Ein Jahr nach der Flüchtlingstragödie von Lampedusa

Seit dem Frühjahr lebt eine Gruppe nordafrikanischer Flüchtlinge in Hamburg. Sie kamen nach Lampedusa. Da die italienische Verwaltung keine Möglichkeit zur Unterkunft mehr sah, hat sie diese Gruppe gegen geltendes EU-Recht nach Deutschland geschickt. Mit einem Zelt vor dem HH Hbf machen die Flüchtlinge auf ihre Situation aufmerksam. Foto: J. Klute (Juli 2013)
Seit dem Frühjahr lebt eine Gruppe nordafrikanischer Flüchtlinge in Hamburg. Sie kamen nach Lampedusa. Da die italienische Verwaltung keine Möglichkeit zur Unterkunft mehr sah, hat sie diese Gruppe gegen geltendes EU-Recht nach Deutschland geschickt. Mit einem Zelt vor dem HH Hbf machen die Flüchtlinge auf ihre Situation aufmerksam. Foto: J. Klute (Juli 2013)

Am heutigen 1. November startet das neue Frontex-Programm Triton. Es löst das italienische Programm Mare Nostrum ab. Letzteres war eine Antwort auf die Flüchtlingstragödie vom 3. Oktober 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa. Über 360 Flüchtlinge aus Nordafrika ertranken bei der Tragödie vor gut einem Jahr. Unter anderem auch deshalb, weil die italienische Marine bis zu dem Zeitpunkt keine Flüchtlinge retten durfte, sondern die Landung  an italienischen Küsten von Booten mit Flüchtlingen an Bord verhindern sollte. Nach dem Tod der über 360 Flüchtlinge änderte die italienische Regierung diese Politik und initiierte das Programm Mare Nostrum. Damit wurde die italienische Marine beauftrag, weit vor der Küste Italiens nach Flüchtlingsbooten zu suchen und die Flüchtlinge an Bord zu nehmen, um sie sicher ans italienische Festland zu bringen. Dieses Programm, das von Italien finanziert wurde, wird nun eingestellt. An seine Stelle tritt das von Frontex koordinierte Programm Triton. Allerdings steht bei Triton der Schutz der italienischen Küsten im Vordergrund. Das heißt, es soll so genannte illegale Einwanderung verhindern. Die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot steht damit nicht mehr im Fokus. Zudem konzentriert sich Triton auf die Küstenregionen und nicht auf das offene Meer, wie es bei Mare Nostrum der Fall war. 

Die Flüchtlingspolitik wird seit den 1990er Jahren auf EU-Ebene geregelt und koordiniert. Da liegt es nahe, die EU pauschal zum Sündenbock für diese skandalöse Politik zu machen. Doch das wäre sachlich falsch und deshalb wäre es auch wenig hilfreich im Bemühen um eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in der EU.

Man muss sich vor Augen führen, dass die EU kein homogener politischer Block ist. Sie besteht vielmehr aus den drei Institutionen EU-Rat, EU-Kommission und EU-Parlament. Und die haben nicht nur unterschiedliche Aufgaben, sondern verfolgen auch unterschiedliche Interessen. Zudem ist die interne Machtverteilung zwischen diesen drei Institutionen keineswegs ausbalanciert – wenngleich das EU-Parlament als die bisher einzig demokratisch legitimierte unter den drei Institutionen durch den Lissabon Vertrag erheblich mehr an Mitentscheidungskompetenzen erlangt hat und somit der EU-Rat in den meisten Fällen ohne die Zustimmung des Parlaments keine Richtlinien und Verordnungen mehr beschließen kann.

Die gegenwärtige EU-Flüchtlingspolitik spiegelt vor allem die Interessen der Regierungen der Mitgliedsländer wider. Sie wurde begründet mit dem Dubliner Übereinkommen von 1990, das 1997 in Kraft trat. Diese Übereinkunft war ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Regierungen der damaligen 12 EU-Mitgliedsstaaten und weiteren europäischen Staaten. Es war also noch kein EU-Recht im heutigen Sinne.

