Die Ukraine und die imperiale Neuordnung der Welt

Vladimir Putin Foto: Kreml Lizenz: CC-BY 4.0

Leute, die Neuaufteilung der Welt ist in vollem Gange. Es sind jetzt allerdings, im Gegensatz zum 20 Jahrhundert, nicht zwei sondern drei Imperien im Spiel: Den USA ist die Rolle der Weltpolizei finanziell und politisch zwar zu teuer geworden, aber sie sind nach wie vor ein Super Power Player. Russland hat zwar nach dem Zusammenbruch der Sowjet Union etwas geschwächelt, ist aber dank Putin wieder voll dabei. China allerdings ist dank der genialen erstmaligen Zusammenführung von Kapitalismus und kommunistischer Partei Diktatur der Shooting Star es imperialen Triumvirats, mit Chance auf den ersten Platz auf der Olympia Treppe der Weltherrschaft.

Und es gibt noch einen wesentlichen Unterschied zum vergangenen Jahrhundert. Diese drei Imperien haben selber noch eine viel größere und so gut wie unaufhaltbare Macht gegen sich: Den Klimawandel und die damit massiv zunehmende Ressourcenknappheit an Energie und Rohstoffen. Egal ob sie demokratische, autokratisch oder diktatorisch regiert werden, sind ihrer Herrscher aber bei ihrer Machtsicherung nur den Menschen verpflichtet, die ihre Imperien dauerhaft bewohnen, bzw. deren Staatsbürger sind. Denn nur von ihnen werden sie gewählt, unterstützt, geduldet und gefeiert, oder eben auch abgewählt, sabotiert oder gestürzt.

Der Rest der Erdenbohner interessiert die imperialen Herrscher deswegen nur insofern, als dass sie Ressourcen verbrauchen, die ihrer Bevölkerung und ihnen selbst zustehen und die sie für das weitere Wohlergehen und/oder Wachstum ihrer Nationen brauchen. Sei es auch nur um ihre Bürger ruhig zu stellen, oder sie zumindest von einem Aufstand abzuhalten. Unausweichlich muss deswegen nicht nur die eigenen Verbrauchseffizienz  und -effektivität gesteigert sondern auch der Ressourcenverbrauch der restlichen Welt eingeschränkt werden. Notfalls auch mit militärischer Gewalt.

Der andere, auf Dauer sicherere Weg, ist jedoch die direkte Aneignung von Ressourcen und Technik durch Landnahme oder durch weltweiten Aufkauf und Ausbeutung. Wobei auch Letzteres im Ernstfall der militärischen Absicherung bedarf, weil sonst nicht gewährleistet ist, dass die Bewohner der so in Abhängigkeit gebrachten Nationen bei zunehmender Knappheit und Verteuerung an Energie und Lebensmitteln, nicht aufbegehren, bzw. ihrer Regierungen zur Revidierung der Verträge zwingen.

Das wiederkehrende militärische Muskelspiel wird damit zum festen Bestandteil des Geschäftsmodells imperialer Einflussnahme . Allen voran beim schwächsten Imperium, weil seine Herrscher am meisten Angst haben, bei der Neuaufteilung der Welt zu kurz zu kommen. Ist dieses Imperium obendrein ökonomisch und technisch nicht in der Lage, eine irgendwie geartete Vorbildrolle gegenüber anderen Ländern einzunehmen, d.h. diese zu einer freiwilligen Unterordnung in beiderseitigem Interesse zu bewegen, ist ein militärische Konfrontation nahezu unausweichlich.

Genau das geschah und geschieht zwischen der Ukraine und Russland, seitdem die Ukraine nicht mehr länger bereit war, freiwillig in der Abhängigkeit von Russland zu sein. Den ukrainischen Nationalisten wäre dabei eine Neutralität sicher am liebsten gewesen. Nur, dass sie in unmittelbarer Nachbarschaft von Russland von eben diesem Imperium gar nicht zugelassen werden kann, weil sie nichts anderes als die volle staatliche Souveränität dieses Landes bedeuten würde. Es war also genauso unausweichlich, dass sich die Ukraine ins Einflussfeld eines anderen mächtigeren Imperiums begab: den USA.

Vor einem Imperium, und das ist das eiserne Gesetz des Imperialismus, schützt nur ein mächtigeres Imperium. Es sei denn, die abhängigen Nationen und/oder Völker schließen sich militärisch von Zahl und Potential so wirkmächtig zusammen, dass ihr Zusammenschluss selbst einem Imperium bei der Eroberung einen so hohen Preis abzutrotzen in der Lage ist, dass es sich für mildere Formen der Unterwerfung, ja eventuell sogar für die faire Kooperation entscheidet und dabei auf die technisch und ökonomisch für produktive Zusammenarbeit setzt.

