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Update: Die Gelsenwasser-Lüge

Trinkwasserbrunnen an der Ruhr: Foto: Simplicius Lizenz: GNU/FDL

Seit mehreren Wochen tobt der Kampf ums saubere Trinkwasser zwischen der Gelsenwasser AG und ihrem Helfershelfer, die Bezirksregierung Arnsberg auf der einen Seite und dem Umweltministerium auf der anderen Seite. Von unseren Gastautoren Robert und Pauline Holzwart. Als Update wurden zahlreiche Dokumente angefügt, die den Inhalt des Textes untermauern.

Gelsenwasser  führt fadenscheinige Argumente ins Feld, warum die erstmalige Errichtung von zeitgemäßer Aufbereitungstechnik nicht sofort und insbesondere nicht gleichzeitig für alle 8 Wasserwerke errichtet werden kann. Diese firmenspezifischen Argumente wurden gezielt den Medien zugetragen, gemeinsam und in Absprache mit der Bezirksregierung Arnsberg.

Gelsenwasser behauptet, dass nicht genügend Firmen und Hardware in Deutschland zur Verfügung stehen, um die 8 Wasserwerke des Trinkwasserversorgers Wasserwerke Westfalen (die jeweils zu 50 % DEW 21 – Stadt Dortmund – und 50 % der Gelsenwasser AG gehören) innerhalb von 2 Jahren mit der entsprechenden Technik auszurüsten.

Abgesehen davon, dass diese Argumentation allein schon aus technischer Sicht nicht stichhaltig ist, wenn man berücksichtigt, dass die Staaten am persischen Golf ein Vielfaches an Technik zur Förderung und Produktion von Trinkwasser unter Zuhilfenahme mitteleuropäischer Firmen in einem Jahr verwirklichen, gibt es ganz andere naheliegende – nämlich betriebswirtschaftliche Gründe – warum Gelsenwasser und seine Tochter Wasserwerke Westfalen (WWW) nicht in der Lage sind, die Technik für die Wasseraufbereitung für ca. 4 Mio. Menschen im Sinne einer gesundheitlich angezeigten Vorsorge zu errichten.

Die Verweigerungshaltung wird verständlich, wenn man sich die Bilanzen und Lageberichte der letzten 5 Jahre für die Wasserwerke Westfalen und ihre Mutter, die Gelsenwasser AG, anschaut.

Aus der Zeitreihe der Bilanzen 2005 bis 2010 ist unschwer zu erkennen, dass die Wasserwerke Westfalen, die ca. 4 Mio. Menschen versorgen, lediglich über ein Eigenkapital von 16,828 Mio. Euro verfügen. Es ist jedem Menschen – auch ohne BWL-Studium – sofort verständlich, dass das Unternehmen WWW von keiner Bank bei Zugrundelegung von bankenspezifischen Kapitaldeckungsfähigkeiten einen Kredit zur Finanzierung der erforderlichen technischen Investitionen in Höhe von ca. 180 Mio. Euro bekommen würde.

Bei dieser Kapitalausstattung und unter klassischen normalen Bankbedingungen, bei denen generell eine Ausstattung mit ca. 30% Eigenkapital gefordert wird, hätten die Wasserwerke Westfalen lediglich ein Eigenkapital von 9 %  zur Verfügung, um Investitionen von 180 Mio. Euro zu tätigen.

Die geforderten Investitionen zur Trinkwasseraufbereitung nach Stand der Technik wären nur mit Bürgschaften, die aus dem laufenden Cashflow oder aus Eigenmitteln zu besichern und zu bedienen wären,  möglich – wer ließe sich darauf ein?

Wer hätte mindestens  60 bis 65 Mio. Euro Eigenkapital in der Ruhr-Region übrig und stellt dies uneigennützig zur Verfügung?

Damit wird deutlich, warum Gelsenwasser und die Wasserwerke Westfalen der Bezirksregierung Arnsberg eine Ertüchtigungsanordnung mit öffentlich-rechtlichem Unterwerfungs-Vertrag ausgearbeitet hatten. Die zeitliche Abfolge, die in diesem absurden Vorschlag der Gelsenwasser AG vorgesehen war, resultiert alleine daraus, dass die gleichzeitige Errichtung der erforderlichen 8 Anlagen an den 8 Standorten der Wasserwerke Westfalen finanziell nicht möglich wäre.

Der Bezirksregierung Arnsberg ist seit Jahrzehnten bekannt, dass die Trinkwasseraufbereitung nicht dem Stand der Technik entspricht, und insbesondere im technischen Vergleich der Trinkwasseraufbereitung an der oberen Ruhr (Hochsauerlandwasser) und der unteren Ruhr (Rheinische Wasserwerke – RWW) um mindestens 50 Jahre technischer Entwicklung hinterherhinkt.