2003 wurde dieses völkerrechtliche Abkommen ersetzt durch die so genannte Dublin-II-Verordnung des EU-Rates. Bei dieser Verordnung handelt es sich um EU-Recht, dass zum damaligen Zeitpunkt aber noch vom Rat ohne Mitentscheidungsverfahren des EU-Parlaments beschlossen wurde. Dementsprechend spiegelt auch Dublin-II vorrangig die Interessen der Regierungen der EU-Mitgliedsländer wider und nicht etwa gemeinsame europäische Interessen geschweige denn die viel beschworenen EU-Menschenrechtsstandards.

Im Juli 2013 trat dann die Dublin-III-Verordnung in Kraft. Diese Verordnung wurde vom EU-Rat und dem EU-Parlament im Mitentscheidungsverfahren nach dem Lissabon Vertrag beschlossen. Substantielle Veränderung der EU-Flüchtlingspolitik hat die Dublin-III-Verordnung jedoch nicht erbracht.

Die Dublin-Verordnung verfolgt drei Ziele: Zum einen regelt die Verordnung, dass jedem Asylsuchenden, der im Geltungsbereich der Verordnung einen Asylantrag stellt, garantiert wird, dass ein entsprechendes Verfahren durchgeführt wird. Des weiteren ist geregelt, dass das EU-Mitgliedsland, in dem ein Asylsuchender die EU erreicht, für die Durchführung des Asylverfahrens verantwortlich ist. Wir dem Asylsuchenden Asyl gewährt, dann ist das EU-Mitgliedsland, das ihm Asyl gewährt, auch weiterhin für ihn zuständig. Er kann also nicht  weiterziehen oder weitergeleitet werden in ein anderes Mitgliedsland. Alle Kosten, die mit diesem Verfahren verbunden sind, muss der aufnehmende Mitgliedsstaat tragen. Und drittens soll verhindert werden, dass ein Asylsuchender mehr als einen Antrag innerhalb der EU stellt. Dazu regelt die Dublin-Verordnung den Datenaustausch (vor allem den Austausch von Fingerabdrücken) bezüglich der Asylantragstellenden zwischen den EU-Mitgliedsstaaten.

So schafft die Dublin-Verordnung zwar Rechtssicherheit im Blick auf die Durchführung eines Asylverfahrens – dass aber auf einer sehr restriktiven Rechstbasis.

Und sie führt zu fragwürdigen Ergebnissen für die EU-Mitgliedsstaaten. In Deutschland ist die Zahl der Asylanträge massiv zurück gegangen, da die BRD keine EU-Außengrenzen hat (die Nordseeküste kann man nicht wirklich als EU-Außengrenze bezeichnen). Die meisten Asylsuchenden kommen aus Nordafrika über das Mittelmeer nach Italien, Spanien, Malta und Griechenland. Die wirtschaftliche und soziale Integration der Asylsuchenden liegt nach der Dublin-Verordnung allein in der Verantwortung der Aufnahmeländer. Die genannten Länder gehören zudem zu denen, die seit Ausbruch der EU-Finanz-Krise unter enormen wirtschaftlichem Druck stehen und aufgrund der von der Bundesregierung durchgesetzten rigiden Sparpolitik an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten stoßen. Das führt in diesen Ländern zu massiven gesellschaftlichen Konflikten bzw. zu steigender Ausländerfeindlichkeit und Rassismus.

Sinnvoll wäre deshalb eine proportionale Aufteilung der Asylsuchenden auf alle EU-Mitgliedsstaaten. Vor der Verabschiedung der Dublin-III-Verordnung ist die Einführung eines Schlüssel zur Aufteilung von Asylsuchenden auf alle EU-Länder ins Gespräch gebracht worden. Aber die Bundesregierung hat sich mit ihrer Ablehnung eines solchen Schlüssels durchsetzen können.

Hat sich das Parlament bei der Dublin-III-Verordnung noch weitgehend auf den Ratspositionen eingelassen, hat es seine Position nach der Flüchtlingstragödie vom 3. Oktober vor Lampedusa korrigiert. Am 23. Oktober 2013, also nur wenige Tage nach der Tragödie vor Lampedusa, hat das EU-Parlament eine Resolution verabschiedet, die an den Rat gerichtet war, auf dessen Tagesordnung für den 26. Oktober 2013 auch dieses Thema stand.

