Grün, sauber, falsch – das China-Bild der Deutschen

Kernkraftwerk Haiyang Foto: WPTO Lizenz: CC BY-SA 4.0


China baut Plug-in-Hybride, Kohlekraftwerke und Kernreaktoren – und dominiert trotzdem den Markt für Solarpanels und Windräder.
Während Deutschland auf reine Lehren setzt und an Technologieverboten bastelt, kombiniert China pragmatisch, was funktioniert. Ein Text über Mobilitätsmythen, mediale Wunschbilder – und die Realität eines Landes, das wirtschaftlich denkt, nicht ideologisch. Von unserem Gastautor Carsten Seifert.

In deutschen Medien ist China ein Zukunftsversprechen: Hightech, Tempo, Transformation. Wenn es um Energie und Mobilität geht, gilt das Land als elektrifizierter Vorreiter in eine emissionsfreie Zukunft. Deutsche Politiker träumen davon, China in puncto Elektromobilität oder Erneuerbaren-Ausbau nachzueifern.

Nur: Diese Erzählung ist eine Mär. Sie ist falsch – und zwar doppelt.

Elektroautos: Der Mythos vom reinen Strom

Zunächst zur Mobilität: China wird in deutschen Berichten gerne als Land der E-Autos gefeiert. Stimmt ja auch – jedenfalls teilweise. BYD, Nio, Xpeng, Zeekr, Geely – das klingt alles nach Tesla in Groß. Doch wer genau hinsieht, erkennt: Rein batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs) sind längst nicht mehr die reine Lehre.

Tatsächlich setzt China zunehmend auf Plug-in-Hybride, also Fahrzeuge mit E-Motor und zusätzlichem Verbrenner. Warum? Ganz einfach: Sie verkaufen sich besser, lassen sich gewinnbringender exportieren (vor allem in Länder mit Zollbarrieren gegen BEVs), und sie lösen ganz nebenbei das Problem der mangelhaften Ladeinfrastruktur in vielen Teilen des Landes. Insbesondere im ländlichen Westen ist das Schnellladenetz dünn ausgebaut. Dort sind Plug-in-Hybride für Pendler, Landwirte und Gewerbetreibende schlicht die praktischere Lösung.

BYD verkaufte 2024 rund 4,3 Millionen Fahrzeuge, über 60 % davon mit Hybridantrieb. Und auch bei Zeekr, als reine E-Marke gestartet, vollzieht sich gerade der Kurswechsel: Der neue Zeekr 9X wird ein Plug-in. Die elektrische Reichweite beträgt 380 km, danach springt der Verbrenner an.

Während also in China Technologie pragmatisch kombiniert wird, glaubt man hierzulande oft an die reine Lehre: BEV oder nichts.

Kohle bleibt König – auch wenn niemand darüber spricht

Der Teil, den deutsche Medien auch gerne weglassen: China setzt nicht nur massiv auf Windräder und PV, sondern baut auch jede Menge Kohlekraftwerke (übrigens nicht nur im Land selbst, sondern auch im Ausland, siehe Afrika). 2023 wurden 106 GW neue Kohlekraftwerke genehmigt, das sind etwa zwei neue Großkraftwerke pro Woche. Obwohl einige neue Großkraftwerke ältere, kleinere ersetzen, handelt es sich um einen Netto-Zubau – die Gesamtkapazität steigt. Die zusätzlichen Kapazitäten sollen das diversifizierte chinesische Energiesystem widerstandsfähig und wachstumsfähig halten – gerade für systemrelevante, energieintensive Industrien wie Stahl, Zement und Aluminium. China setzt weiter auch auf Kohle, weil sie verlässlich, günstig und systemrelevant ist.

Und dann ist da noch die Kernkraft

Während Deutschland 2023 die letzten AKWs abschaltete, baut China neue – und das im Akkord. Aktuell befinden sich dort 55 Reaktoren in Betrieb, rund 30 Reaktoren im Bau, mehr als 40 weitere sind konkret in Planung. Langfristig will China bis 2035 über 150 neue Reaktoren ans Netz bringen – deutlich mehr, als in ganz Europa je liefen. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass China diese Pläne umsetzt. Der Grund: Versorgungssicherheit, Grundlast und eine Strategie, die das Klima ernst nimmt, die Ziele zu „Netto-Null“ aber nicht naiv verfolgt.

