
Sie macht ihr Geld mit US-Immobilien, IT- und Pharmakonzernen, globalen Investmentfonds und möchte doch den Kapitalismus am liebsten zerschlagen sehen. Willkommen im Reich der Schöpflin-Stiftung, deren Ursprünge im Konsumerismus der Wirtschaftwunderjahre der Bundesrepublik liegen.
Egal, welche NGO man sich anschaut, die mit zumeist linksgrünen politischen Forderungen von sich reden macht, eines ist gewiss – unter den großzügigen Spendern ist einer fast immer mit dabei: die Schöpflin-Stiftung.
Gegründet wurde sie 2001 von Hans Schöpflin gemeinsam mit seinen Geschwistern Albert Schöpflin und Heidi Junghanss. Die Familie stammt aus Lörrach und baute das Versandhaus Schöpflin auf, das in seiner Blütezeit mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigte und bereits 1956 erstmals mehr als 100 Millionen D-Mark Umsatz machte. 1964 wurde es von Quelle übernommen.
Hans Schöpflin, 1941 geboren und ein Enkel des Gründers, ging danach in die USA und war dort Jahrzehnte als Unternehmer und Risikokapitalinvestor USA aktiv. Dort gründete er bereits eine erste Stiftung. Lag der Fokus zunächst auf Hilfe für Drogenabhängige (Schöpflins Sohn starb an einer Überdosis Heroin), wurde daraus der Wunsch, die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu ändern, denen Schöpflin eine gewisse Mitschuld gab. Der zweite Grund: Er wollte politische Polarisierungen wie in den USA in Deutschland verhindern.
Das Grundkapital der Schöpflin-Stiftung beträgt 100.000 Euro, aber sie erhält Jahr für Jahr rund zehn Millionen Euro aus Hans Schöpflins Family Office, das sein Vermögen verwaltet. Nach eigenen Angaben ist es primär im Gesundheits- und IT-Sektor, sowie in globalen Fonds und US-Immobilien investiert. Weitere Einnahmen der Stiftung stammen aus öffentlichen Förderungen für operative Einrichtungen (z. B. die Villa Schöpflin) und gelegentlichen Spenden oder Erbschaften. Die Stiftung ist nicht abhängig von Spenden Dritter, akzeptiert aber thematisch passende Zuwendungen von außerhalb.
Themen und Ziele
Die Stiftung verfolgt laut ihrer Satzung den Zweck, „kritische Bewusstseinsbildung, eine lebendige Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft“ zu fördern, und zwar in vier Programmbereichen: Infrastruktur & Beziehung, Lernen & Partizipation, Wirtschaft & Demokratie sowie „Schöpflin Biotop“. NGOs werden vor allem in den Bereichen Infrastruktur & Beziehung bzw. Wirtschaft & Demokratie gefördert. Insgesamt werden schätzungsweise 40 bis 50 NGOs, gemeinnützige GmbHs und Projekte gefördert. Zuletzt sind noch die Journalismusförderung (Publix) und der Flow Fund hinzugekommen, der „demokratische Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Ostdeutschland“ stärken soll. Zudem gibt es Einrichtungen wie die Villa Schöpflin (Fokus: Suchtprävention), den Werkraum Schöpflin (Fokus: Kultur- und Debatten) und die Schöpflin Schule (Neues Grundschulmodell).
Im Gegensatz zu anderen Stiftungen betreibt die Schöpflin-Stiftung keine antragsbasierte Förderung, sondern sucht sich die Projekte, die sie fördern will, selbst aus und spricht die Verantwortlichen an. Ein Kriterium ist nach eigenen Angaben die „Bereitschaft zu systemischem Wandel“. Wie der aussehen soll, beschreibt die Stiftung so: „Global von einer ausbeuterischen, wachstumsfixierten Wirtschaftsform zu einer regenerativen Art des Wirtschaftens zu wechseln, ist die Herausforderung unserer Zeit.“ Gefördert werden „Backbone-Organisationen“, also NGOs, „die im Sinne von »Lobby for Good« gezielt Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit für die Interessen zivilgesellschaftlicher Akteur:innen leisten.“ Zudem sind Förderungen in der Regel institutionell, das heißt die geförderten Einrichtungen werden kontinuierlich unterstützt.
