde.

Nehmen wir zum Beispiel die von vielen kritisierte Auftragsvergabe der NRW Regierung an das Hemdenunternehmen van Laack. Aktuell irritiert hier nicht nur die fehlende Transparenz, sondern auch die mangelnde Qualität bei den zur Verfügung gestellten Artikeln.

Nach der Universitätsklinik Essen hat auch die Uni-Klinik Köln einem Zeitungsbericht zufolge etwa 48.000 Corona-Schutzkittel der Modefirma van Laack aussortiert. Das berichtet zumindest der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Zeitung zitierte Kliniksprecher Timo Mügge mit den Worten:

„Nach einem kurzen initialen Einsatz wurden diese nicht weiterverwandt, da bestimmte Chargen unseren Qualitätsanforderungen in der Krankenversorgung nicht gerecht wurden.“

Bereits in der Woche zuvor hatte die Uni-Klinik Essen mitgeteilt, sie habe rund 40.000 Kittel ausgemustert, weil die „beim Anziehen schnell reißen“.

Ähnliche Beschwerden gab es unlängst bei den durch das Bundesgesundheitsministerium zur Verfügung gestellten FFP2 Masken, die an Pflegeeinrichtungen geliefert wurden und denen durch die DEKRA teilweise Untauglichkeit attestiert wurde.

Bund und Land NRW haben in beiden Fällen betont, dass die Schutzmaterialien lediglich für Mangelsituationen übergeben wurden. Diese Mangelsituationen hatten wir im Frühjahr, wo es nicht zur Auslieferung kam, da unter anderem das Bundesgesundheitsministerium, wie bereits berichtet, mit der Menge an zur Verfügung gestellten Masken schlicht überfordert war.

Nun werden Apotheken reich beschenkt, wenn diese FFP2 Masken an berechtigte Empfänger aushändigen, da diese pro Maske 6,00 € erhalten, obwohl die Masken aktuell mit ca. 1,15 € bei Großhändlern gekauft werden können.

Gespart wird aber am Impfstoff, der uns aus der Pandemie führen soll – verstehe einer die Logik des Bankkaufmanns aus dem Münsterland. Kein Thema erregt die Republik aktuell so sehr, wie der Impfstoffmangel und die Pannen zum Impfstart.

In Baden-Württemberg und zwei weiteren Bundesländern ist eine Anmeldung zur Impfung bereits möglich. Die Landesregierung empfiehlt, im Zweifel zunächst mit dem eigenen Hausarzt darüber zu sprechen, ob man zu einer Risikogruppe zählt, die prioritär geimpft wird.

Die Anmeldung zur Impfung erfolgt dann wahlweise über die Telefonnummer 116 117 oder im Internet.

In NRW und anderen Bundesländern muss man sich noch gedulden, bevor bekannt wird, auf welchem Wege man sich zum Beispiel um einen Termin für die 82-jährige Mutter kümmern muss, so diese denn nicht in einem Pflegeheim untergebracht ist, welches durch ein Impfteam besucht wird.

In Hessen ist bislang noch keine Anmeldung zur Impfung möglich. Die Landesregierung will aber rechtzeitig darüber informieren, auf welchem Weg Impfberechtigte einen Termin vereinbaren können.

In Niedersachsen ist derzeit noch keine Terminvergabe möglich. Die 50 Impfzentren werden erst im Laufe des Januars ihren Betrieb aufnehmen. Die Landesregierung bittet noch um Geduld und kündigt an, den Start der Terminvergabe und eine entspreche Hotline-Nummer rechtzeitig bekanntzugeben.

Nach Angaben des Sozialministeriums von Sachsen-Anhalt sind die Impfzentren in allen Landkreisen und kreisfreien Städten startklar. Allerdings sind derzeit noch keine Terminbuchungen möglich. Und so weiter und so weiter…..

Zum Impfstart ist acht Mitarbeitern eines Pflegeheims in Stralsund versehentlich die fünffache Dosis des Corona-Impfstoffes von Biontech verabreicht worden. Die Impfflüssigkeit wird vom Hersteller in kleinen Fläschchen geliefert, in den fünf bis sechs Impfdosen enthalten sind.

Hier darf unterstellt werden, dass nicht alle Anwender in ausreichendem Umfang geschult wurden. In Oberfranken wurden 500 Impfdosen zum Impfstart zurückgehalten, da es Fehlermeldungen bei der Einhaltung der Kühlkette gab.