Die deutsche Wahrnehmungslücke

In Medien, Parteiprogrammen und politischen Debatten kommt all das so gut wie nie vor – es passt einfach nicht ins erwünschte Bild. Hier herrscht der Glaube vor, dass China längst vollständig auf „grünen Strom“ umstellt, dass der Verbrennungsmotor dort ausstirbt und Kohle nur noch in Museen vorkommt.

Jeder Hinweis auf die Realität, dass neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch Kohle und Kernkraft massiv ausgebaut werden und es einen eindeutigen Trend zu Hybridfahrzeugen gibt, wird hier schnell als rückständig diskreditiert. „Lobbyismus“-Geraune gehört dabei zum Empörungsritual wie die Dackelkrawatte zum Gauland.

Dabei wäre gerade der Blick auf China eine Chance: zu verstehen, dass Transformation nicht ideologisch, sondern pragmatisch funktioniert. Dass es um einen Energiemix geht – nicht um Wunschdenken. Und dass eine Übergangstechnologie wie der Plug-in-Hybrid kein Teufelswerk ist, sondern schlicht eine markttaugliche Antwort auf reale Herausforderungen.

Aber Deutschland will lieber träumen

China ist nicht klimafreundlicher oder transparenter – und schon gar nicht demokratisch. Aber es ist ehrlicher in seiner Strategie: Wachstum geht vor Ideologie. Energiemix statt Dogma. Ergebnisorientiert statt moralisierend.

Während Deutschland sich mit Technologieverboten, Subventionsschleifen und ideologischen Gräben selbst blockiert, verliert es systematisch an industrieller Wettbewerbsfähigkeit. China hingegen setzt auf Breite, Effizienz und Exportfähigkeit – wirtschaftlich statt dogmatisch.

Vielleicht wäre es mal an der Zeit, nicht nur über das zu sprechen, was man hierzulande gerne von China glauben möchte – sondern über das, was China tatsächlich tut.

Aber wer will schon eine unbequeme Realität, wenn man an einer schönen Geschichte festhalten kann?

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hase12
hase12
5 Monate zuvor

Das hier beschriebene Chinabild lässt eigentlich nur einen Schluss zu, nämlich, dass China besser ist als Amerika. Oder anders formuliert: Jede Diktatur, genauer gesagt, jedes Wunschbild über die chinesische Diktatur ist besser als die transparente, wenn auch natürlich nicht fehlerfreie amerikanische Demokratie. Offenbar haben also nicht wenige Medien in Deutschland ein grundsätzliches Problem mit unserer westlich-freiheitlichen Lebensform. Dies ist – gelinde gesagt – zutiefst beunruhigend!

paule t.
paule t.
5 Monate zuvor

Ich frage mich, ob die fehlerhafte Mär nicht primär darin besteht, wie denn angeblich das China-Bild der deutschen Medien sei. Sprich, ob dieser Artikel nicht möglicherweise einen Strohmann abfackelt.

Dass China ein Wirtschafts- und auch Industriewachstum um fast jeden Preis verfolgt, ist mir jedenfalls nicht neu. Die Frage ist aber, ob ein weit entwickeltes Land wie Deutschland sich wirklich ein Land wie China zum Vorbild nehmen sollte, das trotz riesiger Fortschritte in den letzten Jahrzehnten immer noch damit beschäftigt ist, diese Entwicklung für weite Teile des Landes nachzuholen.

Und interessant bei dem Thema ist doch auf alle Fälle, dass auch China, dass mit allen Mitteln seine Energieversorgung verbessern will und dabei primär auf die Kosten schaut – den allergrößten Teil seiner Investitionen in erneuerbare Energuen steckt. (Auch wenn der Artikel das kleinzureden versucht.)

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