
„Medien – eine selbsternannte Vierte Gewalt am Scheideweg“, hieß es jüngst beim Politischen Forum Ruhr, und die Diskussionsrunde hatte ein seltenes Glück: Denn einer Teilnehmerin, der Journalistin Julia Ruhs, war just an jenem 16. September eröffnet worden, dass der NDR künftig auf ihre Dienste verzichten will. Dem Sender waren die Themen und Thesen des von Ruhs moderierten Magazins „Klar“ ganz offensichtlich nicht links genug, allen Intendanten-Sonntagsreden über mehr journalistische Vielfalt zum Trotz. Der Ball lag also auf dem Elfmeterpunkt, doch was Diskussionsmoderator Tom Buhrow dann in der Essener Philharmonie daraus machte, war äußerst dünn.
Eines der Zukunftsthemen des Journalismus ist die politische Schlagseite der meisten Medien, insbesondere im öffentlich-rechtlichen Sektor. Anders als manche glauben, hängt dies weniger mit direkter parteipolitischer Einflussnahme zusammen. Entscheidend ist vielmehr, dass die journalistischen Akteure in ihrer großen Mehrheit auf der links-grünen Seite des politischen Spektrums angesiedelt sind, was übrigens keineswegs nur für die öffentlich-rechtlichen Sender gilt. Der Unterschied: NDR und Co. sind eigentlich per Programmauftrag zur Ausgewogenheit verpflichtet, was angesichts der Gebührenfinanzierung im Grunde eine Selbstverständlichkeit ist.
Soweit die Theorie. Die Praxis hat nun auch Julia Ruhs zu spüren bekommen. Nicht einmal eine einzige Konservative hält der NDR in seinen Reihen aus, ohne dass Schockwellen der Empörung und letztlich erfolgreiche Intrigen durch den Sender wabern. Tom Buhrow, früher Intendant des WDR, erwähnte in seiner Moderation zwar Ruhs’ Ablösung. Doch statt die günstige Gelegenheit zu nutzen, um an diesem skandalösen Beispiel das Tendenz-Problem des deutschen Journalismus ausführlich zu thematisieren, zog Buhrow es vor, gut gelaunt einmal quer durch den Garten zu diskutieren, dabei manches zweifellos Wichtige anzustoßen, aber nichts wirklich erschöpfend zu besprechen.
Und die Diskussionsteilnehmer machten im Wesentlichen mit, darunter leider auch die 31-jährige Julia Ruhs, die möglicherweise noch zu sehr unter Schock stand, um in eigener Sache wenigstens ansatzweise Tacheles zu reden. Aber Buhrow wollte es eben so genau auch lieber nicht wissen. Aus leidvoller Erfahrung? In seinen letzten Jahren als WDR-Intendant hat Buhrow – jedenfalls laut diverser Interview-Bekundungen aus dem Jahr 2022 – das Problem selbst gesehen und manches versucht, um die politisch betonierten Strukturen im öffentlich-rechtlichen System aufzubrechen. Er scheiterte allerdings komplett. Nun, dann doch lieber gute Laune zum bösen Spiel.
Und so ging es munter querbeet über Chancen und Risiken der KI (Antenne-Bayern-Chefin Valerie Weber erwies sich hier als Expertin), recht viel „Opa erzählt aus dem Krieg“-Storys von Stefan Aust bis hin zu Stadt-Land-Unterschieden bei den Mediennutzern, über die sich NRZ-Politikchef Jan Jessen ausließ. Immerhin: Auch das an diesem Abend aus gegebenem Anlass mit Abstand spannendste Thema spielte eine gewisse Rolle.
Julia Ruhs berichtete, wie sehr Redaktionen in der Regel nach Herdentrieb-Gesichtspunkten funktionieren, dass es schwer sei, gegen die weit überwiegend links-grün gestrickten Kolleginnen und Kollegen eine andere Meinung zu vertreten und durchzuhalten. Man wolle sich schließlich ungern isolieren und mittags noch jemanden finden, der mit in die Kantine geht. „Jeder Mensch ist ein soziales Tier und möchte dazugehören“, fiel Valerie Weber dazu ein.
