Nach Erdogans Referendum wird es endlich Zeit, die Integrationsdebatte vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Recep Tayyip Erdogan Foto: swiss-image.ch/Photo by E.T. Studhalter Lizenz: CC BY-SA 2.0

Nein, nicht jeder der in einer Demokratie lebt muss sie auch mögen. Sie kann ihm sogar erheblich gegen den Strich gehen. Das ist die besondere Freiheit dieses politischen Systems. Sie lässt, im Gegensatz zu einer Diktatur, auch ihren Gegnern die Freiheit, nach ihren antidemokratischen Werten zu leben. Das gilt besonders für die Menschen, die aus anderen politischen und sozialen Kulturen in ihr einwandern. Sie haben in ihr, wie alle anderen, das Recht auch ihre Traditionen und Einstellungen zu bewahren, sofern sie nicht den Gesetzen widersprechen.

Eine sonstige kulturelle oder soziale Pflicht zur Integration, geschweige denn zur Assimilation sieht keine demokratische Verfassung irgendwo vor. Auch in Deutschland nicht. Diesbezüglich darf hier jeder so desintegriert sein wie er will. Er oder Sie muss sich weder zur dominanten Religion bekehren lassen noch mit denen verkehren, deren Lebenswandel der eigenen nicht angemessen, ja sogar für sie als schädlich erscheint. Die Kinder haben zwar in Deutschland die Pflicht zur Schule zu gehen, aber deswegen herrschen, wie für alle anderen auch, zuhause immer noch die Werte und Erziehungsziele der Eltern und das auch, wenn sie denen der Schule diametral entgegenstehen.

Wer sich dagegen kulturell und sozial integrieren will, der kann das ohne Wenn und Aber tun. Was natürlich nur auf Basis der Mehrheitssprache geht und dann auch nur, wenn man sich der Mehrheitskultur und ihren Werten öffnet. Wer dagegen durch sein Verhalten und sonstige Symbole permanent demonstriert, dass er das aber eigentlich nicht will, kann nicht erwarten, dass sich sofort alle Türen für ihn öffnen. Willkommen wird man nur geheißen, wenn man auch im wahrsten Sinne des Wortes die Hand zum Gruße reicht.

Wem dann immer noch die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, der darf sich dann auch zu Recht als diskriminiert ansehen. Ein Opfer ist er dann allerdings noch lange nicht, denn auch andere haben das Recht auf Skepsis und Vorsicht gegenüber dem, was sie nicht kennen und nicht einschätzen können. Interkulturelle Interaktion ist nirgendwo ein Zuckerschlecken. Erst recht nicht, wenn man dabei zugleich in ökonomischen und soziale Konkurrenz miteinander tritt. Integration ist immer auch ein Kampf um Anerkennung und Aufstieg der auch Misserfolge, ja die völlige Niederlage bedeuten kann. Von der Bitternis und den psychischen Wunden der Ablehnung und Diskriminierung ganz zu schweigen.

Wer diesen Kampf nicht führen will und sich stattdessen auf seinem Opferstatus ausruht, der kann sehr wohl der Mehrheitsgesellschaft eine Mitverantwortung zuschieben. Die Hauptverantwortung trägt er jedoch immer noch selbst. Wer nicht auf der Flucht vor Verfolgung und Krieg ist, der ist aus eigenen Stücken immigriert, selbst wenn er angeworben wurde. Es ist deswegen seine und nur seine Entscheidung sich zu integrieren, egal ob er willkommen geheißen wird oder nicht. Danach erst lässt sich sinnvoll über das reden, was das Einwanderungsland für die Zuwanderer tun kann, die zur Integration bereit sind. Erst dann findet man auch individuelle und kollektive Bündnispartner.