Die Städte Nürnberg und Erlangen hatten sich, nach der Erklärung der Unbedenklichkeit durch den Hersteller, bereit erklärt, 500 Dosen zu übernehmen, um Klinikpersonal zu impfen. Doch beim neuerlichen Transport wurde der Impfstoff nun tiefgefroren, das Vakzin war danach nicht mehr zu verwenden.

Die Lieferungen sollen künftig auch auf Grund der steigenden Transportmengen komplett von einem privaten Transportdienstleister, der viel Erfahrung mit medizinischen Transporten hat, übernommen werden. Dadurch soll es von nun an keine Probleme mehr geben.

Warum erwähne ich diese Impfpannen und das vielerorts herrschende Chaos bei der Terminvergabe? Weil die Beispiele sinnbildlich für das stehen, was trotz Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite verursacht wird, weil unser Bundesgesundheitsminister das Orchester der Länder nicht dirigiert bekommt und er in einer Pandemie darauf vertraut, das Länder, KV, beteiligte Landkreise, Hilfsorganisationen und die in den Landkreisen beteiligten Behördenstrukturen schon harmonieren werden. Quatsch, wir brauchen einheitliche Regelungen.

Impfstoffmangel: Impfzentren verharren in Arbeitslosigkeit

Jeder von uns hat im TV bereits die Kampagne „Deutschland krempelt die Ärmel hoch“ zur Kenntnis nehmen dürfen, durch die die Impfbereitschaft gesteigert werden soll. Schön wäre es gewesen, wenn vor dieser Kampagne eine einheitliche und gute Schulung der Impfteams und der zum Transport eingesetzter Helfer gestanden hätte.

Trotz aller bisherigen Ermahnungen ist die Impfung von notfallmedizinischem Personal erst seit wenigen Tagen in den Fokus geraten, da Intensivmediziner und Rettungsdienstler über die Sozialen Medien Aufmersamkeit dafür erzeugt haben, dass die notfallmedizinische Versorgung zusammenbricht, wenn Personal fehlt.

Diese berechtigte Forderung führt in manchen Regionen zu neuen Stilblüten, da die eiligst entwickelten Impfkonzepte nun überdacht werden müssen, um die Mangelware Impfstoff zumindest im Verhältnis 50% zu 50% auf notfallmedizinisches Personal und Senioreneinrichtungen zu verteilen.

Überhaupt führt der Impfstoffmangel dazu, dass vielerorts die aus dem Boden gestampften Impfzentren in Arbeitslosigkeit verharren.

Betrachten wir uns die gemeldeten Impfzahlen bis zum 31.12.2020, wird noch deutlicher, wie unterschiedlich gut Impfkonzepte und Priorisierung in den Bundesländern funktionieren. Bei den absoluten Impfzahlen liegt Bayern mit 37.955 vor NRW mit 24.924 und Hessen mit 21.373 durchgeführten Impfungen. Niedersachsen meldete bis zum 31.12.2020 insgesamt 3.566 durchgeführte Impfungen und Thüringen gar nur 810. Betrachten wir die Versorgung von Personal in der Notfallmedizin, liegt Bayern mit 18.450 Impfungen vor Hessen mit 12.345 Impfungen und NRW konnte mit nur 8.963 Impfungen für Personal der Notfallmedizin nicht umsetzen, was Herr Laschet vor Weihnachten beim Besuch der Uniklinik Düsseldorf vollmundig versprochen hatte.

In einer riesigen gemeinsamen Kraftanstrengung haben in den vergangenen Wochen die kommunalen Gesundheitsämter, die Feuerwehren, Hilfsorganisationen und die Kassenärztlichen Vereinigungen 442 Impfzentren in ganz Deutschland aus dem Boden gestampft und in Messehallen, in Sporthallen, in Theatern, in Stadien oder in Bürgertreffpunkten Impfungen mit Probanden simuliert.

Doch wann es in den Impfzentren tatsächlich losgeht, steht erstmal in den Sternen, weil die Bundesrepublik sich der gemeinsamen Impfstoffbestellung der EU angeschlossen hat, die Verträge mit den Produzenten Biontech, Moderna, AstraZeneca, Sanofi-GSK, Johnson und Johnson und CureVac über insgesamt zwei Milliarden Impfdosen geschlossen hat.

Leider hat die EU zu wenig Impfstoff beim Hersteller Biontech geordert und zu sehr darauf gehofft, dass viele Hersteller zeitgleich liefern können, um möglichst früh auch in Arztpraxen impfen zu können.