Europa hatte jenseits des Machtbereichs der ehemaligen Sowjetunion die Chance, im imperialen Windschatten der USA eine solchen militärischen Zusammenschluss aufzubauen und jenseits der sonstigen nationalen Eigenständigkeit auf Dauer zu festigen. Eine Wirtschaftsunion ist ihr zwar mehr oder weniger gelungen. Eine gemeinsame und ausreichend bewaffnete Außenpolitik war jedoch von Anfang an an nationalen Eigeninteressen gescheitert und ist danach trotz verschiedener Initiativen auch nicht mehr gelungen.

Es ist also völlig egal, was die Europäer jetzt zum Ukraine Konflikt äußern und welche hektische diplomatische Symbolpolitik sie betreiben. Für Putin zählt einzig und allein was Biden und Xi Ping sagen. Es ist ihm auch egal ob ihn speziell deutsche Politiker auf Grund der besonderen Geschichte mit seinem Land verstehen oder nicht. Die dauerhafte Vereinnahmung der Ukraine ist für seine imperiale Jahrhundert Strategie weitaus wichtiger als die politische Stimmung in Deutschland und die Milliarden für Nord Stream 2.

Militärstrategisch entscheidend ist für Russland einzig und allein die diesbezügliche Reaktion der USA und der NATO. Wenn die USA die Eroberung der Ukraine dulden, bzw. es nur bei Sanktionen bleiben lassen, und das werden sie, wird er sie früher oder später „heim ins Reich“ holen und dafür von der Mehrheit des russischen Volkes und damit seine Wähler frenetisch bejubelt werden. Perfekt orchestriert von seinen Staatsmedien. Seine Vasallen werden ihnen dafür ebenfalls feiern, weil sie dann wissen, dass er auch sie notfalls mit Waffengewalt vor ihren eigenen Völkern schützen wird.

Und wen sich dann, genügend Zeit später, der Rest von Europa damit abgefunden und die ukrainische Bevölkerung sich in Ermangelung an unblutigen Alternativen den neuen Herrschen gefügt hat, wird Nordstream 2 schon deswegen eröffnet, weil die misslungene deutsche Energiewende ohne das zusätzliche russische Gas nicht auskommen wird. Die USA werden sich derweilen auf den imperialen Hauptgegner China konzentrieren und auch hier wird es bilaterale weltweite Deals von Landnahmen und Einflussbereichen geben, bei denen Russland allerdings nichts zu sagen haben wird.

Russland und China sind zu Zeit nämlich nur Zweck-Freunde gegen die USA. Ansonsten ist China  Russland nicht nur ökonomisch und technisch weit überlegen, sondern befindet sich mit ihm, wie mit den USA, in erheblicher kultureller und sozioökonomischer Systemkonkurrenz. Schon Mao hat sich Russland mehr aus purer Not als denn aus Begeisterung zugewandt, wobei die Bewunderung für den dortigen sozialistischen Fortschritt sehr schnell in Misstrauen, ja Hass gegenüber Stalin umgeschlagen ist.

Russland tut aus seinem eigenen Interesse also gut daran, sich jetzt sein europäisches Einfluss Terrain zu sichern und auszubauen, weil Putin hier, zumindest bei seinen unmittelbaren Anrainerstaaten, am allerwenigstens mit der militärischen Gegenwehr der USA und/oder China rechnen muss. Die wie auch immer geartete (Wieder)Unterwerfung der Ukraine wird dabei nicht der letzte Schritt seine und die Europäer sollten sich diesbezüglich für die Zukunft warm anziehen und endliche begreifen, dass auch bei ihnen das Zeitalter des Friedens zu Ende geht, wenn sie sich nicht konsequent und schnell eine eigene, gemeinsamen und schlagkräftige Armee aufbauen.

 

 

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Guiseppe Bottazzi
Guiseppe Bottazzi
2 Jahre zuvor

Wokistan ist abgebrannt.