Wer jedoch auf Dauer nicht bereit ist, seine mitgebrachten Werte und Traditionen zu verändern oder anzupassen, der bleibt nicht gezwungenermaßen sondern freiwillig unter sich. Der will, wenn überhaupt, im eigenen Milieu erfolgreich sein. Der wohnt nicht mit seinen Leuten Tür an Tür weil er woanders nicht die Miete bezahlen kann, sondern weil er nur in dieser sozialen und kulturellen Abgeschlossenheit seine Traditionen ungestört leben und bewahren und seine Anpassungsleistungen auf das Notwendigste begrenzen kann, egal welche Integrationshilfen ihm geboten werden.

Der wird sein Recht auf Nichtintegration im Ernstfall sogar gegen die politische und moralische Übergriffigkeit der Integrationsverpflichter jeder Couleur verteidigen, bzw. alle demokratischen Rechte ausnutzen und sich politisch organisieren, um sich vor ihnen zu schützen. Was sollte dieser Mensch auch sonst tun. Es geht um die Bewahrung seiner Identität, sei sie für die Mehrheitsgesellschaft noch so unverständlich oder sogar gefährlich. Er wird statt des Kampfes um Integration den Kampf um die Bewahrung seiner Kultur und seiner Werte führen, und das mit all seiner Energie und ganz unabhängig von seiner Bildung uns seiner sozialen und ökonomischen Position.

Alles in allem ist das aber erst einmal nicht mehr und nicht weniger als eine typische soziopolitische und kulturelle Enklave, wie sie es in vielen Einwanderungsländern gibt. Manche ihrer Mitglieder passen sich äußerlich sogar perfekt an und führen ihr diesbezügliches Ghettoleben als Doppelleben, manche stehen in offener und aggressiver Ablehnung zur Mehrheitsgesellschaft, die meisten liegen irgendwo dazwischen. Für alle Menschen die sich ihnen zugehörig fühlen gilt jedoch: Man erreicht sie weder mit Reden, Kümmern oder Entgegenkommen. Nicht einmal der Zwang des Gesetzes beeindruckt sie nachhaltig.

Bei faschistischen Strukturen führt dies allerdings über kurz oder lang unausweichlich zum politischen Eklat, und genau von denen muss bei Teilen der deutsch-türkischen Erdogan Fans und AKP Mitglieder schon seit längerem ausgegangen werden. Eine politische Tatsache die allerdings sowohl bei den Willkommensbefürwortern im bürgerlichen Lager als auch bei der antifaschistischen deutschen Linken vorrangig zum Weghören und Wegschauen geführt hat. Deswegen kann man Erdogan für sein Referendum in gewisser Weise sogar dankbar sein, hat er es diesen Leuten durch seine klaren antidemokratischen Aussagen weiteres Schönreden verunmöglicht.

Das gilt auch für die Vertreter der Türkischen Community, die die antidemokratischen Tendenzen des Islam immer wieder klein geredet haben. Auch sie müssen sich nicht nur bedrückenden Zahlen stellen, sondern den offensichtlichen innerdemokratischen Mängeln innerhalb der gesamten deutsch-türkischen Community. Denn Intoleranz, Erpressung und Drohung, Hasspredigten und Denunziation waren schon vorher ein Teil von ihr. So sehr jede kulturelle Enklave schütze und wärmt, so sehr kontrolliert, bevormundet und unterdrückt es eben auch in ihrem Ghettocharakter. Erst recht wenn sie die Form einer religiösen Sekte annimmt.

Es ist an der Zeit der Wahrheit ins Auge zu sehen, das aber ohne zu dramatisieren. 71% der Wahlberechtigten haben sich nämlich nicht vor den Karren des neuen osmanischen Diktators und Islamofaschisten Erdogan spannen lassen. Trotz aller Repressionen durch seine deutschtürkischen Fans und ihren Helfershelfern in der Türkei haben sie sich per Abstimmung offen gegen ihn gestellt oder sich ganz rausgehalten. Zieht man davon noch die sich im türkisch-nationalen Teil ihrer doppelstaatlichen Identität beleidigten Protestwähler ab, dann bleibt ein, im Verhältnis zur Gesamtheit zwar harter, räumlich aber klar konzentrierter und durchaus übersichtlicher faschistoider Kern über.