Wäre die Bezirksregierung Arnsberg ihrem gesetzlichen Auftrag und ihrer gesetzlichen Verpflichtung gerecht geworden, hätte sie die Anlagen, über die jetzt diskutiert wird, schon mindestens seit der letzten Diskussion um die permanente PFT-Verunreinigung  des Ruhrwassers durch Einleitungen der kommunalen Kläranlagen des Ruhrverbandes mit nachträglichen Anordnungen, aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages, anpassen müssen. Die Anlagen könnten bei rechtstaatlichem Vollzug schon seit mindestens zwei Jahren nach Stand der Technik in Betrieb sein.

Geschehen ist – nichts!

Es stellt sich nun die Frage, welche Schlüsselstellung die beiden Eigner der Wasserwerke Westfalen, die Gelsenwasser AG einerseits und DEW 21 der Stadt Dortmund andererseits einnehmen.

Das Unternehmen WWW wird geführt wie ein „großes Sparschwein“ der Gelsenwasser AG und DEW 21. Bei Betrachtung der Bilanzen und Lagepläne der Wasserwerke Westfalen stellt man folgendes fest:

Das Anlagevermögen liegt zwischen  24 Mio. Euro und 26 Mio. Euro, d.h. es wurden lediglich regelmäßige Investitionen zur Bestandserhaltung betrieben.

Interessant ist zum einen die Position im Umlaufvermögen, II, 2. Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht: Beträge in 2010: 2,216 Mio Euro und Beträge in 2009: 6,056 Mio. Euro.

Es handelt sich hierbei um Forderungen gegen DEW 21 aus einer Tagesgeldanlage von 4,5 Mio. Euro.

Mit der Rückzahlung der Forderungen aus dem Tagesgeld ändern sich die Positionen auf Seite 2, III Kassenbestand, Guthaben bei Kreditinstituten von 4,456 Mio. Euro in 2009 auf  8,09 Mio. Euro in 2010.

In 2008 betrug der Kassenbestand  9,182 Mio. Euro, in 2007 betrug der Kassenbestand 7,619 Mio. Euro.

Der Saldo ergibt sich aus den Rückflüssen aus Abschreibungen, die sofort wieder für Investitionen verwendet wurden.

Damit hatte das Unternehmen in 2010 liquide Mittel von  8,049 Mio. Euro. Gleichzeitig gibt es eine Rücklage, vergleiche Passiva II von  8,28 Mio. Euro. Dies ist eine Kapitaleinlage der Gesellschafter „aus einem positiven Unterschiedsbetrag zwischen den von den Gesellschaftern in 2001 eingebrachten Nettovermögen und dem festen Stammkapital“, vergleiche Seite 5, Tag der Erstellung 8. August 2011, Positionen (6) Kapitalrücklagen.

Daraus ergibt sich, dass lediglich der Betrag von  8,28 Mio. Euro kein gebundenes Eigenkapital ist. Lediglich dieser Betrag könnte  kurz- bis mittelfristig dem Unternehmen entnommen werden.

Etwas vereinfacht formuliert können – ausgehend vom Jahresabschluss 2010 – die Konzernmütter je nach Bindungsfristen des Kapitals auf  16 Mio. Euro zugreifen; es wären jeweils  8 Mio. Euro auf der Aktivseite und  8 Mio. Euro auf der Passivseite.

Die technischen Anlagen der Wasserwerke Westfalen haben einen Restwert von 11 Mio. Euro und sind damit weitestgehend abgeschrieben. Die „Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und der Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken“ haben einen Buchwert von rd. 10 Mio. Euro und die technischen Anlagen von rund 11 Mio. Euro.

Die Relationen von 11 Mio. Euro bei den technischen Anlagen im Bestand zu 180 Mio.  Euro erforderlichen Neuinvestitionen offenbart die prekäre Lage der Wasserwerke Westfalen.

Aus der zuvor genannten Relation von  180  Mio. Euro Finanzierungsbedarf zu 11 Mio. Euro vorhandenem Vermögen kann man nur folgern, dass dieses Wasserwerks mit seinen 11 Mio. Euro Anlagevermögen im Grunde genommen nicht weit von der „Verschrottung“ entfernt  ist.

Mit Investitionen von 0,3 Mio. bis lediglich 1,0 Mio. Euro pro Jahr wurde ausschließlich  die technische Grundfunktion der 8 Wasserwerke aufrechterhalten.