Diese Resolution formuliert klare Forderungen an den Rat in Bezug auf eine Reform der EU-Flüchtlingspolitik. Die Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge soll zu einer Kernaufgabe der Grenzüberwachung gemacht werden. In die Neuverordnung für gemeinsame Frontex-Einsätze auf See sollen verbindliche Regeln zur Seenotrettung aufgenommen werden. Alle europäischen und nationalen Gesetze, die die Rettung von Flüchtlingen in Seenot unter Strafe stellen, sollen reformiert werden. Weiterhin werden Verfahren für eine gerechte und proportionale Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Mitgliedsstaaten eingefordert, um die südeuropäischen Staaten zu entlasten (derzeit nimmt nicht einmal die Hälfte der 28 EU-Staaten Flüchtlinge auf). Auch sollen Flüchtlinge nicht mehr in Aufnahmeländer zurück geschickt werden dürfen, wenn deren Asylsystem überlastet ist, was aktuell auf Griechenland, Malta und Italien zutrifft.

Darüber hinaus fordert das EU-Parlament einen fairen Zugang zum europäischen Asylsystem und die Entwicklung legaler Zugangsmöglichkeiten im Rahmen der Migration von Arbeitskräften.

Eine entsprechende Reform des EU-Asylrechts steht bis heute aus. Sie hat nicht einmal begonnen. Die Hauptblockade sind nationale Egoismen einiger EU-Länder, zu denen auch die Bundesrepublik gehört. Die Überwindung dieser Blockaden dürfte angesichts einer erstarkenden Rechten und eines neuen Nationalismus in vielen Mitgliedsländern nicht einfach sein.

Cecilia Malmström, die bis Ende Oktober 2014 für dieses Thema zuständige EU-Innenkommissarin, hat den Jahrestag der Flüchtlingstragödie vom 3. Oktober 2013 vor Lampedusa zum Anlass genommen, kurz vor dem Ende ihrer Amtsperiode dieses skandalöse Versäumnis noch einmal zur Sprache zu bringen. In ihrer Presseerklärung dazu vom 2. Oktober heißt es: „Die Bilder von Lampdusa sind noch immer in meinem Kopf. Sie sind eine schreckliche Erinnerung daran, dass wir danach streben müssen, dass Europa offen bleibt für jene, die Schutz suchen“. […] „Ich will sehr klar sein – wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht, ist die Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten noch weitgehend inexistent. Das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung für die Zukunft.“ 

Dem ist nichts hinzuzufügen. Bleibt zu hoffen, dass der EU-Rat – genauer gesagt: die Innenminister der Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten – seine Blockadehaltung aufgibt und sich endlich bewegt!

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keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

Als ich auf den Kanaren ein kleines Boot sah, dass von Menschen in Schutzanzügen vermutlich gereinigt, untersucht und desinfiziert wurde, bin ich davon ausgegangen, dass so der Umgang und die Abschottung gegen die Flüchtlingsströme aus Afrika in der Realität aussieht. Für mich in Urlaubskleidung war es ein sehr symbolisches Bild mit europäischen Bürgern, die sich vor afrikanischen Flüchtlingen schützen.
Es kann aber auch sein, dass es für die Aktion eine andere Erkläung gab (z.B. Gammelfisch).

Wenn man das Auswanderermuseum besucht oder bspw. an die ersten Menschen denkt, die nach Amerika auswanderten, waren dies immer risikoreiche Überfahrten. Auch heute gibt es bspw. in Afrika viele Menschen, die das Risiko einer Schiffspassage in untauglichen Booten nach Europa eingehen. Ich gehe davon aus, dass sie das Risiko kennen. Ebenfalls hört man immer wieder von sehr hohen Summen, die für die Passagen gezahlt werden.

Offen ist, was die Menschen wirklich antreibt, denn in Nordafrika machen wir in vielen Staaten Urlaub, und ich habe nicht das Gefühl, dass dort nur Unrecht herrscht.

Ziel kann es nur sein, diese menschenverachtenden Schiffspassagen möglichst am Ausgangspunkt zu unterbinden. Sei es durch Hilfe der Behörden in Afrika oder, falls das Chaos regiert, durch Kontrollen auf Seetauglichkeit einen Rücktransport zum Ausgangshafen. Hier ist natürlich zu klären, wie es mit dem Seerecht aussieht.

