„Es kann nicht darum gehen, dass der Rettungsdienst eine spezielle Ausbildung im Bereich Selbstverteidigung bekommt“

Peter Kuschmierz Foto: Stefan Laurin


Ich wurde gefragt, ob ich einen Artikel über die Sylvester Gewalttaten schreiben möchte. Laut Aussagen der Berliner Polizei waren neben den 145 festgenommenen zwei Drittel Deutsche, daneben 18 verschiedene Nationalitäten. Darf man in die Tiefe gehen und nachfragen, wieviel der Deutschen einen Migrationshintergrund besitzen? Wohl nicht. Ich würde sagen die Mehrheit! Von unserem Gastautor Peter Kuschmierz.

Soll ich das Thema als Soziologe, als Mediator für Asylbewerberunterkünfte oder als Spezialist für Deeskalation, Gewaltprävention und Selbstverteidigung angehen? Ich versuche einmal alle Betrachtungen einfließen zu lassen. Spätestens nach Köln 2015 und der großartigen Idee von Frau Recker eine Armlänge Abstand zu einem Fremden zu halten, hat uns das „Sylvester – Phänomen“ jedes Jahr begleitet! Sylvester! Jedes Jahr das sind 2 – 4 Std. eskalierende Gewalt, jedes Jahr! Was aber ist mit der Zeit dazwischen, die anderen 346 Tage im Jahr? Ich arbeite seit langem im Bereich der Gewaltprävention und Eigensicherung mit Behörden, Krankenhäusern und Feuerwehren. Ich habe 2378 Feuerwehrleute/Rettungssanitäter geschult. Die Gewalt eskaliert an allen Ecken. In einer Stadt im Ruhrgebiet spricht man von einem Sozialäquator, wenn man die A 40 überqueren würde! Auf der einen Seite fährt kein RTW mehr ohne Polizeischutz in bestimmte Straßen. Wenn ich mir die Geschichten von Rettungskräften auf Seminaren schildern lasse, dann glaubt mir meine Frau kein Wort, wenn ich ihr das schildere. Früher wann anpöbeln und spucken „Gewalt“ heute ist ein Angriff mit einer Axt einem Messer durchaus Standard. In einem Klinikum im Ruhrgebiet wollen angehende Chirurgen hin, weil sie dort schöne Schusswaffen- und Stichverletzungen behandeln können, die ansonsten nur im Sanitätsdienst im Feld behandelt werden können! Wovon bitte sprechen wir! Von Sylvester, oder vom täglichen Einsatz, den die Rettungskräfte an manchen Stellen in Deutschland erleben „dürfen“.

Damit es an dieser Stelle klar wird! Alle diese Personen, die Rettungskräfte, Behördenmitarbeiter, Polizisten etc. angreifen, akzeptieren den deutschen Staat nicht, das gilt aber auch für Reichsbürger, in gewisser Weise auch für Coronaleugner, Rechts- und Linksradikale und radikalisierte salafistische Jugendliche.

Warum es so ist und wie man diesen Jugendlichen helfen kann ist nicht das Thema. Ich denke das hier der deutsche Staat mit aller Härte durchgreifen und klare Kante zeigen muss. Die Täter müssen beim Vornamen genannt werden, nicht nach Nationalität. Diese Sylvester Randalierer leben in einer Parallelwelt, die mit dem Grundgesetz und der Rechtsstaatlichkeit nichts gemeinsam haben. Das gleiche gilt für alle, jede Art von Gruppierung, die den Uniformträger für Ihren Misserfolg, für Ihre Arbeitslosigkeit, für Ihre Erfolglosigkeit Verantwortlich machen. Die Uniform ist für diesen Mob der Auslöser, sich „endlich“ an den ungerechten Staat rächen zu wollen.

Diesem Mob ist allem Gemein, dass alles, was eine Uniform trägt, gleichzeitig für Staat steht! Leider fallen da auch Helfer drunter, was für einen normal sozialisierten Menschen nicht zu verstehen ist. Die Jugendlichen mit deutschem Pass, sind jedoch in Ihrer Diaspora in ihrem Umfeld sozialisiert worden, sie leben immer noch in einer maskulinen und kollektivistischen Kultur innerhalb Deutschlands. Vergleiche hierzu die Kulturdimensionen von Hofstede, oder die High- Contex und Low- Context Kulturen von Hall und das ohne Chance. Ich arbeite zurzeit an einem Projekt: „Schulgericht“ an einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt: soziale und kommunikative Defizite in einem sozialen Brennpunkt, wobei der Migrationsanteil bei 80% liegt. Viele der Eltern der Kinder sprechen kein, oder fast kein Deutsch, obwohl sie seit Jahren in Deutschland leben. Kein Interesse an Integration, eigenen Diaspora in einem bestimmten Stadtteil. Warum sollen sich die Kinder integrieren?

Oder man denkt an etliche aus der 2. und 3. Generation der Einwandererkinder:

In Deutschland sind sie nicht angekommen, in ihrem Herkunftsland sind sie jedoch ebenfalls Fremde, werden nun von DITIP & Co. In Empfang genommen und vom Grundgesetzt und der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland entfremdet.

