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Serie: Wie esoterisch ist mein Gesundheitsministerium? Teil 15: Niedersachsen

Wappen Niedersachsens (Symbolbild. Wieso? Hier klicken) Grundlage: Buletten / Rainer Z / cc-by-sa

Im heutigen Teil unserer Serie „Wie esoterisch ist mein Gesundheitsministerium“ werfen wir einen Blick nach Rheinland-Pfalz. Zunächst. Denn dem geübten Betrachter fällt auf, dass das Pferdchen zur Linken im Wappen des Landes Niedersachsen prangt. Darum wird es hier gleich danach gehen. Wieso aber zuerst Rheinland-Pfalz?

Nun, letzte Woche schauten wir uns die Mainzer genauer an. Zum ersten Mal im Serienverlauf geschah es dann, dass ich nicht wusste, wieviel Globuli die „Antwort“ wert war – statt dessen wurdet ihr, unsere Leser gebeten, eure Einschätzung abzugeben. Über Twitter, Facebook und auch unter dem Artikel erreichten mich Anregungen.

Ich überlegte, wog ab, bedachte, grübelte und habe mich entschieden – die Esoterikwertung für Rheinland-Pfalz beträgt, tatatataaaaaaa, 9 Globuli! So, jetzt aber Niedersachen.

Die letzten vier Serienteile waren eine Durststrecke. Weder aus Rheinland-Pfalz, noch aus Hessen oder Schleswig-Holstein und auch nicht aus Bremen gab es einzelne Antworten zu unseren drei Fragen. In Niedersachsen ist dies anders? Wieso? Weil hier im klassischen Sinne eben nicht das Ministerium als politische, sondern als Fachbehörde antwortete. Die Antworten lagen nämlich schon Ende Januar vor, kurz nach der erfolgten Landtagswahl. Bei dieser kam es zu einem Regierungswechsel. Hatte davor eine schwarz-gelbe Koalition regiert, führte von nun an eine rot-grüne Koalition die Geschicke des Landes, das hier relevante Gesundheitsministerium wechselte von Aygül Özkan (CDU) zu Cornelia Rundt (SPD) – und genau in die Zeit des Wechsels fallen die Antworten aus Niedersachsen. Zwar versuchten wir – mit Mail vom 17. Juni – nochmals Stellungnahmen, diesmal von Frau Rundt als amtierender Gesundheitsministerin zu bekommen, doch unser Rufen verhallte im Walde.

Somit gilt für die nachfolgenden Antworten, was das Ministerium selbst im Januar erklärte:

 Die Antworten spiegeln die Meinung der fachlichen Experten unseres Hauses wieder.

Hier sitzen sie: die Gesundheitsexperten von Niedersachsen (Quelle: Wikipedia.de)
Hier sitzen sie: die Gesundheitsexperten von Niedersachsen
(Quelle: Wikipedia.de)

Heutiges Bundesland:
Niedersachsen

Es antworten:
Die Fachexperten

Parteibuch:
unbekannt

Die Bewertung:
Für jede Antwort werden 0 bis 5 Globuli vergeben. Je mehr Globuli, desto esoterischer das Gesundheitsministerium. Insgesamt können also 15 Globuli erreicht werden, wobei dies wohl nur der DHU erstrebenswert erscheinen dürfte.

1. Wie steht Ihr Ministerium zur Alternativmedizin? Sieht es darin “zu überwachende Quacksalberei” oder eine “gleichzuberechtigende Alternative zur Schulmedizin und Naturheilverfahren”?

Die Leistungen in der GKV umfassen ausdrücklich auch die sog. „Besonderen Therapierichtungen“ (z.B. Homöopathie, Phytotherapie, Anthroposophische Medizin). Allerdings müssen auch diese Methoden dem anerkannten Stand von medizinischer Wissenschaft und Forschung entsprechen.  Insofern trifft das Gesetz (§ 2 SGB V) hier eine – richtige – Grundentscheidung, wobei Wirksamkeitsnachweise nach allgemeingültigen Regeln auch seitens der Alternativmedizin zu erbringen sind. Es wird also nicht mit zweierlei Maß gemessen.
 