Dass Europa ein Einwanderungsgesetz braucht, ist ein anderer Punkt. Es muss dann aber auch klar sein, dass illegele Einreise bei hohem Risiko eben nicht zur Duldung führt. Denn dies führt dazu, dass es zu solchen Tragödien kommt. Jeder kann dann für sich klären, ob sich die Lebensgefahr auszahlt. Auch wenn dies komisch klingt, ist es doch eine Kalkulation, die bspw. Soldaten, Söldner, Montage-Arbeiter, Projektarbeiter etc. in gefährlichen Ländern eingehen. Geld als Ausgleich zum Risiko. Ein Beispiel hierfür ist aktuell Nigeria.

Kein Land der EU hat ein Interesse an die Aufnahme von mehr Flüchtlingen. Es wird also immer Konflikte geben. Wenn die Erstaufnahmeländer keine Pflichten haben, werden sie die Grenzen nicht überwachen, was sehr schnell zu einem Ende der offenen Binnengrenzen führen kann. Wenn die Außenländer für die Menschen verantwortlich sind, werden sie sich abschotten. Es ist also eine schwierige Situation mit vielen Stellschrauben, deren Auswirkungen nicht einschätzbar sind.

Wie ist hier Seenot definiert? Geht es um die Hilfe bei nicht modernen Schiffen oder um die Rettung vor dem Ertrinken?

Ich bin bisher davon ausgegangen, dass es nicht nur eine natürlich Reaktion ist, Menschen aus einer Lebensgefahr zu retten, sondern dass dies auch so gesetzlich geregelt ist.

Nansy
Nansy
9 Jahre zuvor

@keineEigenverantwortung: „Dass Europa ein Einwanderungsgesetz braucht, ist ein anderer Punkt. Es muss dann aber auch klar sein, dass illegale Einreise bei hohem Risiko eben nicht zur Duldung führt.“

Das sieht die australische Regierung genauso – in einem Video „no way“ wird das auf eine Art und Weise vermittelt, die hier in Europa wohl kaum denkbar wäre:
http://www.youtube.com/watch?v=rT12WH4a92w

Neben der Frage „Offen ist, was die Menschen wirklich antreibt,…“ beschäftigte mich ebenso die Frage „Was glauben die Menschen bei uns, durch den Wunsch alle Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, eigentlich bewirken zu können?“. Die Probleme der afrikanischen Armutsländer werden durch Auswanderung nicht gelöst, dafür werden die Probleme in den Aufnahmeländern verschärft….
Eigentlich ist keinem Kontinent dadurch gedient….

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Unser Land könnte ein paar arbeits- und aufstiegsmotivierte Einwohner mehr gebrauchen. Wenn man mit Flüchtlingen entsprechend fördernd umgeht, dann kann daraus für beide Seiten ein echte Win-Win-Beziehung werden. Und natürlich wäre es besser, wenn diese Menschen nicht aus ihren Ländern fliehen müssten.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Arnold -3-
Dazu habe ich -eingeordnet in eine Gesamtanalye- einen für mich hervorrangenden Beitrag von Stephan Lessenich in der SZ gelesen: „Neben uns die Sinflut“ -Süddeutsche Zeitung Nr.25o, 3o.10.21014, FEULLITON, S.9.
Lessenich kreiert dort den -jedenfalls für mich- neuen Begriff der „Externalisierungsgesellschaft“; die ihre Probleme extern lösen läßt -vom Kolonialsimus bis in unserer Zeit permanter Exportüberschüsse- und die sich der Lösung externer Probleme verweigert, z.B. der Probleme von Hungertod und Massen-(Völker-)morden in der sog.Dritten- Welt.

Er beschreibt die Handlungsmaxime dieser Externeralisierungsgesellschaft mit folgenden Worten:

“ Die Externailisierungsgesellschaft funktioniert im Modus der Ausbeutung: „Was du willst, dass man dir tu, das füge keinen anderen zu“ lautet ihre salvatorisches Imperativ.“

Weiter führt er u.a. aus:
“ Über die Externalisierung von Zängen werden die eigenen Freiheiten geschaffen. mittels Zerstörung fremden Lebenswelten die eigenen Lebenschancen gesichert, durhc eine Politik zu Lasten Dirtter die eigenen Verhältnsise gelebt.“

Lessenicht hat in seinem relativen kurzen Beitrag in der SZ den Zustand unserer Gesellschaft „auf den Punkt gebracht“, ich könnte auch sagen, deren Wertvorstellung, die eben nichts mit dem zu tun hat, was u.a. Gauck in seinen präsidial-pastoralen Sonntagsreden uns vorzumachen versucht.

