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Lässige Bakterien II: Bdellovibrio bacteriovorus


Das bakterienfressende, egelgleiche Stäbchenbakterium. Von unserem Gastautor Ludger Weß. Der Text stammt aus seinem neuen Buch „Winzig, zäh und zahlreich – Ein Bakterienatlas. 

Bdellovibrio bacteriovorus, das bakterienfressende, egelgleiche Stäbchenbakterium, ist der Raubfisch unter den Bakterien. Es jagt in Süß- und Salzwasser Bakterien wie E. coli, Salmonella oder Pseudomonas, in- dem es sie rammt, aufbohrt und sich sodann von ihnen ernährt. Anders als der Name suggeriert, saugt es seine Beute aber weder aus, noch zerfleischt es sie wie ein Hai. Es heftet sich mithilfe von Pili an seine Opfer und ätzt durch Enzyme ein Loch in die Zellwand. Innen angekommen, verschließt es die Lücke und sorgt dafür, dass sein Wirt die Zellwand von innen rundum verstärkt. Der verformt sich dabei zu einer Kugel. Diese hermetische Abriegelung dient vermutlich dazu, das Austreten von Nährstoffen zu verhindern, wenn B. bacteriovorus sein Zerstörungswerk beginnt.

Es verbleibt im Zwischenraum zwischen Zellwand und Zell-membran der infizierten Zelle, verliert seine Geißel und bildet Enzyme, die die Zellmembran des Wirts durchlässig machen und seine Bestandteile verdauen. Hinzu kommen Transportproteine, die die Nährstoffe ins eigene Zellinnere befördern.

Dabei geht der Parasit so gründlich vor, dass Forscher bislang im Genom von B. bacteriovorus keine Gene finden konnten, die von Wirten stammen – vom Genom der befallenen Bakterien bleibt nichts erhalten. Während das Zellinnere des Wirts mehr und mehr schrumpft, wächst B. bacteriovorus zu einem Zylinder oder Schlauch heran, der sich schließlich mehrfach teilt. Nach einer Reifungsphase, bei der sich neue Geißeln bilden, lösen die neuen Bakterien die Zellwand ihrer Wirtszelle von innen her auf und machen sich ihrerseits auf die Jagd nach neuen Opfern. Deren Schicksal ist schnell besiegelt: Ein kompletter Zyklus von der Infektion bis zur Freisetzung dauert nur drei bis vier Stunden. Je nach Größe der Wirtszelle können dabei drei bis sechs, in manchen Fällen auch bis zu neunzig neue B.-bacteriovorus-Zellen entstehen.

Bei seiner Jagd entwickelt das Bakterium erstaunliche Geschwindigkeiten: Mit bis zu 160 Mikrometer pro Sekunde kann es in einer Sekunde das mehr als Hundertfache seiner Körperlänge zurücklegen – um vergleichbar schnell zu sein, müsste ein 1 Meter 80 großer Mensch eine Geschwindigkeit von mehr als 650 Kilometer pro Stunde erreichen. Möglich macht das eine für ein Bakterium ungewöhnlich dicke Geißel mit einer speziell gekrümmten Form. B. bacteriovorus scheint nicht auf chemische Reize zu reagieren, die von potenziellen Opfern aus- gehen, sondern ist auf Zufallstreffer angewiesen.

Seine Fähigkeit zur Zerstörung von Bakterien, zu denen zahlreiche Krankheitserreger zählen, macht es für therapeutische Zwecke interessant. Versuche an Geflügelküken, die zuvor mit Salmonellen infiziert wurden, zeigten, dass eine Verabreichung von B. bacteriovorus über den Schnabel zu einer deutli- chen Reduktion des Salmonellenbefalls führte. Es könnte aber auch zur Bekämpfung von Bakterien in Biofilmen, von bakteriellen Infektionen im Mund und Rachenraum, Darminfektionen usw. angewandt werden.

Das bakterienfressende, egelgleiche Stäbchenbakterium wurde 1962 von dem deutschen Mikrobiologen Heinz Stolp entdeckt. Es findet sich in Salz-, Süß- und Brackwasser, in Abwässern und Wasserleitungen, im Boden und an Pflanzenwurzeln, aber auch im Darm von manchen Tieren.

Form: ausschwärmende Zellen ähneln einem leicht gekrümmten Stäbchen (das vordere Ende ist leicht abgeplattet)
Länge: 0,75bis1,2Mikrometer
Breite: 0,3bis0,4Mikrometer

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Wolfgang Heeren
Wolfgang Heeren
3 Jahre zuvor

Hallo !

Vielen Dank für die schönen Beiträge.
Ihre Webseite werde ich gerne wiederbesuchen.

Bleiben Sie gesund und machen Sie bitte weiter so.

Mit freundlichen Grüßen

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