Hayna
Hayna
2 Jahre zuvor

Gute Zusammenfassung des Standes der Dinge….. Leider wurde Russlands 15 jaehrige Apeasementpolitik systematisch abgeblockt…
Ob allerdings das militärische Aufrüsten der EU die richtige Antwort wäre ist zu bezweifeln, Kriege sind heutzutage kaum noch führbar, weder militärisch noch aus Umweltgruenden…. außer vielleicht auf Nebenschauplaetzen, so wie bisher… man wird sich was wirksameres einfallen lassen müssen und vor allem an internationalen Vermeidungsstrategien arbeiten müssen…
Das Friedensforschungsinstitut in Stockholm war ein guter Ansatz, ist leider völlig heruntergekommen…..

Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Arnold,
bedenkenwerte Überlegungen, auch wenn ich ihnen nicht in jedem Detail uneingeschränkt zustimme.

Hayna,
einverstanden.

Dazu "auf die Schnelle" einige Gedanken von mir:

Dass es den USA, China und Rußland darum geht, ihrer Interessen wegen über die zur Wahrung, dieser Interessen notwendige Macht zu Verfügung, erscheint mir, aber offenkundig nicht "jedermann" selbstverständlich zu sein.

Dass alle drei der sog. Großmächte gleichermaßen (!!) bereit sind, zu diesem Zweck Grenzen zu überschreiten -wörtlich und bildlich- erscheint mir ebenso selbstverständlicih, aber offenkudig nicht für "Jedermann".

Das dieser Streit permanent zu Konflikten zwischen diesen Großmächten kommt, ist auch selbstverständlich und "hinreichend zu belegen".

Dass dieser Streit zu einem sog. "Atomkrieg" führen könnte, der dann auch die Existenz der genannten 3 Großmächte gefährden würde, ist für mich wegen ihres Selbsterhaltungsinteresse nicht vorstellbar. Das gilt deshalb in besonderem Maße für die USA, weil diese sich bisher relativ sicher sein konnten, dass ihr Staatsgebiet "im Falle eines Falles" (atom-)kriegsfrei bleiben würde.

Daraus folger ich u.a.:
Es wird immer wieder zwischen den drei Großmächten zu Auseinandersetzungen kommen -geführt im Bereich Finanzen und Wirtschaft und mit den für diese Bereiche erfolgversprechenden Mitteln. Dazu gehört m. E. nicht der herkömmliche Krieg mit militärischen Mitteln, schon gar nicht mit Atomwaffen.

Drittstaaten ,das gilt auch für Deutschland und m.E. für die gesamte EU, sind für die drei Großmächte Mittel zum Zeck, nicht mehr, nicht weniger. Wenn "man" in Deutschland, in der EU in diesem Bewußtsein Politik machen würde -Wirtschafts-, Finanz- Verteidigungspolitik, wäre diese realistischer – und damit interessengerechter- als sie mir derzeit erscheint

Für ganz und gar mit Blick auf diese Interessenspolitik verfehlt erscheint es mir, wenn vor allem hierzulande in das oben umschriebene Szenario immer wieder als ""unser -und das der sog. gesamten westlichen Welt -wichtigstes Interesse die Wahrung einer freiheitlich-rechtstaatlichen Ordnung bzw. deren mit missionarischem Eifer anzustreben weltweiten Implementierung vorgegeben und als maßgeblich für die Finanz-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik deklariert wird. "Das verstellt den Blick auf die Realitäten dieser Welt" und schließt folglich eine dementsprechende realistische Poltik hierzulande (und in der EU) aus.

Nach wie vor bin ich der Meinung, daß es unserer Interessen wegen (!!) geboten wäre, das staatlicher Miteinander in der EU zu festigen, besser noch erheblich zu erweitern. Derzeit scheint mir Gegenteiliges im "Gange zu sein".

Dass alles gilt es auch jetzt und hier m.E. zu bedenken, wenn "man" über die "richtige " Politik Deutschlands (und der EU) bezogen auf die sog. Ukraine-Krise nachdenkt und diskutiert. Ich bin mir sicher, daß das hierzulande der Fall ist, allerdings nicht -oder nur nebenbei- in der medialen Öffentlchkeit.

Albert Rech
Albert Rech
2 Jahre zuvor

Eine gemeinsame europäische Streitkraft kann nur der zweite Schritt sein.
Der erst Schritt muß die Überwindung der europäischen Kleinstaaterei und die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Bundesstaates sein, der mehr ist als nur eine neoliberale Freihandelszone.
Deutschland hat dies verstanden und ist bereit Führung zu übernehmen.
Leider haben viele Osteuropäische Staaten wie z.B. Polen nichts aus den vergangenen Weltkriegen gelernt und hängen immer noch einen veralteten Nationalismus an.
Dies wird auch noch verstärkt durch die Osterweiterung der NATO, die z.B. die Sicherheit von Polen selbst dann garantiert wenn Polen die EU verlässt.