Angesichts des schleppenden Corona-Impfstarts hat ein Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Neurologin Frauke Zipp gegenüber der Zeitung „Die Welt“, der Bundesregierung schwere Versäumnisse bei der Beschaffung von Impfstoff vorgeworfen:

„Ich halte die derzeitige Situation für grobes Versagen der Verantwortlichen. (…) Warum hat man im Sommer nicht viel mehr Impfstoff auf Risiko bestellt?“

Zipp ist Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und berät unter anderem die rheinland-pfälzische Landesregierung.

Angesichts des bestehenden Mangels muss sehr schnell die Zulassung der sechsten Impfdosis beim derzeit verfügbaren Impfstoff erfolgen. Hintergrund ist, dass die Ampullen von Biontech nach der Verdünnung mehr Mittel beinhalten als die fünf Mal 0,3 ml je Impfdosis, die pro Impfung erforderlich sind.

Am Montag hatte dies eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums bestätigt. Auch Apothekern war die Diskrepanz zur Packungsangabe bereits aufgefallen und ein Mediziner vom Niederrhein hat diesen Umstand bereits dafür genutzt, um Klinikpersonal mit der sechsten Dosis zu impfen, statt diese zu verwerfen.

Das Problem allerdings ist das Totvolumen der Kanülen und Spritzen, die an einigen Standorten verwendet werden. Das bestätigt auch das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Die Frage, ob fünf oder sechs Impfdosen entnommen werden können, hängt schlicht vom verwendeten Impfbesteck ab. Teilweise werden Spritzen und Kanülen mit zu großem Totvolumen verwendet, so dass am Ende keine vollständige sechste Impfdosis mehr übrig bleibt. Empfohlen zur Applikation sind graduierte 1 ml-Spritzen – beispielsweise Tuberkulin- oder Heparinspritzen – und Kanülen mit 23 oder 25 G.

Und wer hat das falsche Material gekauft? Der Bund und die Länder. Es hätten also bereits jetzt zigtausend Impfdosen mehr verabreicht werden können, wenn wir keine Anwenderanordnung hätten, die darauf beruht, dass die Zulassungsbehörde bereits unterstellt hat, dass die Beschaffer schlicht zu blöde sind, korrektes Material zu beschaffen. Diesen Luxus kannst Du Dir tatsächlich nur leisten, wenn Du Dich nicht in einer Katastrophe befindest.

Wahrscheinlich müssen wir uns damit trösten, dass sich die Niederlande derzeit noch mehr blamieren. Dort liegen tatsächlich noch alle von der EU ausgelieferten Impfdosen auf Eis, weil die Niederlande, noch mehr als alle anderen EU Staaten, darauf gehofft haben, man könne die Impfung direkt in Arztpraxen beginnen, weshalb dort keine Impfzentren ertüchtigt wurden.

Also gibt es noch Hoffnung im neuen Jahr?

Richtig übel dürfte den Niederländern aktuell aufstoßen, dass einige Regierungspolitiker angesichts der deutschen Impfzentren gesagt haben, man wolle der Pandemie mit Verstand und nicht mit Muskelkraft begegnen, wie das in Deutschland der Fall sei.

Im Ruhrpott würde man sagen: „Große Fresse musse dir auch leisten können.“ In den Niederlanden soll nun ab dem 18. Januar der Impfstart beginnen.

Angesichts dessen, was selbst jetzt noch schief geht, können wir nur darauf hoffen, dass die guten Nachrichten, die uns derzeit von der Pharmaindustrie erreichen schnell umgesetzt werden können.

Ruhrbarone: Also gibt es noch Hoffnung im neuen Jahr? Auf was können wir uns freuen?

Memmeler: Gemeinsam mit mehr als 60 Prozent der 443.000 Pflegebedürftigen in NRW, die Ende 2019 laut dem Statistischen Landesamt zuhause von Angehörigen und Mitarbeitern von ambulanten Pflegediensten versorgt, werden und derzeit nicht geimpft werden können, hoffen wir auf die Zulassung von Impfstoffen, die besser zu lagern sind, und Medikamente, die in Tests beweisen, dass sie die Infektion aktiv bekämpfen können.

Diejenigen, die nicht mehr selbst in ein Impfzentrum kommen können, sollen das Vakzin durch mobile Impfteams gespritzt bekommen. „Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der entsprechende Impfstoff auch geeignet ist“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium in NRW.

Dies ist beim Biontech-Impfstoff nicht der Fall, weshalb viele nun auf die schnelle Zulassung des Corona-Impfstoffs von Astra Zeneca hoffen, der z.B. in Großbritanien schon zugelassen wurde.

