
Die Welt wirkt heute chaotischer und unsicherer als je zuvor. Doch hinter all den Krisen und Schlagzeilen stehen alte Muster, die sich kaum verändert haben. Die Spielregeln sind im Kern dieselben geblieben – und sie sind heute klarer erkennbar als je zuvor.
Wer die meiste Macht hat, bestimmt die Politik. Wer die meisten Informationen besitzt, kontrolliert die Medien. Wer das meiste Geld hat, beherrscht das Finanzsystem. Wer die besten Wissenschaftler und Ingenieure beschäftigt, treibt den technischen Fortschritt voran. Wer die stärksten Armeen und modernsten Waffen besitzt, gewinnt Kriege. Wer die fähigsten Juristen engagiert, entscheidet Prozesse für sich. Und wer die geschicktesten Manipulatoren hat, bestimmt, was als Wahrheit gilt.
Das Fortbestehen des Rechts des Stärkeren
Trotz jahrzehntelanger Freiheits- und Emanzipationsbewegungen im Westen ist das Recht des Stärkeren nie verschwunden. Im Gegenteil: Wirtschaftliche und politische Macht haben sich auf eine kleine, extrem reiche Elite konzentriert. Die regelbasierte Weltordnung wird erneut durch Angriffskriege sich stärker wähnender Nationen infrage gestellt und durch imperiale Gelüste als Ganzes erschüttert.
Alte Strukturen der Macht des Stärkeren, wie Führerkult, Patriarchat und Oligarchie, sind nicht verschwunden, sondern haben sich modernisiert. Sie nutzen heute moderne Kommunikationsmittel, doch ihr Kern bleibt derselbe: die Abwertung und Unterdrückung der Schwächeren. Der Wille zur Unterwerfung oder sogar Vernichtung vermeintlicher Feinde erreicht dabei ein gewaltiges Ausmaß – unterstützt durch das höchste militärische Potenzial, das die Menschheit je gekannt hat.
Das Recht des Stärkeren ist also durchsetzungsfähiger denn je, und mit dieser neuen Dynamik hat sich auch ein neuer Faschismus und Antisemitismus breitgemacht. Ihre beiden Kerne sind ein neues völkisch-nationales Denken – auch in den westlichen Staaten – und die Übertragung des weltweiten Judenhasses auf den Staat Israel. Beide Bewegungen vereint die Verachtung westlicher Werte und der universalen Ziele der Aufklärung.
Die Wahrheit als Verhandlungsmasse
In dieser Welt ist Wahrheit oft nicht das, was den Fakten entspricht, sondern das, was die Stärkeren durchsetzen können. Wissenschaftliche Erkenntnisse und überprüfbare Beweise werden verdrängt, wenn sie stören. Die Wissenschaft, eigentlich Motor des Fortschritts, ist für die Stärkeren nur dann akzeptabel, wenn sie sich für ihre Ziele instrumentalisieren lässt.
Die sozialen Medien sind dabei zu einem Manipulationsinstrument größten Ausmaßes verkommen, das nicht nur durch die Algorithmen ihrer Programmierer und die Profit- und/oder Politinteressen der Plattformbesitzer, sondern vor allem durch die Mobilisierung von Ressentiments ihrer Nutzer angetrieben wird.
Denn das Recht des Stärkeren setzt weder Wissen noch Weisheit voraus, sondern vor allem die Unbegrenztheit der persönlichen und/oder gemeinschaftlichen Macht. Unfairness und Rücksichtslosigkeit werden so zu den Ingredienzen eines neuen Kastenwesens der Stärkeren, das nicht nur nach unten tritt, sondern sich auch gegen die Konkurrenten in der Kaste selbst wenden kann.
Drei wesentliche Bedrohungen für die Demokratien dieser Welt
Hinter alledem steht die Vision oder besser der Wahn der Weltherrschaft einer absolut privilegierten Kaste und die sie leitende Figur des Imperators, die sich zusammen den gesamten Globus untertan machen wollen.
Die geopolitische Fassung ist der Neoimperialismus, der dabei ist, die Welt unter den mächtigsten Staaten neu aufzuteilen . Die religiöse ist der islamistische Dschihad, der einen weltweiten Gottesstaat errichten will, und die ökonomische eine Hightech-orientierte Milliardär-Elite, die ihre ökonomische Übermacht in eine weltweite, gesellschaftliche Führungsrolle umwandeln möchte.
Unter diesen Bedingungen ist Demokratie überall gefährdet und nicht mehr auf Dauer garantiert. Sie existiert nur weiter, solange Menschen bereit sind, sich ständig für sie einzusetzen – und sie im Ernstfall mit allen Mitteln zu verteidigen. Denn Demokratie bedeutet nicht nur Gleichberechtigung und das Bemühen um Gerechtigkeit, sondern auch Schutz vor der möglichen Zerstörung der gesamten Welt.
Der Kampf gegen das Recht des Stärkeren ist deshalb nicht bloß eine moralische Frage, sondern entscheidend für Frieden und Wohlstand aller Menschen. Wer die Demokratie aufgibt, gibt autoritären Imperatoren jeder Art und ihren Unterstützern freie Hand, Gesellschaften nach Belieben zu beherrschen, zu fördern oder zu unterdrücken.
Demokratie braucht einen neuen Kampfgeist
Das heißt nicht, dass man Demokratie von außen erzwingen oder gar herbeibomben könnte. Aber Demokratien müssen jede demokratische Bewegung weltweit mit legalen – und notfalls auch mit militärischen – Mitteln unterstützen und das auch dort, wo die Erfolgschancen gering erscheinen. Nur so können sie wieder Hoffnungsträger und Schutz für alle sein, die Freiheit anstreben.
Doch das gelingt nur, wenn Demokratien bereit sind, religiösen wie weltlichen Imperatoren auch militärisch entgegenzutreten – und gleichzeitig nach innen die Macht von Geld und Religion so zu begrenzen, dass sie demokratische Entscheidungen nicht manipulieren oder außer Kraft setzen können. Ein konsequent säkularer Staat ist dafür ebenso notwendig wie wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Die Demokratie braucht heute einen neuen Kampfgeist – nach innen und nach außen. Sie muss sich geistig wie militärisch wappnen, um gegen das Recht des Stärkeren zu bestehen. Sie braucht Mut, innere Freiheit und einen Pioniergeist, der technischen Fortschritt nicht den Mächtigen überlässt, sondern für das Gemeinwohl nutzt. Denn nur wenn sie auch wirtschaftlich für alle erfolgreich ist, kann sie andere überzeugen und ein Vorbild bleiben.
