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Grenzwerte für die Öffentlichkeit – eine unsinnige Debatte

Auf den Landtagsfluren in Düsseldorf wurde heute viel über die Zukunft des NRW-Umweltministers Eckhard Uhlenberg (CDU) diskutiert. Es ging um den verschwiegenen Rheinalarm und die Gründe für diese Informationspleite. Im Kern brachten die Lobby-Flüsterer folgende Argumentation vor:

Der Rheinalarm habe verschwiegen werden können, weil zwar der Alarmwert überschritten worden sei, aber nicht der im Rhein gültig Grenzwert für 1,2 Dichlorbenzol. Das sagte unter anderem der Pressesprecher des Ministers vor Journalisten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Pressesprecher das bestreitet.

Nun helfen Sachkenntnis und Details weiter.

Fakt ist: Der Rheinalarm wurde am 25. März ausgelöst, weil an der Meßstation nahe der holländischen Grenze 16 Mikrogramm Gift je Liter Rheinwasser gemessen wurden.

Nach den Abkommen der Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) müssen ab drei Mikrogramm je Liter die Anrainer und die Wasserwerke informiert werden, damit geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.

Wie die Öffentlichkeit unterrichtet werden muss, steht den Staaten frei.

Das Ministerium argumentiert nun, es sei seit Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) geübte Praxis, nicht bei jedem Rheinalarm die Menschen zu unterrichten, sondern nur bei Warnungen, die die Grenzwerte überschreiten. So habe auch Höhn über hunderte Rheinalarme nicht berichtet.

Gut, es ist jedem überlassen diesen Politik-Stil zu beurteilen.

Ich will hier auf folgenden Punkt hinaus: Nach Auskunft des Landesumweltamtes gibt es keinen gesetzlich festgelegten Grenzwert, der diesen Namen trägt für 1,2 Dichlorbenzol.

Es gebe nur einen Zielwert, oder ein so genanntes Qualitätsziel, der oder das durch die Gewässerqualitätsverordnung festgelegt werde. Dieser Wert liegt bei 10 Mikrogramm je Liter Rheinwasser.

In der wissenschaftlichen Debatte wird dieser Zielwert übrigens als Grenzwert definiert.

Wichtig ist aber folgendes: Der Zielwert wurde bei dem verschwiegenen Rheinalarm weit überschritten. Nach der Argumentation des Ministeriums hätte also die Öffentlichkeit unverzüglich unterrichtet werden müssen.

Dann aber, so heißt es aus dem Landesumweltamt, gebe es noch einen "No-Effects-Wert". Dieser Wert bezeichne die Grenze, ab der es Auswirkungen auf die Biologie im Rhein gebe. Wie hoch der sei, konnte das Amt nicht unverzüglich mitteilen. Dieser Wert werde nachgeliefert. Er liege aber über das fünfhundert- bis tausendfache über dem Qualitätsziel. Und dieser Wert sei im aktuellen Fall nicht überschritten worden.

An dieser Stelle spielt das auch keine Rolle. Wenn das Ministerium meint, nur dann müsse die Öffentlichkeit unterrichtet werden, wenn der "No-Effects-Wert" bei einem Chemieunfall überschritten sei, dann ist das zynisch.

Denn wenn der "No-Effects-Wert" überschritten ist, beginnt das Leben im Rhein zu sterben. Dann ist es für eine Warnung zu spät.

Um ehrlich zu sein, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass das Ministerium mit der Todesgrenze für etliche Organismen, den "No-Effects-Wert", argumentiert, wenn es um einen verschwiegenen Rheinalarm geht.

Dann aber ist die Aussage, die heute in den Fluren des Landtages kolportiert wurde, unsinnig, die Öffentlichkeit habe nicht informiert werden müssen, weil der Grenzwert nicht überschritten worden sei.

Ich bin gespannt, wie der Minister morgen im Landtag versucht, seine Pannen zu erklären.

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