Nun soll besser nicht Journalist werden, wer nicht auch intellektuelle Einsamkeit aushält. Der Multipublizist Stefan Aust – früher unter anderem „Spiegel“-Chefredakteur – kennt das Thema. In seiner einführenden Rede riss er viele interessante Aspekte an, outete sich unter anderem als geschworener Feind jener mit Steuermitteln gepäppelten NGOs, die er mittlerweile als eigentliche vierte Macht im Staate Deutschland identifizierte und deren zahlreiche Akteure sich vieler Journalisten „zunehmend bedienen“ würden.
So ist es. Während früher Lobbyisten einen schlechten Ruf hatten und Journalisten tunlichst Abstand zu ihnen hielten oder zumindest so taten, hat sich das grundlegend geändert. Ob Klima, Soziales oder „Unsere Demokratie“ – die zu NGOs geadelten politischen Lobbyisten haben in vielen Redaktionen das Image, einfach nur das moralisch Gute und politisch Richtige zu wollen. Wer kann da schon Nein sagen. Journalisten, so Aust, sollten aufhören, sich als „Influencer“ und als willige Hilfstruppe politischer Aktivisten zu benehmen und sich wieder auf das besinnen, was Kern des Berufes sei: aufzuklären und kritisch gegenüber allem und jedem zu sein. Man möge „runterkommen vom hohen Podest“ auch moralischer Überhebung.
Schade war allerdings, dass Aust sich immer wieder in alten und etwas wichtigtuerischen Geschichten der Marke „Ich und der Kanzler, das waren noch Zeiten“ verhedderte. So wurde wertvolle Zeit verplempert. Manchmal genügte dem alten Strategen ein Nebensatz, um tief in den Wunden des Journalismus zu bohren. Etwa als er feststellte, weit vor kommentierenden, „geframten“ Berichten und anderen Unsitten sei entscheidend, was Journalisten überhaupt zum Thema machten – und vor allem was nicht. Dass zum Beispiel die Schattenseiten der ungesteuerten und illegalen Migration lange vollkommen tabuisiert wurden (und teils weiter werden), darf als ein entscheidender Grund für den Aufstieg der AfD gelten. Auch diesen Ball ließ Buhrow liegen.
Es war das Verdienst von Jan Jessen, der am Ende dann doch ein wenig Streit anfing mit Stefan Aust und so immerhin etwas Pfeffer in das überwiegend wohltemperierte Geplauder brachte. Der angesehene Kriegs- und Krisenreporter von Funke warf sich nicht nur für die NGOs in die Bresche („viele leisten gute Arbeit“), er mochte auch keinerlei politische Schlagseite bei den Medien erkennen, insbesondere nicht bei den Regionalmedien. Als ein Beleg diente ihm die Tatsache, dass er mit einem als „sehr konservativ“ betitelten Kollegen, der später lange die Essener WAZ-Lokalredaktion leitete, während der gemeinsamen Zeit in der NRZ-Politredaktion kontrovers, aber fruchtbar habe diskutieren können.
Ja, lieber Jan, das kann ich bestätigen, danke für die Blumen. Aber erstens ist das lange her. Und zweitens ist es heute noch mehr die Ausnahme, als es schon damals war.

