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Corona und Katastrophenschutz: Von einem Fackelaufmarsch und anderen Geschmacksstörungen

Grafitti Corona Colonia Foto: K. Gercek

Am 15. März 2020 begannen die Ruhrbarone diese Interviewreihe. Nach dem 60. Interview mit Magnus Memmeler legten wir letzte Woche mit Hartmut ZIebs, dem ehemaligen Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes, nach.  Im 62. Interview steht er uns heute nun wieder dankenswerter Weise zur Verfügung. Heute geht es um effektive Schutzmaßnahmen, langfristige Strategien im Kampf gegen das Virus, den „Kirchbach-Bericht“ von 2002, die Trennung von Katastrophen- und Zivilschutz und die allgemeine Impfpflicht. 

Ruhrbarone: Hallo Herr Ziebs, die Corona-Pandemie bewegt die Welt nun seit Dezember 2019 und Deutschland seit Januar 2020. Warum tut man sich eigentlich In Deutschland so schwer, die Pandemie effektiv zu bekämpfen?

Ziebs: Man schmeckt den Virus nicht, riecht ihn nicht und sieht ihn nicht.

Also glauben viele Menschen immer noch, das Virus kann und wird mich nicht treffen. Diese Annahme ist leider falsch. Würde das Virus nach faulen Eiern riechen, hätten wir eine Impfquote annähernd von 90 %.

Unsere Politik laboriert seit fast zwei Jahren nur an den Symptomen rum. Kontaktbeschränkungen, Lockdown, Maskenpflicht oder aktuell die Verlegung von Coronapatienten. Eine wirksame Bekämpfung der Pandemie ist aber nur durch konsequentes Impfen möglich. Auch wenn das Virus von Menschen mit Mehrfachimpfung übertragen werden kann, dann sind die Krankheitsverläufe bei geimpften Personen meist nicht so dramatisch wie bei nicht geimpften Menschen. In der Folge sind die Intensivstationen nicht so überlaufen und die Einschränkungen des Lebens könnten in der Tat etwas zurück genommen werden.

Im Verlauf der Pandemie war die Politik für die Maßnahmen gegen die Pandemie verantwortlich. Und hier hat sich die Politik einen regelrechten Wettbewerb geliefert, wer die meisten Lockerungen in den Bundesländern durchsetzen kann und am schnellsten die getroffenen Maßnahmen zurück nimmt.

So kann man aber keine Katastrophe und Krise bewältigen. Das geht nur mit einer konsequenten Einhaltung und Durchsetzung von Schutzmaßnahmen. Übrigens kann ich hier nicht feststellen, dass die eine oder andere Parteizugehörigkeit eine positive Rolle gespielt hätte. Eigentlich ein kollektives Versagen der Politik.

Politik orientiert sich zur Zeit leider am kurzfristigen Erfolg. Eine pandemische Lage ist aber ein Marathon und rächt sich grausam bei einer Unterbrechung der Maßnahmen.

Ruhrbarone: Politik ist sicherlich die eine Seite. Aber warum haben wir die Menschen nicht intensiver erreicht? Aktuell haben wir in Deutschland eine Impfquote von 69% durch eine vollständige Impfung. In Portugal beträgt die Impfquote etwas mehr als 86%.

Ziebs:  Krisenkommunikation und Glaubwürdigkeit spielen hier eine gravierende Rolle. In den vergangenen zwei Jahren haben wir unterschiedliche und sich teils widersprechende Meldungen von den offiziellen Seiten gehört. Auch das gehörte zu dem ruinösen Wettbewerb der Bundesländer in der Pandemiebekämpfung. Immer neue Versprechungen, Zusagen die korrigiert werden mussten, die Schließung von Test- und Impfzentren und dann die Neueröffnung. So führt man nicht durch eine Krise und verspielt das Vertrauen in der Bevölkerung.

Sie haben gerade Portugal als positives Beispiel bei der Impfquote angeführt. Auch Italien ist mit 74 % besser als Deutschland. Diese beiden Länder haben sehr früh auf Krisenstäbe unter militärischer Führung gesetzt. Nun kann man trefflich in Deutschland darüber diskutieren, ob wir in zivilen Lagen einen General der Bundeswehr als Leiter eines nationalen Krisenstabes tolerieren.

Aber der Erfolg in Portugal und Italien spricht dafür. Warum? Das Militär spricht mit einer Stimme, ist erfahren in der Führung großer Lagen und in der Stabsarbeit bestens ausgebildet. Wenn jetzt noch die Politik den Empfehlungen des Krisenstabes folgt und endlich geschlossen handelt, dann sehe ich Licht am Horizont.


(c) Hartmut Ziebs

Hartmut Ziebs, 62 Jahre, Dipl.-Ing. Bauingenieurwesen Seit 1977 Feuerwehr Schwelm, Leiter der Feuerwehr Schwelm a.D., Bezirksbrandmeister der Bezirksregierung Arnsberg a.D.
Von 2003 bis 2015 Vizepräsident Deutscher Feuerwehrverband. Vom 1.1.2016 bis 31.12.2019 Präsident Deutscher Feuerwehrverband Von 2019 bis 2020 Vizepräsident CTIF (internationaler Feuerwehrverband)

 


Ruhrbarone: Sie haben sich als ehemaliger Feuerwehrpräsident immer gegen eine militärische Führung in zivilen Katastrophenlagen ausgesprochen. Der „Kirchbach-Bericht“ von 2002 enthielt im weitesten Sinne schon eine solche Forderung.