Eine Ausnahme gibt es allerdings  seit  dem  1.1.2012: Bei schulmedizinisch austherapierten Patienten mit einer lebensbedrohenden oder tödlichen Erkrankung entsteht ein Behandlungsanspruch auch für Methoden ohne wissenschaftlichen Nutzennachweis, sofern damit entfernte Aussicht auf Besserung besteht.

Für Arzneimittel der oben angesprochenen  Therapierichtungen gilt noch eine Besonderheit: Wegen ihrer besonderen Zusammensetzung und eines nach evidenzbasierten Kriterien der Schulmedizin nicht möglichen Wirksamkeitsnachweises muss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ihrer besonderen Wirkungsweise bei der Festlegung von Verordnungsausschlüssen Rechnung tragen.

Bewertung: 4 Globulus

 

2. Wie steht das Ministerium zur evidenzbasierten Medizin? Welche Rolle schreibt es allgemein empirischen Wirkbefunden zu?

In der GKV müssen Leistungen ausreichend, wirksam und zweckmäßig sein (§ 12 SGB V). Ist dies nicht der Fall, dürfen Krankenkassen sie nicht bezahlen; tun sie es doch, so haften sie dafür. Diese Grundsatznorm für das gesamte Leistungsrecht verdeutlicht, dass Wirksamkeit nicht nur behauptet, sondern auch nachgewiesen sein muss. Grundlage von Wirksamkeitsnachweisen sind evidenzbasierte Studien. Kann eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode (NuB) anhand solcher Studien ihre Wirksamkeit beweisen, so wird der Gemeisame Bundesausschuss (G-BA) auf Antrag Empfehlungen zum Einsatz und zu Qualifikationen der Behandler etc. aussprechen. Damit kann die Methode zu Lasten der Krankenkassen angewendet werden. Der G-BA darf das Verfahren nicht verschleppen. Tut er es doch, darf die NuB nach Ablauf bestimmter Fristen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden.

Die Erfahrung zeigt, dass ständig NuB auf den Markt kommen, wobei naturgemäß deren Wirksamkeit von ihren Erfindern /Erzeugern zunächst einmal behauptet wird.  Würde man alleine aufgrund solcher Behauptungen eine Erstattungspflicht der GKV  bejahen, degenerierten die Krankenkassen zum Dukatenesel.

Die Erfahrung zeigt, dass ständig NuB auf den Markt kommen, wobei naturgemäß deren Wirksamkeit von ihren Erfindern und Erzeugern zunächst einmal behauptet wird. Würde man alleine aufgrund solcher Behauptungen eine Erstattungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung einführen, würde dem Missbrauch des Systems Tür und Tor geöffnet. 

(Sic! – beide Absätze finden sich so in der Antwort. Beide fast gleich, aber doch mit unterschiedlichen Nuancen)

Insofern ist das oben geschilderte Verfahren zum Nutzennachweis aus fachlicher Sicht alternativlos. Dass dieses System aber nicht immer zum Nachteil der Alternativmedizin ausgehen muss, zeigen die deutschen Akupunkturstudien von 2002 bis 2007 (GERAC). Ihnen gelang ein evidenzbasierter Wirksamkeitsnachweis bei Akupunktur. Auf der Grundlage der GERAC-Studien entschied der G-BA, dass Akupunktur seit dem 1.1.2007 bei Rückenschmerzen und chronischen Gelenkschmerzen Teil der Kassenleistung ist.

Bewertung: 0 Globulus

 

3. Was empfiehlt das Ministerium in Fällen, in denen alternativmedizinische Vorstellungen diametral zu denen der Schulmedizin sind, bspw. im Bereich des Impfschutzes?

Das Niedersächsische Gesundheitsministerium veröffentlicht auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes regelmäßig Impfempfehlungen. Danach werden alle Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe nach den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut erteilten Empfehlungen öffentlich empfohlen.

