
Der aktuelle KI-Boom gilt als eine der größten technologischen Investitionswellen seit dem Internetzeitalter. Vor allem große US-Technologiekonzerne investieren dreistellige Milliardensummen in Rechenzentren, Chips, Strominfrastruktur und Software. Diese Entwicklung weckt Hoffnungen – aber auch große Sorgen vor einer Börsenblase, die abstürzen könnte und dann einen großen Scherbenhaufen hinterlässt.
Das enorme wirtschaftliche Potenzial von Künstlicher Intelligenz ist derzeit in aller Munde. Denn KI kann Prozesse automatisieren, die Forschung beschleunigen, neue Geschäftsmodelle ermöglichen und ganze Branchen effizienter machen – von der Industrie über den Gesundheitssektor bis hin zu Dienstleistungen. Gelingt es den Unternehmen, KI dauerhaft in profitable Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen, könnten die heutigen Investitionen langfristig gerechtfertigt sein. Historisch gesehen haben große technologische Umbrüche – etwa Elektrifizierung oder das Internet – zunächst hohe Kosten verursacht, bevor sie breite wirtschaftliche Erträge lieferten. In diesem Szenario wäre der aktuelle Investitionsboom kein gefährliches Glücksspiel, sondern eine notwendige Vorleistung für künftiges Wachstum. Ein erheblicher Teil dieser Ausgaben wird nicht mehr allein aus dem laufenden Geschäft finanziert, sondern zunehmend über Kredite, Anleihen und alternative Finanzierungsformen.
Das impliziert erhebliche Risiken, denn viele KI-Investitionen basieren auf sehr optimistischen Annahmen über zukünftige Umsätze. Aber die konkreten Erträge dazu sind bislang noch sehr überschaubar. Wenn sich herausstellen sollte, dass KI langsamer, teurer oder weniger skalierbar ist als erwartet, könnten die aufgenommenen Schulden zur Belastung werden. Steigende Zinsen verschärfen dieses Risiko zusätzlich, da die Finanzierungskosten zunehmen. In einem solchen Umfeld könnten Unternehmen gezwungen sein, Investitionen zurück zu fahren, Vermögenswerte abzuschreiben oder Personal abzubauen – was sich dann negativ auf die dazugehörigen Aktienkurse auswirken würde.
Viele Risiken stehen Chancen gegenüber
Besonders kritisch ist die Konzentration der Risiken. Große Tech-Konzerne dominieren sowohl die KI-Entwicklung als auch wichtige Aktienindizes. Kommt es bei diesen Unternehmen zu einer deutlichen Neubewertung, könnte dies den gesamten Markt mit nach unten ziehen, selbst wenn andere Branchen fundamental stabil bleiben. Parallelen zur Dot-com-Blase Anfang der Nuller Jahre liegen nahe: Auch damals trafen technologische Durchbrüche auf überhöhte Erwartungen und führten nach dem Platzen der Blase zu massiven Kursverlusten – allerdings ohne das Finanzsystem insgesamt zu zerstören. Ein systemischer Börsen- oder Finanzcrash kreist derzeit nicht am Horizont, er ist aber auch nicht ausgeschlossen. Anders als bei der Überhitzung der dotcom Blase liegen die Risiken derzeit weniger bei Banken und Hypotheken, sondern stärker bei Unternehmensbilanzen und an den Kapitalmärkten.
Wahrscheinlicher als ein plötzlicher Zusammenbruch ist eine Phase erhöhter Volatilität: Kurs-Korrekturen werden erwartet und es wird eine stärkere Unterscheidung zwischen tragfähigen Geschäftsmodellen und spekulativen Wetten geben. Unterm Strich steht der KI-Boom derzeit an einem kritischen Punkt. Er bietet große wirtschaftliche Chancen, ist aber zunehmend von Fremdkapital, hohen Bewertungen und Erwartungen abhängig. Ob daraus nachhaltiges Wachstum oder eine schmerzhafte Marktbereinigung entsteht, hängt davon ab, wie schnell und verlässlich KI reale Gewinne liefern kann. Für Anleger und die Gesamtwirtschaft gilt daher: KI ist derzeit keine Cashcow mit dicken Erlösen, noch eine Hokus-Pokus-Lawine, die den Aktienmarkt im Todestempo zerschellen lässt. Es ist und bleibt ein Hochrisiko-Transformationsprozess mit offenem Ausgang.