Diese Menschen haben sich in ihren nationalen, religiösen und kulturellen Überlegenheitsgefühlen festgekrallt und fraternisieren nicht von ungefähr mit dem Islamofaschismus Erdogans. Das jedoch ohne die Vorteile der demokratischen Freiheit in Deutschland aufgeben zu wollen. Hier wählt man ganz pragmatisch sogar die Parteien, die die Freiheiten einer eigenen kulturellen Identität ganz besonders verteidigen und schützen und dabei gerne die Unfreiheit, die dadurch für andere produziert wird, übersehen. Sie wird vielmehr von ihren Vertretern gegen ihre Kritiker unter Schutz gestellt und dieser Vorgang auch noch als Antirassismus verkauft.

Das damit der Rassismus, die Frauenfeindlichkeit, der Antisemitismus und die Demokratieablehnung dieser „ewigen Einwanderer“ als quasi natürlich und damit als politisch unangreifbar definiert wird, ist ihnen offensichtlich egal. Das ist aber politisch genauso gefährlich wie das so unter Schutz gestellte Verhalten selbst. Stattdessen hat zu gelten, dass Nichtintegration eine zwar eigene Entscheidung ist, für die man dann aber auch den Preis zu zahlen hat. Der aber muss auch im vitalen Interesse der demokratischen Mehrheitsgesellschaft bei Faschisten besonders hoch sein, egal welcher Ethnie, Nation oder Religion sie angehören.

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ke
ke
7 Jahre zuvor

Ein sehr lesenswerter Artikel.

Wenn ich daran denke, dass auf dt. Boden erst vor nicht einmal 30 Jahren Meinungsfreiheit und viele demokratische Grundrechte überall durchgesetzt wurden, bin ich entsetzt, dass wohl auch viele Menschen, die hier zur Schule gehen und denen vermittelt worden sein muss, wie leicht Demokratie gefährdet ist und wie mühsam es ist sie aufzubauen, Menschen in anderen Ländern der Erde genau diese demokratischen Rechte entziehen, ohne selber davon betroffen zu sein.

Hier muss auch die Schule dringend aktiver und erfolgreicher werden.

Dass sich Antifaschismus für viele nur auf dt. rechte Parteien bezieht, die man definiert, ist bekannt.
Dass der Kampf gegen Rechts eine Marketing Show ist, da er ebenso auf ein zu enges Spektrum fokussiert ist, ist auch immer wieder erwähnt worden.

Eine große Baustelle ist das Verhältnis Kirche <-> Staat.
Erst heute gab es wieder Aussagen zur Leitkultur.
Aktuell habe ich den Eindruck, dass insbesondere die großen christlichen Kirchen religiösen Einfluss anderer Religionsgemeinschaften eher fördern, da sie bei verfassungskonformen Verhalten mit weniger Religionseinfluss auf Privilegien verzichten müssten.

Ich bin immer noch der Meinung, dass bspw. Glaubensgemeinschaften wie die Pastafaris insbesondere in Schulen helfen könnten, die Symbolik von Religionen auf eine andere Wahrnehmungsebe zu stellen.

Eine Religionsunterricht/Ethikunterricht, der alle wesentlichen Relgionen für alle beinhaltet, wäre hier auch hilfreich.

Tilleulenspiegel
Tilleulenspiegel
7 Jahre zuvor

In der Tat ein sprachlich-stilistisch flüssig geschriebener Beitrag.gut zu lesen

Dennoch bleibt eine gewisse Ratlosigkeit ob dieser Zustandsbeschreibung

Dass unter der türkischstämmigen Einwanderercommunity ein gewisser Teil streng religiös und konservativ orientiert ist, ist genauso lange bekannt wie die Tatsache, dass auch die Anhängerschaft der Grauen Wölfe zwar zahlenmäßig offiziell gering , in Wirklichkeit wohl erheblich größer ist Insofern ist hier eine Affinität mit Erdogan Politik naheliegend.