Patienten sollten sich auf jeden Fall an Ihre Ärztinnen und Ärzte wenden und sich von ihnen beraten lassen.

Bewertung: 1 Globulus

 

Soweit die Antworten aus Niedersachsen.
Wir kommen auf eine Esoterikwertung von 5 Globuli.

 

Erläuterungen

Es ist so eine Sache mit Expertenantworten, v.a. wenn die Experten aus dem öffentlichen Dienst kommen. Denn Expertise heisst dann zwar einerseits, dass sehr gewissenhaft und sehr umfänglich eine Frage beantwortet wird, darunter aber schonmal die Verständlichkeit leiden kann. Genau dafür gibt es dann in einem Ministerium die Pressestelle, die das Ganze auf eine möglichst prägnante Formel bringen – und mit der politischen Attitüde des jeweiligen Ministers würzt. Letzteres ist in Niedersachsen, wie beschrieben, entfallen – leider ab auch ein wenig die Sache mit der Prägnanz. Nähern wir uns trotzdem den Antworten an, und versuchen dabei nicht ganz so detailliert zu werden.

Die Ausführungen zu der ersten Frage starten gut. Mit dem ersten Satz. Denn der zweite Satz hat es in sich: „Allerdings müssen auch diese Methoden dem anerkannten Stand von medizinischer Wissenschaft und Forschung entsprechen.“ Äh, wie bitte? Das wäre toll. Das wäre wünschenswert. Aber so ist es nicht. Denn im „Binnenkonsens“ ist festgelegt, dass de facto die Homöopathen selbst entscheiden, ob Homoöpathie wirkt – und eben nicht die anerkannte Wissenschaft, denn nach dieser kann Homöopathie überhaupt keine Wirkung entfalten – es ist chemisch schlicht unmöglich. Dies scheint man eigentlich auch in Hannover zu wissen, denn zum Ende führt man hinsichtlich Zuckerkügelchen und Phytotherapie aus, dass wegen „ihrer besonderen Zusammensetzung und eines nach evidenzbasierten Kriterien der Schulmedizin nicht möglichen Wirksamkeitsnachweises (…) der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ihrer besonderen Wirkungsweise bei der Festlegung von Verordnungsausschlüssen Rechnung tragen (muss).“ Dies ist eben jener Binnenkonsens, der sagt: weil Du der Naturwissenschaft widersprichst, musst Du Dich auch nicht dem Realitätsabgleich stellen. Die Antwort ist in Gänze eine Nebelwand, die gezielt gelegt wurde, um es sich hier mit keiner Seite zu verprellen. Das mag den DZVhÄ erfreuen, uns nicht!

Ganz anders da die Antwort auf Frage zwei. Völlig stringent wird der evidenzbasierten Medizin (ebM) das Wort geredet, samt der absolut zutreffenden Einschätzung, dass die „Erfahrung zeigt, dass ständig NuB auf den Markt kommen, wobei naturgemäß deren Wirksamkeit von ihren Erfindern /Erzeugern zunächst einmal behauptet wird.  Würde man alleine aufgrund solcher Behauptungen eine Erstattungspflicht der GKV  bejahen, degenerierten die Krankenkassen zum Dukatenesel.“ Und abschließend wird die ebM als „alternativlos“ bezeichnet (und auch hier versucht, ein wenig versöhnlich mit der Zulassung der Akupunktur zu winken. Die Befundlage stellt sich zwar nicht ganz so positiv dar, aber auf einen Strafglobulus wurde hier trotzdem verzichtet.)

Auch die Antwort zur Impffrage gefällt größtenteils. Das Bekenntnis zur STIKO des RKI sollte eigentlich selbstverständlich sein – nur Eso-Barbara weicht hiervon massiv ab. Den Wermutsglobulus gibt es dann aber doch. Denn ein Hinweis darauf, wie wichtig die individuelle Impfung sein kann, den haben wir bei anderen doch schon besser gelesen – und von Fachexperten deutlicher erwartet als von Politikern.

 

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