Mehr als Kohle und Stahl: Křetínský ist auch an einem der spannendsten Medienprojekte Europa beteiligt

Cover von Franc Tireur


Der tschechische Unternehmer Daniel Křetínský ist an einem der spannendsten Medienprojekte Europa beteiligt.

In den vergangenen Monaten sorgte der tschechische Unternehmer Daniel Křetínský auch im Ruhrgebiet immer wieder für Schlagzeilen. Er wollte von den Stadtwerken den Energiekonzern Steag übernehmen und wurde dabei von der RAG-Stiftung unterstützt. Den Zuschlag erhielt dann aber das spanische Infrastruktur-Investmentunternehmen Asterion Industrial Partners. Nun ist er dabei, 50 Prozent von Thyssenkrupp-Steel zu übernehmen. Sowohl die Steag als auch Thyssenkrupp-Steel passen gut in Křetínskýs Portfolio, hat er doch bereits die Lausitzer Braunkohlesparte des Energiekonzerns Vattenfall einschließlich Kraftwerken und Tagebauen übernommen.

Weniger bekannt ist, dass der „tschechische Milliardär“, wie ihn Redner auf IG-Metall-Kundgebungen gerne nennen, auch im Medienbereich als Unternehmer aktiv ist. In Tschechien ist er über Czech Media Invest (CMI) an Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern beteiligt und zeitweise gehörte ihm die traditionsreiche französische Tageszeitung Le Monde. Doch Křetínský ist auch Besitzer einer außergewöhnlichen Wochenzeitung, das mit nichts vergleichbar ist, das zurzeit in Deutschland erscheint: Franc Tireur.

Der Name verweist auf französische Partisanen, die im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und den beiden Weltkriegen gegen die deutschen Besatzer kämpften. Zugleich war es der Name einer von Jean-Pierre Lévy während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg geleiteten illegalen Zeitung, die aus Diskussionsgruppen von Liberalen, Sozialisten und Kommunisten hervorging. Franc Tireur ist eine Debattenzeitung. Sein Slogan lautet: „Die Vernunft ist ein Kampf. Es streitet für intellektuelle Freiräume. In Frankreich nahm der Unsinn der Postmoderne durch Philosophen in den 60er Jahren zu, bevor er in den USA Anfang des Jahrhunderts zu einem Wahnsinn eskalierte. Er brachte in den vergangenen gut zehn Jahren den woken Aktivismus hervor, der unter anderem für die antisemitische Welle verantwortlich ist, die in Amerika, ausgehend von den Elite-Universitäten, immer weitere Teile der Gesellschaft erfasst hat. Mittlerweile sind 60 Prozent der jungen Amerikaner der Überzeugung, dass der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres gerechtfertigt sei.

In Frankreich sieht es nicht anders aus. Die liberale und aufgeklärte Republik wird nicht nur durch den Aufstieg von Marine Le Pens Rassemblement National bedroht, sondern auch vom Islamo-Gauchisme, dem immer engeren Zusammengehen einer postmodernen und antiimperialistischen Linken mit Islamisten, die den Antisemitismus im Land hat explodieren lassen. Gegen all diese unterschiedlichen reaktionären Ideologien hält Franc Tireur. Die Wochenzeitung ist der Aufklärung verpflichtet. Franc Tireur wurde 2021 von Caroline Fourest und Raphaël Enthoven gegründet. Caroline Fourest hat 2020 in ihrem Essay „Generation Beleidigt“ vor dem wachsenden Einfluss linker Identitärer gewarnt. Vergleichbare Bücher sind in Deutschland erst im Laufe dieses Jahres erschienen. Weitere Autoren von Franc Tireur sind Emma-Kate Symons (The Atlantic, Foreign Policy), der Essayist David Medioni, die Schriftstellerin Tristane Banon und der Regisseur Michaël Prazan („Hitler-Stalin, der Kampf der Tyrannen“). Ein Magazin wie Franc Tireur ist ganz gewiss keine Goldgrube. Wer sich wie Křetínský eine solche Publikation leistet, tut es aus Überzeugung, hat eine politische Agenda. Im Fall von Franc Tireur ist es die Verteidigung von Aufklärung und Demokratie.

Die  Zeitung stellt sich gegen Rassemblement National, begrüßt den Tod des iranischen Diktators Ebrahim Raisi, der im Mai bei einem Hubschrauberunglück ums Leben kam, bezeichnet das Erstarken der deutschen Rechten als „Wiederkehr der Pest“ und schreibt über den Einfluss der Hamas auf die aktuellen antisemitischen Studentenproteste. Risikolos ist so etwas nicht, man gerät schnell in das Sperrfeuer der Kritik. Deutsche Unternehmer meiden so etwas, werfen sich vor pubertierenden Klimaaktivisten in den Staub oder beweisen mit Kampagnen gegen die AfD, die natürlich begrüßenswert sind, ihre Anschlussfähigkeit an die großen Linien hierzulande geführter Debatten. Aber darüber hinaus Stellung gegen Islamismus, Antisemitismus und Identitätspolitik zu beziehen ist ihre Sache in der Regel nicht, da bleibt man lieber in der Deckung. Křetínský scheint da anders zu sein und hebt sich von der Riege der Manager des Ruhrgebiets ab.

 

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