Eine Unterzeile in der Artikel-Überschrift lautet:

„Westliche Wohlfühlkapitalismus lebt nciht über seine Verhältnsse. Er lebt über die Verhältnisse anderer“.

Wer z.B. angesichts von täglich weltweit rd. 100.000 verhungernder Kinder immer noch nicht darüber
nachzuden bereit ist, was in den von sog. westlichen Werten und von eine kapitalistichen Wirtschaftsorndung bestimmten Gesellschaftsordnungen in der EU, den USA, Kanada falsch laufen könnte, dem fehlt die Einsicht in die weltweitenh Realitäten, z.B. in die der Flüchtlinge.

Eine dauerhaft auf Abschottung der Staaten im Norden von den existentiellen Problemen der Staaten im Süden wird nciht funktionieren können, auch dann nicht, wenn wir demnächst mit kriegerischen Mitteln unsere Grenzen gegenüber Menschen , die aus Staaten südlich des Mittelmeeres nach Europa kommen wollen, zu sichern versuchen sollten.

Es geht langfristig um viel mehr als darum, ob wir derzeit bereit und in der Lage sein sollten, 100.000 Flüchtlinge, egal woher sie kommen, aufzunehmen.

Unser Land wäre aktuell problemlos in der Lage -objektiv, faktengestützt-, z.B. 100.000 Flüchtlinge zusätzlich aufzunehmen, und zwar nicht nur solche, die sich in einer volkswirtschftlichen
Gesamtrechnung absehbar positiv niederschlagen.
Subjektive Ängste vieler Menschen in Deuschland, in EU sind da.
Sie müssen durch die politisch Verantwortlichen gesehen und beachtet werden.Ihnen ist zu begegnen, ohne daß sie letztlich die objektiv problemlose Möglichkeit einer quantitativ undqualitativ erheblich zu steigernden Flüchtlingshilfe verhindern dürfen.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

Ich bin der Meinung wir sollten akzeptieren, dass auch in Afrika seit vielen Jahren unabhängige Staaten existieren, die ihr Leben selber gestalten können.

Es kann doch nicht sein, dass immer nur Europa und die USA für alle Ungerechtigkeiten dieser Welt verantwortlich sind. Die Kolonialzeit ist seit vielen Jahren vorbei.

In Afrika ist zunehmend China ein wirtschaftlicher Partner. Früher war es oft auch der Ostblock.

Die Länder haben die Wahl und häufig auch große Rohstoffvorkommen etc. Hierbei ist es natürlich wichtig, dass die Bevölkerung mitgestaltet.

Wenn es Menschen gibt, die über Monate viele 1000 KM durch fremde Länder reisen, um dann in Europa versorgt zu werden oder einfache Arbeiten auszuführen, ist es fraglich, ob dieses Engagement, was vorhanden ist, im eigenen Land nicht besser genutzt werden kann.

Ich bin eher der Meinung, dass diese Politiker ihr Gewissen beruhigen wollen, indem sie möglichst viele Menschen in der EU aufnehmen.

Das geht doch sogar so weit, dass ein Völkermord und eine Vertreibung nicht mehr interessiert und bekämpft wird, weil es noch die Möglichkeit gibt, die Menschen zu versorgen. Dann hat man ja geholfen. Dass der Mob damit gewonnen hat und die Heimat verloren ist, interessiert nicht, weil man ja geholfen hat. Auch die Menschen kämpfen kaum noch um ihre Heimat, es gibt ja den Plan B.

Wer einreisen will, soll sich um die Aufnahme in ein Land bewerben können. Sprache etc. kann man auch im ursprünglichen Heimatland lernen. Wer mehrere 1000 km reisen kann, wird auch die Möglichkeiten haben, sich mit Sprachkursen etc. auszurüsten. Deshalb sind für mich Einwanderungsquote wichtiger als Verteilungsschlüssel. Dies macht nur bei Notlagen Sinn. Wobei auch hier eher lokale Lösungen gefunden werden müssen und insbesondere die Notlagen bekämpft werden müssen.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Walter, Jürgen, natürlich geht es mir nicht nur um Flüchtlinge die der deutschen Volkswirtschaft nutzen können. Aber man sollte und darf diese Diskussion nicht nur mit moralischen Argumenten führen. Hilfe braucht Helfer und Helfer kommen irgendwann an ihre Grenzen. Erst recht, wenn sie sich vor dem Rest der Gesellschaft auch noch für ihre Hilfe rechtfertigen müssen.