Helmut Junge
2 Jahre zuvor

Putin hat sehr hoch gepokert und nichts dafür gekriegt. Ich übertrage mal die Regeln, die ich als Kind habe lernen müssen, weil ich ich der Nachbarschaft einer nachkrieglichen Obdachlosensiedlung aufgewachsen bin. Die Jungs dort waren sehr hart drauf. Tausenfach härter als die Jugend heute. Und aus dieser Erfahrung mit diesen harten Jungs weiß ich, daß Putin von seinen Falken rasiert würde, wenn er sich jetzt zurückziehen wollte. Er hat ja nichts gekriegt. Rußland würde aber unter einem Putinnachfolger vermutlich dieselben Fordrungen stellen. Ohne Putin. Und genau das weiß auch er.
Ich sage also, daß er irgendeinen militärischen Schlag durchführen wird, sobald er sich sicher ist, diesen militärischen Schlag an dem Ort, den er sich aussucht, zu gewinnen. Das muß nicht unbedingt die Ukraine sein. Er sucht sich den Ort halt aus. Um politisch zu überleben, wird er aber in jedem Fall zuschlagen. Sonst hätte er nicht pokern dürfen. Wenn das passiert, kommt es zur Wahrheitsfindung, ob die USA ihn aufhalten kann oder es auch nur versucht. Wenn Putin sich nicht stark genug fühlen sollte, hätte er seine Forderungen niemals stellen dürfen. Dann ist er weg vom Fenster. Ich kann mir zur Zeit nicht mehr vorstellen, daß es noch zu einer Vereinbarung kommen könnte, die deutlich und erkennbar weit unterhalb seines Forderungskatalogs liegen würde. Diese Chance gibt es nicht mehr, jedenfalls nicht mehr für und mit Putin.

Christian Scharlau
Christian Scharlau
2 Jahre zuvor

#2: "Russische Appeasement-Politik" – was soll DAS denn sein???? Etwa die Besetzung und Annektion der Krim? Die seit Jahren andauernde De-facto-Besetzung der Ost-Ukraine? Oder der schon in Vergessenheit geratene Überfall auf Georgien und die De-facto-Abtrennung Abchasiens? Diese Liste ließe sich jetzt noch weiterführen. Daß das Moskauer Regime in den letzten 15 Jahren keinen direkten Krieg gegen die NATO vom Zaun gebrochen hat, finde ich für die Bezeichnung "Appeasement" etwas dünn – das hat keine von beiden Seiten, und schon seit 1945…

Ich denke, wer heute noch Putin in irgendeinem Bereich gute Absichten zuschreibt, der bekommt entweder Geld dafür (wie ein gewisser G. S. – "die korrupteste Versuchung seit es Bundeskanzler gibt") oder er gehört zu den Diktatur-Fans aus dem Umfeld von AfD/Linke.

Guiseppe Bottazzi
Guiseppe Bottazzi
2 Jahre zuvor

#6: Wer die Welt nach wie vor in Gute und Böse einteilt, hat vermutlich noch nie was von Zbigniew Brzeziński gehört. Das hat nichts damit zu tun, dass man lieber im Westen wohnt, als unter Putin oder Xi.

Helmut Junge
2 Jahre zuvor

Was ich in (5) vorausgesagt hatte (5)"Ich sage also, daß er irgendeinen militärischen Schlag durchführen wird, sobald er sich sicher ist, diesen militärischen Schlag an dem Ort, den er sich aussucht, zu gewinnen. Das muß nicht unbedingt die Ukraine sein. Er sucht sich den Ort halt aus."
ist schon eingetreten, aber ich bin sicher, daß er so lange weitergeht, bis er sich nicht mehr sicher ist, daß er damit durchkommt."
Sein Forderungskatalog ist ja riesig.
Mein größtes Verständnisproblem ist, daß ich nicht weiß, warum die USA zwar verbal hart auftritt, Putin dann aber doch gewähren läßt. Darum kann ich die gesamte Situation nicht einschätzen.
Putin aber scheint das zu können, oder glaubt es zu können. Wie gesagt, seine Forderungen reichen weit über die Ukraine hinaus. Er fordert sogar, daß die USA aus dem Mittelmeer verschwinden soll. Da muß es also irgendwann knallen, weil er an eine Grenze stößt, die die Interessen der USA so massiv stört, daß es nicht mehr beim Schimpfen und Sanktionsandrohungen bleiben kann. Wo aber liegt die Grenze?

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