Intransparente Förderung
Wer alles Geld bekommt, darüber schweigt die Stiftung sich aus. Jahres- oder Transparenzberichte oder eine Liste der Zuwendungsempfänger sucht man auf der Webseite vergebens. Dort finden sich nur eine wenig aussagekräftige Bilanz von 2024 sowie die Portraits einiger ausgewählter Spendenempfänger. Zwar ist die Stiftung Mitglied der „Initiative transparente Zivilgesellschaft“, die nach eigenen Angaben „vollständige Transparenz“ über die Geldströme der „Zivilgesellschaft“ bereitstellt, aber auch dort finden sich neben der Bilanz nur Sätze in schönstem Marketing-Deutsch: „Wir investieren in Menschen“… engagieren uns für „kritische Bewusstseinsbildung, eine lebendige Demokratie sowie eine vielfältige Gesellschaft“.
Sucht man im Netz, findet sich eine lange Liste von teilweise umstrittenen Organisationen, die die Schöpflin-Stiftung zu ihren Förderern zählen dürfen: der Verein Mehr Demokratie, Algorithm Watch, Correctiv, Finanzwende, Foodwatch, Lobby Control und dessen Ableger rebalance now, das European Center for Constitutional and Human Rights ECCHR, die europäische Kampagnenplattform We Move sowie das Project Together, um nur einige zu nennen. Wo die Stiftung politisch steht, zeigen wohl am besten ihre Investitionen in das Zentrum für politische Schönheit. Nach eigenen Angaben ist es ein Zusammenschluss von mehr als 100 Künstlern mit dem Ziel, durch künstlerische Interventionen auf humanitäre Themen und den Schutz von Menschenleben aufmerksam zu machen. Andere sehen im Zentrum eher eine linksextreme bis linksradikale Veranstaltung, die immer wieder durch hoch umstrittene Guerilla-Aktionen auffällt und primär vom Ego ihres Anführers Philipp Ruch lebt.
Auch dem Haltungsjournalismus ist die Schöpflin-Stiftung sehr zugetan. Schöpflin unterstützte Correctiv (nach eigenen Angaben ein „gemeinwohlorientiertes Medienhaus“) von Anfang an, weil er sich Sorgen um „die unabhängige Meinungsbildung und die Demokratie“ in Deutschland machte. In einem Interview bekräftigte er 2024, Correctiv für mindestens drei weitere Jahre fördern zu wollen. Correctiv entwickelte auch die Idee eines Journalismus, in den „die NGO-Community mit eingebunden“ ist: „David Schraven [der Gründer von Correctiv] kam dann auf mich zu mit einem Konzept für ein Zentrum für gemeinnützigen Journalismus.“
Dann kam die Diskussion um das Freihandelsabkommen TTIP. Die aus Schöpflins Sicht „mangelhafte Berichterstattung“ der deutschen Medien darüber gab für ihn den Ausschlag, aktiv zu werden. Schöpflin gründete die Publix gGmbH, kaufte eine Grundstück in Berlin und errichtete ein sechsgeschossiges Gebäude mit ca. 4.000 Quadratmetern Nutzfläche. Diese „Schokoladenfabrik des Journalismus“ entstand in Neukölln: „Wir haben uns ganz bewusst für diesen Standort in Neukölln entschieden. Die ganze Kulturvielfalt; hier ist es unfertig, hier reibt man sich. Heute sage ich: Wir hätten überhaupt keinen besseren Standort finden können.“ Im Publix-Haus treffen journalistische Organisationen mit eindeutiger politischer Ausrichtung wie Correctiv, Investigate Europe, Wikimedia oder das Netzwerk Recherche auf NGOs wie Reporter ohne Grenzen, Tactical Tech und unterschiedliche Bildungs- und Forschungsinitiativen sowie Fördereinrichtungen. Anzutreffen ist vor Ort auch die Deutsche Postcode-Lotterie (ebenfalls eine emsige NGO-Unterstützerin) oder der Wort und Bild Verlag, dessen bekannteste Publikation die Apotheken-Umschau ist.