Wir benötigen eine gute Integration, gerade vor dem aktuellen Koalitionsvertrag, der einen Paradigmawechsel in der Migration- und Integrationspolitik fordert, und zwar direkt an der vordersten Front in den Asylbewerberunterkünften. Eine schnelle Integration, die durch Sprachkurse eingeleitet wird und mit einer gefundenen Arbeit weitergeführt werden muss.  Die Einbürgerungstestverordnung muss schneller und mit einer höheren Erfolgsquote durchgeführt werden. Das zum 01.01.2023 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren ist ein guter Schritt, siehe dazu Deutscher Bundestag, Drucksache 20/4327, 2022.

Ich habe insgesamt nun 15 Asylbewerberunterkünfte von Innen gesehen und mit den Mitarbeitern und Bewohnern gearbeitet. Neben den 145 Sylvester Randalieren, denen nicht mehr zu helfen sein wird, habe ich eine Vielzahl von Flüchtlingen kennengelernt, die sich schnell integrieren, die einen Hochschulabschluss in der Tasche haben, oder einen handwerklichen Beruf mitbringen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Einfach ist es nicht, Martinus ein römischer Offizier hat es auch zum Bischoff und heiligen St. Martin geschafft, warum nicht auch die Mediation in Asylbewerberunterkünfte innerhalb des Migration- und Integrationsgesetzes. Aber der Feuerwehrmann, die Rettungskräfte haben damit operativ nichts am Hut.

Es kann nicht darum gehen, dass der Rettungsdienst eine spezielle Ausbildung im Bereich Selbstverteidigung bekommt. Die Rettungskräfte müssen aber gezielt geschult werden, das bedeutet, das die Ausbildungen im Bereich der Gewaltprävention eine theoretische und praktische Ausbildung beinhalten muss. Darunter verstehe ich, das Erkennen von Täter/Opferprofilen, Gewaltspirale, nonverbale Kommunikation, interkulturelle Fähigkeiten, Distanztraining, Halt-Stopp Strategien, Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg, das Kommunikationsquadrat, Fragetechniken, Einfache Griffbefreiungen und ein Training unter Vollkontaktbedingungen anhand von typischen Einsatzszenarien.

In diesem Sinne. Die Hoffnung stirb zuletzt. Was aber seit Georg Simmel bekannt sein sollte, ist, dass der Asylsuchende als Wanderer gesehen wird, der nicht heute kommt und morgen geht, sondern der als der, der heute kommt und morgen bleibt.

Mehr zu diesem Thema:
Der Retter der Retter

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Simon Ilger
Admin
1 Jahr zuvor

Gibt es Evidenz für die zunehmende Gewalt gegen Rettungskräfte und zunehmende Anzahl von zu behandelnden Schuss- und Stichverletzungen im Ruhrgebiet? Mir ist keine bekannt und das deckt sich auch nicht mit meiner über zehn Jahre langen Erfahrung in Rettungsdienst und großen Kliniken in Marxloh und der Essener Innenstadt. Kurzum: ich halte das für anekdotisch und damit für populistischen Unsinn.
Und bitte: es heißt Silvester. Außerdem ist die Zahl von 145 schon seit einigen Tagen widerlegt.

Last edited 1 Jahr zuvor by Simon Ilger
Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
1 Jahr zuvor

Die Frage nach der Evidenz zu den Eindrücken des Autors ist etwas unsinnig.
Erst seit 2019 werden Messerangriffe statistisch von der Polizei gesondert erfasst. Vier Episoden sind zu wenig für eine Statistik jenseits märchenhafter Beliebigkeit. Dazu kommen die Coronajahre, die in jeder Kriminalstatistik ihre verzerrenden Spuren hinterlassen haben.

Was wir aus den bisherigen Erhebungen allerdings wissen ist, Täter mit Migrationshintergrund sind stark überproportional bei Messerangriffen vertreten. Es wird gerne versucht diesen Umstand weg zu diskutiere, indem auf die soziale Stellung der Täter hingewiesen wird. Nur ändert das wenig, wenn man umgekehrt einrechnet, wie sehr inzwischen diese Schicht von Migration geprägt ist. Dann sieht man einen Zirkelschluss.

Die Erfahrungen einer Freundin am Dortmunder Klinikum bestätigen hingegen die Eindrücke des Autors. Dies gilt auch für einige mir bekannte und befreundete Vorsitzende von Moscheevereinen meiner Heimatstadt, die zu Kriseninterventionen im Krkh herangezogen wurden.

Deutet die Negierung dessen, was zu schaffen ist (Merkel), auf einen gewissen Sozialchauvinismus oder Rassismus hin? Aus den USA ist Gleichgültigkeit etablierter Kreise gegenüber neuen Einwanderern bis hin zur Verweigerung rechtsstaatlichen Beistands bei Gewaltkriminalität als Ursprung organisierter Kriminalität gut dokumentiert.

Zu den Berliner Ereignissen kann man heute nur sagen, wer es genau zu wissen behauptet, lügt. Die öffentliche Debatte ist bislang von Gerüchten und Nebelkerzen aller Beteiligten geprägt.

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