Flüchtlinge sind nichts anderes als Zuwanderer aus besonders großer Not. Aus der muss man ihnen natürlich erst einmal heraus helfen. Aber sie sind in der Regel auch Menschen die etwas geben, etwas zur positiven Entwicklungs des Landes beitragen wollen, das sie aufgenommen hat, sofern sie von ihrem Alter und ihre Gesundheitszustand dazu in der Lage sind. Damit gibt man ihnen zugleich die Chance, aus der Rolle des Hilfsbedürftige heraus zu kommen, in die sie ja nicht freiwillig sondern durch Zutun anderer geraten sind.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Die Zahl der hungertoten Kinder hat sich seit Ende der Ost-West-Konfrontation 90 um die Hälfte verringert, sagt die UNO. Warum ist das so? Trägt wirklich immer nur der Westen die Schuld?
Keine Frage ist, dass Deutschland zu wenig in Sachen Flüchtlinge tut. Da ist entschieden mehr möglich, wie Arnold bin ich der Meinung, dass man diese Menschen auch als Chance für unser Land begreifen MUSS. Wer sich bis zu uns durchschlägt, muss hart im Nehmen sein, hat viel Eigeninitiative bewiesen, die die Politik doch gerne von uns allen einfordert.
KE hat Recht, wenn er auf die Rolle Chinas hinweist, die sind dort schon seit Mao unterwegs, damals auch in Sachen Konkurrenz zur SU, was der Entwicklung auch nicht nur genutzt hat.
Was die Tragödien im Mittelmeer oder sonst wo auf dem offenen Meer angeht, kann ich nur sagen: Wir haben der DDR ihr brutales Grenzregime zu Recht vorgehalten, da können wir jetzt nicht sagen, dass die Flüchtlinge das Risiko kennen. Das kannten auch die DDR-Deutschen, die den „illegalen Grenzübertritt“ wählten.
Walter, die Ängste bekämpfen, dass ist das große Problem, die Angst vor Fremden, vor dem Fremden, was mit den Fremden auf uns alle zu kommt. Der Königsweg ist noch nicht gefunden. Wie man an den Wahlergebnissen sieht und dem Aufstand der Hools, der sich ja nicht nur gegen Salafisten richtet.
Bis zum Ende der DDR habe ich tatsächlich geglaubt, dass der Sozialismus mit dem „Internationalismus“ den Königsweg gegen Fremdenfeindlichkeit gefunden hätte,Die haben ihre Leute 40 Jahre in diesem Sinne erzogen, zumindest taten sie so. Das Ende vom Lied, wir kennen es. Ein langer und steiniger Weg liegt immer noch vor uns, Ende offen und höchst ungewiss.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Jürgen, Arnold,
ich wollte mich gar nicht zielgerichtet in die hier laufende Debatte zur Flüchtlingsproblematik einbringen, so wichtig sie ist.
Mir ging es in erster Linie darum, auf den Beitrag von Lessenich hinzuweisen in der Hoffnujng, daß er auch von Euch gelesen wird. Er bietet „guten“ Stoff für eine „gute „Diskussion.
Leider weiß ich nicht, ob und wie man an ihn via Internet herangkommen kann.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Nachtrag:
Jürgen Klute, -5-
Deine Kritik an meiner Pauschalierung „politisch Verantwortliche“ ist ohne Wenn und Aber berechtigt.
Gelegentlich verfalle ich auf solche Pauschalierungen, wenn mir eine Präzisierung -„im Eifer der Diskussion?- nicht so wichtig zu sein scheint, was sich dann nachträglich als falsch herausstellen kann, wie hier!