Der Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astra Zeneca und der Universität Oxford wird von der EMA (europäische Arzneimittelagentur) derzeit im sogenannten Rolling-Review-Verfahren geprüft. Dabei werden Daten von den Herstellern nach und nach eingereicht, die Prüfung und gegebenenfalls Zulassung des Impfstoffes sollen so beschleunigt werden. Mit einer Zulassung ist aber wohl erst im zweiten Quartal des Jahres zu rechnen. Im Januar erwartet die EMA weitere klinische Daten, im ersten Quartal 2021 sollen zudem Zwischenergebnisse einer klinischen Studie in den USA vorliegen.

Wesentlich eher wird wohl die Zusage von Biontech greifen, die Produktion massiv hoch zu fahren, um zeitnah ausreichend Impfstoff liefern zu können, damit die Impfzentren richtig loslegen können.

Ein neues Corona-Medikament, das vom University College London Hospitals NHS Foundation Trust (UCLH) derzeit getestet wird und das vom Pharmaunternehmen AstraZeneca entwickelt wurde, soll eventuell sofortigen Schutz bieten können, welcher sich bei Impfungen erst im Körper aufbauen muss.

Bei dem Corona-Medikament soll es sich um die Antikörper-Kombination AZD7442 handeln, die von AstraZeneca entwickelt wurde, wie der „Guardian“ berichtet. Dabei handelt es sich nicht um Antikörper, die im Körper gebildet werden, um gegen eine Infektion zu kämpfen, sondern um Antikörper, die im Labor hergestellt wurden. Diese Antikörper könnten Menschen, die dem Coronavirus direkt ausgesetzt waren, davor schützen, die Krankheit Covid-19 zu entwickeln. Wirkt das Medikament tatsächlich sofort gegen Corona, könnte es eine Lücke füllen, die Impfstoffe nicht ausfüllen können.

Parallel arbeiten israelische und britische Forscher an einem antiviralen Mittel, welches den Krankheitsverlauf deutlich mildern soll. Zusätzliche Hoffnung macht nun auch ein Wirkstoff, der ursprünglich an der Emory University in den USA gegen die Grippe entwickelt wurde. Molnupiravir (MK-4482/EIDD-2801) hemmt die Vermehrung von Viren, indem es Mutationen in ihre RNA einbaut und sie so abtötet. Eventuell stellen diese Medikamente zukünftig die Hilfe bereit, die wir benötigen, bis eine ausreichende Immunisierungsrate erreicht ist.

Bei der Impfquote hoffe ich persönlich tatsächlich, darauf, dass die völlig überflüssige Diskussion über die Vermeidung von Impfprivilegien beendet wird. Die Impfpflicht für Reisende war in der Vergangenheit nie einer Diskussion wert, da jedem klar war, wer zum Beispiel nach Afrika reisen will, wird sich auch bereitwillig impfen lassen und heute diskutieren wir, weil Quantas überlegt, nur gegen Covid 19 geimpfte Passagiere zu befördern.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde die Masernimpfpflicht für Kita – Kinder beschlossen, um diese Krankheit endlich auszurotten und heute, wo Bestatter die Seniorenheime leer räumen, diskutieren wir ob es Privilegien für geimpfte geben darf?

Allein durch den derzeit exklusiv zur Verfügung stehenden Impfstoff von Biontech gibt es eine Benachteiligung für alle, die nicht in einer Senioreneinrichtung wohnen und sich nicht selbstständig zu einem Impfzentrum begeben können. Selbst wenn diese Menschen geimpft werden wollten, sie können es aktuell nicht realisieren, da ansonsten mehrere Impfdosen verworfen werden müssten, weil der Transport bereits verdünnter Ampullen nicht möglich ist.

Sollte die Impfquote mal so hoch sein, dass sich die Überlegung lohnen könnte, eine Privilegierung von geimpften Menschen zu überdenken, um zum Beispiel den Veranstaltungsbesuch sicher zu gestalten, halte ich das für legitim. Was bei Pockenschutz und Malaria galt und gilt, wenn man in Risikogebiete wollte, darf auch zum Schutz der Allgemeinheit gelten, wenn es um andere Bereiche des Lebens geht.

Meine Prognose für das Treffen des Bundes mit den Ländern lautet deshalb, dass am Dienstag eine Fortsetzung des Lockdowns bis zum Ende des Monats beschlossen wird und sich das Treffen deshalb am 20. Januar wiederholen wird. Sorge bereitet mir jedoch der vollkommen unvorbereitete Schulstart, den sich aktuell zu viele herbei sehnen, ohne die Scheuklappen abzusetzen. Hier wurde die Zeit des aktuellen Shutdowns erneut verschenkt.

Ruhrbarone: Alles Gute für Sie und uns für das neue Jahr und lieben Dank. Bleiben Sie gesund.

 

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