Möglicherweise spielen aber auch andere Gründe eine wichtige Rolle . Da ist zum einen die Auseinandersetzung mit der Kurden Situation. Hier präsentiert sich Erdogan als starker Mann, der Sicherheit zu garantieren scheint, in dem er sie PKK nun wieder hart brkämpf ungegen kurdische Parteien vorgeht und hiermit auch nun die vielen konservativ denkenden türkischstämmigen Menschen erreicht

Eine andere Ursache kann auch – und in diese Richtung hat Vossin seinem Beitrag auch argumentiert- in der über Jahrzehnte weirgehende Nichtanerkennung tprkischstämmiger Bürgerinnen und Bürger als gleichberechtigte Mitglieder dieser Gesellschaft. Sie erledigten die härtesten und gesunsheitsgeföhrdenden Jobs.wurden vielfach schlechter bezahlt und hatten obendrein nicht die gleichen Rechte, geschweige denn das Recht auf politische Teilhaber. Hierin waren türkischstämmigen Zuwanderer deutlich schlechter gestellt als Zuwanderer aus Staaten der jetzigen EU.

Am deutlichsten wurde das auch von offizieller Seite anhand der Rückkehrfordwrunf der Regierung Kohl oder auch im bundesweit hescteten hessischen Wahlkampf unter Koch
Gerade türkischstämmigen Menschen waren in Deutschland über Jahrzehnte schlecht behandelt- politisch, rechtlich uns zwischenmenschlich.

Dies ist auch der zweiten und dritten Generation dieser Gruppe nicht entgangen.

Insofern kann die Zustimmung des in Deutschland nicht sonderlich geschätzten Erdogan in der Tat auch eine Art Denkzettel odwr auch Rwtourkutsche für die Bundesrepublik, in der die größten Zustimmungsralten für Erdogan in ganz Europa zu verzeichnen waren., verstanden werden

Insgesamt ist zu beobachten, dass die geselksch5afzlichrn Chancen für türkischstämmige Einwohner peu 'a peu langsam steigen- und damit auch die Wut über die miserable Behandlung der Eltern und Großeltern in den vergangenen Jahrzehnten in gleichem Maße sukzessive schwinden wird.

Das zustimmende Ergebnis für Erdogan hierzulande schockiert-allerdings finde ich viel beachtlicher, dass es endlich immer mehr türkischstämmigen Menschen gelingt, hier beruflich und politisch in wichtigere Funktionen aufzusteigen.

Wir alkes wissen doch, dass die Grundlsgen beruflichem und gesellschaftlichem Erfolges auch stark in der Schule gelegt qerd2n- und das bubsesrepublikanusche Schularten schneidet gerade im Umgang mit Zuwanderern bis heute ziemlich schlecht ab.

Die These der individuellen Entscheisungsfreiheit, der Voss zu folgen scheint, ist allerdings nicht nur in Bezug auf Diskrominierungserfahringen und strukturelke Benachteiligungen von Zuwanderern aus Nicht-Eu-Staaten , sondern auch in Bezug auf andere gesellschaftlich und insbesondere finanziell schlecht gestellte Menschen ( sog."sozial Schwachee" deutlich widerlegt
Wir müssen-so glaube ich- Geduld haben und uns weiterhin der integrativen Herausforderungen stellen

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
7 Jahre zuvor

(@Tilleulenspiegel: Bitte Smartphone mit größerem Display kaufen oder Autokorrektur benutzen;-))

Eigentlich noch nie war es so einfach, selbst zu erkennen, dass man als "Exo-Türke" gerade von nationalistischen, faschistischen und ewiggestrigen Kleingruppen und Propagandatrupps mittels simpelster Populismus-Tricks missbraucht wird.