Arnold Voss -7-
„man“ diskutiert in den reichen Ländern der nördlichen Hemisphäre immer wieder darüber, daß man die Aufnahme von Menschen, die aus welchen Gründen auch immer ihrer Heimat verlassen haben, nuraufnehmen sollte anhand von Kriterien, die auf einer wirtschaftlichen Nutzen – Kostenrechnung basieren.
Dass mag “ man „mehrheitlich in allen diesen Ländern, eben auch in Deutschland, für gut und richtig halten.
Ich habe dazu aufgrund des erwähnten Artikels von Lessenich nur zu bedenken geben wollen:

a.),
ob eine solche Position sich letztlich vereinbaren läßt mit den vorgeblichen Grundwerten „einer christlich-abendländischen Tradition“ und den aus unserer Sicht vorgeblich unantastbaren Prinzipien jeder menschlichen Orndung, die sich aus den „Ehrfurcht und Achtung gebietenden unantasbren Menschenrechte“ ergeben, für die wir vorgeblich weltweit zu streiten, ja zu kämpfen bereit sind.

b),
daß sich eine solche Position nicht anhand von Fakten begründen läßt. Die „westlich-kapitalistische Welt“ wäre aufgrund ihrer Wirtschaftskraft problemlos (!!) in der Lage, wesentlich mehr aus ihrer Heimat flüchtende Menschen aufzunehmen als sie dazu derzeit bereit ist.
M.E. wird insofern in Deutschland, in der EU und darüberhinaus nicht „glaubwürdig“ argumentiert. Es kann nicht um eine unzureichende Wirtschaftskraft gehen, nicht um deren substantielle Bedrohung durch noch mehr Flüchtlinge, weder heute noch morgen. Es geht um andere Gründe für die tatsächliche, die vorgebliche, die geschürte, die manipulierte „Angst vor zu vielen Fremden“ und um den Umgang damit in und durch unserer Gesellschaft.

Thomas Weigle -8-,
trägt wirklich nur der Westen………..
In dem erwähnten Beitrag von Lessenich erinnert dieser uns alle daran, daß die sog. westlich-kapitalistische Welt nicht nur unvorstellbaren Reichtum angehäuft hat, und zwar nicht zuletzt zu Lasten der „übrigen Welt“, sondern daß das ganz konkret zu menschenunwürdigen Zustände in der sog. „übrigen Welt“ -zum Tode von Millionen Menschen-geführt hat und weiterhin tagtäglich führt.

Einer Auseinandersetzung mit dieser „Zustandsbeschreibung durch Lessenich“ kann man sich nicht entziehen mit der Frage, ob nicht auch über Andere, über Anderes nachzudenken wäre, wenn man sich mit den menschenunwürdigen Zuständen in der „übrigen, nicht westlich, nicht kapitalisitshen Welt“befaßt, konkret eben auch mit dem Problem der Menschen, die wegen dieser menschenunwürdigen Zuständen ihrer Heimat verlassen. Die Frage, “ trägt wirklich nur immer der Westen schuld“, sollte nicht zur Exkulpation eigener Schuld, der des “ christlichen Abendlandes“, der der „westlich-kapitalistichen Gesellschaften und Staaten“ herangezogen werden, wenn es um das menschenunwüridgen Leben -und Sterben- von Millionen Menschen in der sog. Dritten Welt geht und um den Versuch relativ Weniger von ihnen, sich diesem Elend, dem drohenden Tod zu entzhiehen, in dem sie sich auf den Weg in die EU, nach Deutschland oder -sh. Latein-Amerika- in die USA machen

Nansy
Nansy
9 Jahre zuvor

Es läuft, vereinfacht gesagt, immer wieder auf die alte Frage hinaus, tragen die Industrieländer die alleinige Verantwortung für die Ungerechtigkeiten und Armutsprobleme dieser Welt? Wer diese Frage mit ja beantwortet, der argumentiert natürlich sofort damit, dass man schon aus Gründen des schlechten Gewissens alle Armutsflüchtlinge aufnehmen muss.
So auch mal wieder in dem von Walter Stach zitierten Artikel in der SZ von von Stephan Lessenich: “Westliche Wohlfühlkapitalismus lebt nicht über seine Verhältnsse. Er lebt über die Verhältnisse anderer”. usw. usw.
Nur aus dieser Haltung heraus glaubt man, den Bürgern der Industriestaaten die Bedenken gegen eine Aufnahme von immer mehr Flüchtlingen nehmen zu können – diese simple Art von Schuldzuweisung als Lösung der Armutsprobleme zu verkaufen, schafft nur bei ein paar Politikern ein gutes Gewissen – aber keine Lösung des Problems. Wie gut das inzwischen funktioniert, hat „keineEigenverantwortung“ bereits angesprochen – Völkermord und Vertreibung werden von vielen politisch Verantwortlichen als nicht mehr lösbare Probleme angesehen, die man durch Aufnahme von Flüchtlingen „viel besser bekämpfen kann“.
Das alles geht inzwischen über die selbstverständliche humanitäre Hilfe für Vertiebene und Verfolgte hinaus und hat ein ideologisches Eigenleben entwickelt….