Ziebs: Ja, sie haben Recht. Bislang habe ich mich vehement gegen eine Führung ziviler Einsatzkräfte bei Katastrophen durch die Bundeswehr gestellt. Diese Auffassung muss ich aber revidieren. Die Hochwasserlage im Juli 2021 hat bei der zivilen Führungsfähigkeit Defizite aufgezeigt. Hier muss dringend nachgearbeitet werden.

Nach wie vor bleibe ich dabei, die Führung auf Orts-, Kreis- und Landesebene gehört bei zivilen Katastrophen auch in die bekannten zivilen Strukturen. Die Führung auf nationaler Ebene kann aber auch durch die Bundeswehr erfolgen. Im konkreten Fall untersteht sie dem Bundeskanzleramt.

Betrachten wir die noch gültige Trennung von Katastrophen- und Zivilschutz, gibt es auf Ebene des Bundes kaum eine Alternative. In letzter Konsequenz ist die Führung des nationalen Krisenstabes durch die Bundeswehr eine längst überfällige Maßnahme.

Im Zivilschutzfall übernimmt die Bundeswehr ebenfalls die Führung. Es ist doch ein unlogischer Bruch, bei Corona auf Bundesebene einen unerfahrenen Krisenstab aus Verwaltungsmitarbeitern erst suchen zu müssen. Dann kann man auch gleich einen voll funktionsfähigen Stab unter Leitung von General Breuer einsetzen. Zumal wir keine Zeit für weitere Experimente mehr haben.

Ruhrbarone: Dass ein Bundeswehrgeneral nun den nationalen Krisenstab übernimmt, ist für Sie kein Widerspruch zum Föderalismus?

Ziebs: Nein ist es nicht. Der Föderalismus wird ja nicht ausgehebelt oder ausgesetzt. Die unheimlich hohe Verantwortung vor Ort bleibt bei den Ländern und Gebietskörperschaften. Die Steuerungsmaßnahmen und die Logistik werden jetzt vom nationalen Krisenstab zur Umsetzung auf die Länder und Kommunen delegiert.  Damit bleibt vor Ort genügend Spielraum für die regionale und lokale Umsetzung.

Dadurch, dass Vertreter der Länder und der Kommunen im nationalen Krisenstab vertreten sind, können sehr früh regionale Besonderheiten berücksichtigt werden.

Ruhrbarone: Gerade an diesem Wochenende haben Querdenker, Impfverweigerer und nationalistische Kräfte gegen die Coronamaßnahmen, teils auch trotz Verbot demonstriert. Vor dem Privathaus der Gesundheitsministerin in Sachsen erschien ein Fackelaufzug. Was passiert hier gerade?

Ziebs: Die Gefahr, dass die Querdenker und Impfverweigerer immer mehr radikalisiert werden, halte ich für groß. Alleine schon die Symbole, welche bei solchen Demonstrationen eingesetzt werden, lassen mich schwer nachdenklich werden.

Daraus aber abzuleiten, dass durch Corona eine Spaltung des Landes erfolgt, halte ich für falsch. Die weitaus größere Mehrheit der Menschen in unserem Land sind eben nicht dieser Bewegung zuzurechnen. Im Gegenteil, diese Querdenkerbewegung ist in einer gewaltigen Minderheit, macht aber gewaltig und lautstark auf sich aufmerksam.

Es ist in unserer Demokratie erlaubt einer anderen Meinung zu sein. Aber dabei hat man sich an die Spielregeln zu halten. Offen gestanden fühle ich mich genau von diesen Leuten gegängelt und eingeschränkt. Als mehrfach geimpfter Mensch muss ich Einschränkungen in meinem Leben hinnehmen, nur weil einige wenige Trottel glauben, die große Welle machen zu müssen.

Diese Querdenker und Impfgegner nehmen unser Grundgesetz für sich in Anspruch. Gleichzeitig verweigern Sie durch ihr Verhalten aber Menschen eines der höchsten Grundrechte: das Recht auf Leben!

Ruhrbarone: Jetzt sind wir bei der Frage nach einer allegeimen Impfpflicht angelangt. Ihre Meinung dazu?

Ziebs: Wir werden um eine Impfpflicht nicht herumkommen, wenn wir nicht dauerhaft mit harten Einschränkungen in unserem Leben konfrontiert sein wollen. Durch eine hohe Impfquote können wir unsere Freiheit wieder erlangen. Und ich will mich in meiner Freiheit nicht weiter einschränken lassen.

Wir können Deutschland nicht abschließen, abriegeln oder uns von der Außenwelt sonst wie abschotten. Die Globalisierung lässt dies nicht mehr zu. Beim Ausbruch der Pocken im Hochsauerlandkreis in den 70er Jahren hat man den HSK abgeriegelt. Keiner rein, keiner raus, Pocken in absehbarer Zeit besiegt.

Das klappt bei Corona im 21. Jahrhundert nicht. Was uns bleibt, ist die Impfung und die Hoffnung auf ein Medikament gegen Corona.

Um Menschenleben zu retten, bleibt uns nur noch die Impfpflicht!

Ruhrbarone: Ganz herzlichen Dank.

Ziebs: Glück Auf und einen schönen zweiten Advent! Bleiben Sie gesund.

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