Den NGOs und Medienvertretern stehen Veranstaltungs- und Meetingräume, Gästezimmer sowie hochmoderne Video- und Tonstudios inklusive Studiopersonal zur Verfügung. Für Freelancer, die nur zeitweise dort arbeiten wollen, gibt es einen Co-Working-Space. Mindestens 25 Mio. Euro hat die Schöpflin-Stiftung in Publix investiert. Der Jahresetat soll größtenteils aus Mieteinnahmen finanziert werden, den Rest will die Schöpflin-Stiftung dazugeben. Die Kosten pro Arbeitsplatz betragen nach Publix-Angaben 250 bis 500 Euro pro Monat.
Doch während die Schöpflin-Stiftung „werbefinanzierten Journalismus“ als „nicht mehr tragfähig“ ansieht und stattdessen den „gemeinnützigen Journalismus“ als nachhaltigeres Modell für eine unabhängige Medienlandschaft sieht, muss man doch konstatieren, dass es zumindest teilweise staatlich finanzierter Journalismus ist, der im Publix-Haus praktiziert wird. Schließlich hängen einige der dort ansässigen Journalismus-Projekte zumindest teilweise am Tropf von Steuergeldern.
Wer von Schöpflin gefördert wird, erhält mehr als nur Geld. Nach der Entscheidung, eine NGO zu fördern, arbeitet die Stiftung eng mit ihr zusammen. Sie bringt den NGOs Unternehmensführung und die Festlegung von Strukturen und Verantwortlichkeiten bei und unterstützt sie dabei, Wirksamkeit zu erzielen – schließlich müssen sie auf dem Markt für Aufmerksamkeit bestehen und Meinungsführerschaft erzielen. Schöpflin erklärt, diese Themen aus dem „unternehmerischen Handbuch“ seien NGOs normalerweise fremd. „Wir bringen diese Kernfragen früh in die Förderung ein und helfen, wenn es Schwierigkeiten zu überwinden gilt.“ Es gibt Coaching, Hilfe bei der Ausarbeitung von Strategieprozessen, der Bildung einer neuen Organisationsstruktur oder der Internationalisierung der NGO. Um noch mehr Wirksamkeit zu erzielen, ist es ein ANligene der Stiftung, NGOs miteinander zu vernetzen und Allianzen zu bilden – auch mit anderen Stiftungen – durch Studien, Netzwerkveranstaltungen und Kollaborationen. So wird die Entwicklung von ganzen Themenfeldern vorangebracht, um ein Thema unter mehreren Aspekten bearbeiten zu können.
Halten wir fest: Der Stifter, der ein Großteil seines Vermögens mit den Gewinnen von IT-Riesen und anderen Konzernen verdient – und zwar so viel, dass er davon Jahr für Jahr zehn Millionen Euro für seine Stiftung abzweigen kann –, hält sich mit diesem Geld einen Zoo von Initiativen, die sich die Abschaffung eben dieser Geldquellen zum Ziel gesetzt haben. Verstehen muss man das nicht – ebenso wenig wie die Bereitschaft der „eat-the-rich“-Initiativen, die sich von eben den Reichen aushalten lassen, die sie ansonsten am liebsten „erschießen“ oder „für nützliche Arbeit“ einsetzen würden.
Der Beitrag erschien in ähnlicher Form bereits auf Transparente Demokratie
