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I love you, Daddy

„I love you, Daddy“

Nicht nur der unfreiwilligen Metaebenen wegen, die der #metoo-Skandal um Louis C.K. seinem neuen Film nachträglich verliehen hat, ist „I love you, Daddy“ die sicherlich sehenswerteste amerikanische (Nicht-)Veröffentlichung der vergangen Jahre. Dass jedoch C.K., wie er selber zugegeben hat, beim konsensualen Wichsen vor Kolleginnen, nicht jedes Mal berücksichtigte, welche Macht er über sie haben könnte und dass darum seine Produktionen momentan nicht mehr gezeigt werden, ist der Komik und dem Tiefgang eines Filmes, der immerhin von der Beziehung eines jungen Mädchens zu einem erfolgreichen, fast 70-jährigen Filmemacher handelt, keineswegs abträglich; In der Szene ihres Kennenlernens beantwortet er ihr, die gerade erst vom Springbreaken aus Florida zurück ist, fundiert und sehr geduldig, welche feministischen Strömungen und Theorien dieser Tage populär sind und wo die Akteure seines Erachtens jeweils ihre Punkte haben. Mercedes Nabert

Indessen selbst in einer der Hauptrollen spielt Louis C.K., in den 123 Minuten schwarz-weißer Spielzeit, die Rolle des besorgten Vaters der jungen China Topher (ihrerseits verkörpert von Chloe Grace Moretz), der auf der einen Seite wahrhaftig nicht gut „nein“ sagen kann, andererseits starke, paternalistische Anwandlungen entwickelt, sobald er von jener unausgeglichenen Verbindung zu Leslie Goodwin (John Malkowich) erfährt. Ganz zentral arbeitet der Plot sich also an den Fragen ab, wo sexuelle Befreiung und Selbstbestimmung anfangen, pueriler Narzissmus und Naivität aufhören, ob es eine neutrale Mitte gibt – und an welcher Stelle Daddy ein Machtwort sprechen muss oder darf oder soll. Angemessener und dankenswerter Weise bleiben sie alle unbeantwortet.

In mehreren Sequenzen werden zusätzlich die Selbstverständlichkeit von ausgelebter Parthenophilie bei erfolgreichen Männern und das vermeintlich bestehende Denkverbot von Missbrauchsfällen in ihren Kreisen thematisiert. Und obwohl Louis C.K. auch als Glen Topher wieder einmal als der große Verlierer erscheint, geht am Ende kein einziger der Beteiligten in irgendeiner weise als Gewinner hervor. Nicht die verzogene Göre, nicht der dekadente alte Sack und ganz sicher auch nicht die Schauspielerin, die sich nur deshalb von Topher unter Vertrag nehmen lassen hat, um mit ihrem Idol intim sein zu können. Mit all diesen gängigen Rollenklischees wird freilich vielmehr kokettiert, als sie kritiklos zu bedienen; in peinlich berührender und schier endloser Übertreibung sind sie es, die die Handlung tragen. Auch dieser Umstand macht „I love you, Daddy“ zu einer ebenso hinreißenden, wie absurden und dennoch ganz sicher nicht banalen Erzählung, die dramaturgisch tadellos umgesetzt wurde.

Wiewohl keiner der Charaktere für sich stehend sonderlich tief ist und vielleicht gerade weil – entsprechend C.K.s Gewohnheit – der moralische Zeigerfinger meist zwischen irgend jemandes Beinen vergraben ist, ist ein nicht nur auf skurrile Art ästhetischer und stellenweise erotischer, sondern auch einfühlsamer und gar zum Nachdenken anregender Streifen entstanden, der sowohl Freud, als auch meinen Vater mit Sicherheit lange beschäftigt hätte.

Eine elegante und alles andere als sexistische Provokation an manche in ihrer Denkschule festgefahrene Feministin, ein entschiedenes Widerwort auch gegenüber der Position, dass sexuelle Offenheit schon per se gleich Empowerment sei, eine seichte Diskursverschiebung – all dies könnte man in das Werk hineininterpretieren. Doch in Wahrheit wird eine nachgerade vollständig durchpolitisierte Besprechung desselben, vor dem Hintergrund, dass Louis C.K. zuvorderst Comedian ist, ihm womöglich gar nicht gerecht. Dass er heute nur noch so gesehen und diskutiert werden kann (selbst wenn Momente der Beichte oder Rechtfertigung sich bereits in ihm verbergen mögen) war nicht kalkuliert. Das geneigte Publikum von I love you, Daddy wird wohl oder übel begreifen müssen, dass das Leben nicht nur (angeblich) Autorin der besten Geschichten ist, sondern auch bisweilen ganz hervorragend in Drehbüchern herum zu pfuschen vermag, wenn man es lässt.

Anfang Dezember 2017 hat Louis C.K. die Rechte am Film wieder erstanden — ohne hierzu ein Statement abgegeben und ohne ihn öffentlich zugänglich gemacht zu haben. Er lebt weiter in Zurückgezogenenheit und wird dies wohl, wie angekündigt, noch eine Weile lang so halten: „erst einmal zuhören“. Schon einige Tage zuvor hat es allerdings einen Leak gegeben und in der Theorie wäre „I love you, Daddy“ somit illegal im Internet anzusehen. Für alle Heiligen unter seinen Fans bleibt der Status quo bis auf weiteres ein unschätzbarer Verlust – für’s Herz und die Möglichkeit, mitzureden. Mercedes Nabert

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