Auf der anderen Seite wird aber innerhalb des Konzerns mit zweistelligen Millionenbeträgen zwischen Eignern (DEW 21 Stadt Dortmund und Gelsenwasser AG)  jongliert.

Politisch birgt diese kommunale Spiel- und Transferwiese weiteren Sprengstoff, wenn man jetzt an den Ausgangspunkt der Überlegung zurückkehrt. Die Stadt Dortmund mit DEW 21 und die Gelsenwasser AG (die ihrerseits zur Hälfte den Stadtwerken Bochum und den Stadtwerken Dortmund gehört) benutzen mit großem Elan die Wasserwerke Westfalen wie ein Sparschwein.

Die ausführlichen Transferbuchungen sind an lediglich zwei Beispielen oben beschrieben.

Der politische Kontext ist nur verständlich, wenn man die handelnden verantwortlichen Personen betrachtet:

Der jetzt amtierende Regierungspräsident von Arnsberg, Herr Bollermann, war bis zum Amtsantritt der Schatzmeister des größten Unterbezirkes der SPD Dortmund. Die Relevanz der Kapitalverflechtungen von Wasserwerke Westfalen mit der Stadt Dortmund / Stadtwerke Dortmund und Gelsenwasser AG müssten ihm bekannt sein. Als langjähriger Weggefährte von OB Sierau ist ihm vermutlich ebenfalls bekannt, dass der marode städtische Haushalt der Stadt Dortmund lediglich durch die Segnung des Sparschweins Gelsenwasser AG und damit der Wasserwerke Westfalen aufrecht erhalten wird.

Für Herrn Bollermann müsste daher eigentlich ein deutlicher  Interessenkonflikt zwischen der Verantwortung für die Gesundheit der Menschen, die durch das Wasserwerk Westfalen mit Trinkwasser versorgt werden und der Loyalität gegenüber den politischen Weggefährten bestehen.

Herr Bollermann hat mit seinem, mit der Gelsenwasser AG abgestimmten  Verwaltungsentwurf der Ertüchtigungsanordnung mit verknüpfter öffentlich-rechtlicher Vereinbarung mit den Wasserwerken Westfalen, diesen damit einen zeitlichen Aufschub gewährt, der aus gesundheitspolitischer Sicht, aus sachlichen Gründen und aus verwaltungstechnischer Sicht  nicht abzuleiten und damit nicht zu rechtfertigen ist.

Wäre die Landesregierung nicht besser beraten, hier gründlicher und en detail zu prüfen und die Möglichkeit der Vorteilsgewährung in Betracht zu ziehen?

Um aber auch jeglichen Anschein der Verquickung von Verwaltungshandeln mit kommunalen Partei-Interessen auszuräumen, könnte die Landesregierung die Genehmigung zur Nachrüstung der 8 Wasserwerke der Wasserwerke Westfalen von der Bezirksregierung Arnsberg auf die Bezirksregierung Düsseldorf übertragen.

Damit wären mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: der Anschein jeglichen Dortmunder Klüngels wäre im Keim erstickt und die Verwaltungsbeamten der Bezirksregierung Düsseldorf, die in den letzten Jahrzehnten unter Beweis gestellt haben, dass sie Anlagen nach Stand der Technik für die Trinkwasseraufbereitung beurteilen und genehmigen können (die vier Wasserwerke von RWW, die 3 Wasserwerke von der Stadt Düsseldorf, das Wasserwerk der Stadtwerke Dinslaken, das neue Verbundwasserwerk der WGE Essen beweisen dies),  würden innerhalb kürzester Zeit mit ihrem praktischen Fachwissen auch noch „die Klassenletzten der Wasserwerke Westfalen“ sozusagen en passant ertüchtigen.

Update:

Zeitreihe Jahresabschlüsse WWW

WWW-Jahresabschluss 2010

WWW-Jahresabschluss 2009

WWW-Jahresabschluss 2008

WWW-Jahresabschluss 2007

WWW-Jahresabschluss 2006

 

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Erdgeruch
Erdgeruch
12 Jahre zuvor

Und weil in Düsseldorf eine grüne RP sitzt…

Aber würde sie auch anders entscheiden? Nein.

crusius
crusius
12 Jahre zuvor

Nach dem, was wir bei Envio gelernt haben, muss man wohl auch noch wissen, wer hier mit wem mal verheiratet ist/war. *schwerseufz*

trackback

[…] bereits in den Artikeln Die Gelsenwasser-Lüge Teil I und Teil II dargestellt, bedarf es einer erheblichen Investition, um die Wasserwerke an der […]

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