Sehr geehrte Herr Stenglein
„Dem Sender waren die Themen und Thesen des von Ruhs moderierten Magazins „Klar“ ganz offensichtlich nicht links genug“
Können sie ihre Behauptung auch unterfüttern? In ihrem Text habe ich wenig davon gelesen. Ich weiß nicht, ob sie die Sendung von Fr. Ruhs gesehen haben. Aber als konservativer Mensch war ich erstaunt, dass der bayerische Rundfunk an der Person festhält. In der Sendung wurde das Thema Migration fast durchweg emotionalisiert. Also das genaue Gegenteil von Klar. Zählt Qualität nichts mehr? Beispielsweise wurde die, in meinen Augen, unsägliche Fr. Nitzard von den Grünen interviewt. Aber statt sie mit kritischen Fragen zu konfrontieren, wie sie das Land mit ihrer Ansicht zu Migration gestalten möchte, fragt Fr. Ruhs tatsächlich was die den Hinterbliebenen der Opfer von Anschlägen sagen würde. Das ist doch das dümmste was man fragen kann. Was soll die Grüne denn bitte darauf antworten? Welche Antwort wird erwartet, die zu einer Erkenntnis führen könnte? Es gibt ja bereits viele Beiträge zur Frage der Migration, da kann doch selbst eine Anfängerin wie Fr. Ruhs mehr Niveau herstellen als nur Emotionen zu erzeugen, die nichts beitragen. Der eigentliche Skandal, den auch sie nicht zu erkennen scheinen (auch wenn sie sich mit dem Elfmeter weit aus dem Fenster lehnen), ist doch das Fehlen des Gespürs für Qualität. Was sind gute Fragen? Was heißt der Begriff Berichterstattung? Was heißt kontrovers und kritisch über ein Thema zu berichten? Was heißt der Begriff „Klar“?
Ich sehne mich nach der Zeit zurück wo konservativ nicht bedeutet hat, dass man sofort emotional losschreit. Ich sehne mich nach der Zeit zurück in der konservativ noch ein gewisser Stolz innewohnte. Stolz darauf zu wissen was zu den Werten gehört. Werte wie Freiheit, Beruf und Pflichtbewusstsein. Alles Werte die in den Handlungen von Fr. Ruhs nicht erkennbar sind, weswegen sie auch hat nicht merkt wie lächerlich sie sich macht, wenn sie in der Bewertung ihrer Entlassung Armutszeugnis schreibt. Aber von Reflexion ist bei ihr vermutlich auch wenig zu erwarten.
Ich hoffe bei ihnen mehr, denn es wäre doch sehr schade, würde der Begriff konservativ von Leuten wie Ruhs vereinnahmt werden können.
Herzliche Grüße
Hr Funk
Wem nutzt dieser Rauswurf einer möglicherweisen rechten Journalistin? Den ÖRR sicher, ganz sicher nicht. Er befeuert im Gegenteil die, die die ÖRR lieber gestern als heute aufgelöst sehen wollen.
Vor allem wurde Ruhs ja gar nicht rausgeworfen.
Erst hat Ruhs auf dem Ticket, dass sie eine Konservative ist, die Moderation ja überhaupt erst bekommen. Ob das tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal ist? Fraglich, aber jedenfalls haben andere Journalisten im ÖRR den Anstand, ihren parteipolitischen Standort nicht so vor sich herzutragen. Aber mit dem Vorwurf der Einseitigkeit an ihren Arbeitgeber hat sie, die ganz offen politisch einseitig auftritt, jedenfalls ihre Karriere befördert.
Dann wurde ihr die Moderation zur Hälfte (nämlich die vom NDR verantwortete Hälfte) wieder weggenommen, nicht wegen politischer, sondern wegen Qualitätsvorwürfen. (Wobei es bei der Einführung einer neuen Sendung mW nicht so ungewöhnlich ist, dass es da Veränderungen gibt.) Aber sie münzt es in einen „Rauswurf“ aus politischen Gründen um, obwohl sie bei der anderen Hälfte der Sendungen ja genau so weitermacht und die künftige andere Moderatorin ziemlich offensichtlich um keinen Deut weniger konservativ ist.
Sie bringt also das Kunststück fertig, gleichzeitig explizit als Konservative Karriere zu machen, sich in der Opferrolle zu suhlen und ihren Arbeitgeber zu beschimpfen und dadurch ihre Bekanntheit zu steigern. Das alles ist doch ein einziges Schmierenthater, das seinen Höhepunkt darin findet, dass konservative Politiker das Ganze zum Anlass nehmen, ganz offen zu versuchen, in die Programmgestaltung einzugreifen, und sich ausgerechnet bei diesem Eingriff als Verteidiger der Pressefreiheit aufzuspielen.