Genossendämmerung

Wie verliert eine Partei eigentlich die Macht in einer Stadt?  Die SPD und ihre Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz zeigen in Bochum wie es geht. 

Eigentlich zählte Bochum nicht zu den spannenden Städten bei der Kommunwahl am 30. August. Wie in Gelsenkirchen, Duisburg oder Hamm schien klar, dass die Amtsinhaberin, Ottilie Scholz (SPD) locker die Wahl gewinnen würde. Der CDU-Herausforderer, Lothar Gräfingholt, war selbst in der eigenen Partei nicht unumstritten und galt eher Verlegenheitskandidat denn als Hoffnungsträger. Schon vor fünf Jahren, als Scholz noch keinen Amtsbonus besaß, hatte er gegen die resolute ehemalige Kämmerin der Stadt den Kürzeren gezogen und nichts deutete daruf hin, dass es diesmal anders werden würde.

"Sechs Wochen vor der Kommunalwahl ist alles wieder offen" kommentiert heute WAZ-Redakteur Rolf Hartmann im Bochumer Lokalteil und die Bild fragt hämisch "Ist die Stadt Bochum der größte Saftladen Deutschlands?" Die Frage ist berechtigt. Bochum hat in den vergangenen Monaten eine beeindruckende Pannenserie hingelegt: 
– Die Loveparade mußte abgesagt werden – eine bundesweite Blamage
– Die Stadt ist pleite und muß künftig pro Jahr an die 100 Millionen Euro einsparen.
– Für einen geplatzten Cross-Border-Deal muss Bochum Anleihen für  90 Millionen. Euro kaufen und als eine Art Kaution abtreten.
– Der  Stadt droht wegen weggeworfener Nachweise für Fördermittel und falsch verwendeter Gelder eine Rückzahlung von Fördermitteln in zweistelliger Millionenhöhe. Die Unterlagen sollen 1998 noch vorhanden gewesen sein.

Und nun für alle Kommunalpolitiker da draussen, die wissen wollen wie man möglichst sicher seine Mehrheiten verliert: Ihr glaubt die  Situation der SPD in Bochum und ihrer Oberbürgermeisterin ist schlimm und kann nicht noch schlimmer kommen? Doch, die Bochumer Sozialdemokraten legen noch eins drauf: Anstatt Konsequenzen im Skandal um die verschwundenen Fördermittelnachweise zu fordern und Selbskritik zu üben, wird die Sache erst einmal runterspielt. In der Bild erklärt der Vize-Fraktiionschef, das  Schlampereien in allen Städten vorkommen und es in Bochum nicht schlimmer sei als in anderen Kommunen. Das wird die Bürger beruhigen – zumal bei einer Bagatellsumme wie 28 Millionen, die im schlimmsten Fall aus der Stadtkasse fällig werden – realistisch ist allerdings eien deutlich niedrigere Summe. Und was macht die OB? Sie äussert sich überhaupt nicht und erklärt auf ihrem ersten Wahlkampfvideo, dass in Bochum mit Opel und Nokia ein paar Sachen schief gelaufen seien, die Weltwirtschaftskrise aber zu bewältigen ist. Und die Stadt haut erst einmal auf die Presse ein und erklärt die Berichterstattung für überzogen: "Die Veröffentlichungen sind unsachlich und grob wertend. Sie informieren die  Öffentlichkeit nicht umfassend. Sie werden in ihrer Qualität und Ausrichtung weder dem Verfahrensstand noch Sachverhalt gerecht!"  Nun soll erst einmal der Sachverhalt ausgiebig geprüft werden – und das Ergebnis der Prüfung wohl am liebsten nach der Wahl veröffentlich werden.  

Mit dieser Verschleierungstaktik, mit diesem Spiel auf Zeit könnte der SPD das nahezu unmöglich gelingen: Die Kommunalwahl auf den letzten Metern zu verlieren.

Danke an Jens vom Pottblog für die Zusendung der Bild-Artikel, die er
im Beitrag "Weder Online first noch "Online last" bei der BILD Ruhrgebiet erwähnt.

Mehr zu dem Thema:

Bo-Alternativ: Presseschelte der Stadt

Seit verschlungen Millionen

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15 Jahre zuvor

Kommunalwahl 2009: Ottilie Scholz (SPD) dominiert Bochum…

Das bald1 Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen ist, erkennt man inzwischen auch wieder am Straßenbild, da die einzelnen Parteien so langsam aber sicher anfangen zu plakatieren.
So dominiert inzwischen Dr. Ottilie Scholz (SPD), die Oberbürgerme…

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[…] der hier weiss datt umso bessa (GUGGMA). Unn irgendwie hatt der ja recht, ne, aber den anderen, den vonne Schwatten aus Bochumm, will ich […]

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