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Nancy,
Prof.Lessenich befaßt sich in dem betr.Artikel in der SZ primär nicht mit den Flüchtlingen, die weltweit unterwegs sind und die derzeit gemessen an ihrer Gesamtzahl nur minimal vor den Türen der Eu stehen.

Ihm geht es, so verstehe ich ihn, darum, seine Leser daran zu erinnern, daß sie iin der sog. westlichen Welt im Wohlstand leben zu Lasten Anderer, insofern die “ Sinftlut nebenan“ bestenfallls zur Kenntnis nehmen, und nach dem Motto leben: “ Was Du willst, das man Dir tu‘, das füge keinem Anderen zu“.

Eines unter mehreren Prodkuten dieser Philosophie der sog. westlichen Welt sind die Flüchtlinge, die im Elend leben müssen, damit es uns wohlergeht.

Ob der Beitrag von Prof.Lessenich dazu beiträgt, daß diejenigen, die sich in unserer Gesellschaft wohlfühlen, es sind ja nicht alle, irgend wann bereit sein könnten, über sich und ihr Motto “ Was Du willsst, das man Dir tu`, das füge keinem Anderen zu“, also über das was er m.E. zutreffend Externilasierungsgesellschaft nennt, selbstkritisch und folgenreich nachzudenken, ist unwahrscheinlich.

Ebenso unwahrscheinlcih ist es allerdings auch, daß dieses System der Externlasierungsgesellschaft dieses Jahrhundert überleben kann.
– Das Elend in der sog. Dritten Welt, u.a.unmittelbar vor den süd-, südosteuropäischen Grenzen der EU, wird zu Flüchtlingsströmen führen müssen, die weder durch Mauern und Zäune noch durch den Einsatz von Militär aufzuhalten sind – “ unaufhaltsame Folgen der Externalisierung
-Die innerhalb der sog. westlichen Staaten.stetig wachsende Kluft zwischen immer weniger Menschen, die sich selbst noch bescheinigen werden, daß es ihnen gut geht, und der stetig wachsende Zahl der Menschen, die sich von einem guten Leben immer rascher und immer gravierender entfernen , wird das derzeitige Ordnungssystem der sog. westlichen Staaten zerrütten -unaufhaltsame Folgen der Externalisierung, also eines Prozesses der Verdrängung / der Auslagerung einer Problematik aus dem Denken und Handeln derjenigen, die iin Gesellschaft und Staat zielbestimmend sind.
“ Was interessieren mich Andere, solange es mir gut geht“.“
Das kann nicht gutgehen, wenn zu den Anderen irgend wann neunzehntel der Bürger eines Landes zählen werden.

Ich habe den Artikel von Prof.Lessenich in der SZ, wie unter – 4- angesprochen, nicht erwähnt, um konkret etwas zum Umgang mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik zu sagen, sondern um mit Hilfe der Überlegungen, der Ideen von Prof.Lessenich, die er u.a. in dem erwähnten Artikel formuliert, gedanklich eine Annäherung “ an die Wurzleln des Übels“ zu versuchen; nicht mehr und nicht weniger. Insofern -also nicht primär mit Blick auf die Lösung konkreter und aktueller Flüchtlingsprobleme- bleibe ich dabei, daß der Artikel von Prof.Lessenich ein „guter Beitrag“ für eine „gute Diskussion“ ist -sh.meine Bemerkung unter -9-, ich könnte auch sagen, er ist eine hervorragende Basis für einen Diskurs im Sinne von Habermas: „Diskurs = Schauplatz rationaler Kommunikation.

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