Das "böse Ausland", "Nazis überall", "gewaltige Angriffe" auf die "wirklich echt einzig wahre türkische Lebensweise", "Untergang" des türkischen Morgenlands undsoweiter – die Klaviatur des machtgeilen GröTaZ Erdogan ist primitiv und vielfältig zugleich, erinnert irgendwie an die Moralaposteleien der CDUCSU aus den 70ern und 80ern – was nicht nur zufällig die Jahrzehnte waren, in denen echte Integration mangels Wissen und Bereitschaft der Deutschen komplett vergessen und damit für alle Zeiten als Kette von Generations-Erfahrungswerten versaubeutelt wurde.

Wenn Deutschtürken und Deutsche ihre durchaus vorhandenen, gegenseitigen Abhängigkeiten nun in einen ideologiebefreiten, parteipolitisch unbeeinflussten demokratischen Prozess des "neuen Nachdenkens" über Begriffe wie Heimat, Tradition, Geschichte und Herkunft umwandeln könnten, wäre viel, wenn nicht fast alles gewonnen – so wir denn genauso nachdenken, wie Arnold es anregt.

ke
ke
7 Jahre zuvor

@2:
Ich kann die Aussagen nicht nachvollziehen.
Mit mir sind Kinder von türkischen Einwanderern zur Schule gegangen. Sie hatten dieselben Chancen in der Schule wie ich. Wobei ich auch eine Migrationshistorie in der Familie habe.
Wenn ich wählen will, kann ich mit Deutschland voll identifizieren und Staatsbürger werden.

Die Gesellschaft kann Grundlagen legen und Strukturen schaffen. Final muss jeder Mensch sehen, was er aus diesen Möglichkeiten macht. Deutschland ist hierbei sicherlich ganz weit vorne, wenn es um Möglichkeiten wie freier Bildung etc. geht.

Nur geschenkt gibt es nichts. Man kann auch einfach mal am Abend lernen, Abschlüsse erwerben oder als Neuankömmling die Sprache mit dem Handy lernen. Das ist nicht einfach, aber machbar.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
7 Jahre zuvor

@ #4 kE
Nachweislich erhalten Migrantenkinder und Kinder mit insbesondere türkischen Wurzeln in diskriminierender Weise Schulempfehlungen, die nicht ihren Leistungsstand in der Grundschule widerspiegeln.

Allgemein:
Bei diesem Absatz:
"Wer jedoch auf Dauer nicht bereit ist, seine mitgebrachten Werte und Traditionen zu verändern oder anzupassen, der bleibt nicht gezwungenermaßen sondern freiwillig unter sich. Der will, wenn überhaupt, im eigenen Milieu erfolgreich sein. Der wohnt nicht mit seinen Leuten Tür an Tür weil er woanders nicht die Miete bezahlen kann, sondern weil er nur in dieser sozialen und kulturellen Abgeschlossenheit seine Traditionen ungestört leben und bewahren und seine Anpassungsleistungen auf das Notwendigste begrenzen kann, egal welche Integrationshilfen ihm geboten werden."
mußte ich an den Kampf gegen die Gentrifizierung in bestimmten Vierteln Berlins denken. 🙂

Walter Stach
Walter Stach
7 Jahre zuvor

"Anpassen an"………..??
Ich teile die Forderung , "man" -wer immer das sein mag-habe sich anzupassen, ganz und gar nicht, weil unter anderen
a.)
ich den Zwang, sich an wen und was auch immer anpassen zu müssen, für grundsätzlich unvereinbar halte mit dem Recht (!) und der Pflicht (!) eines jeden Menschen zur individuellen
Selbstbestimmung ,
und weil
b.)
ich es für letztendlich verfassungswidrig halte, wenn der Staat für hier lebende Menschen Anpassungsinhalte und deren (strafbewährten?) Vollzug verfügen würde .

Ergänzende Anmerkungen dazu:
1.
Für jeden, der hier lebt, sind alle Verfassungs- und Gesetzesnormen verbindlich. Und diese Verbindlichkeit hängt nicht vom Anpassungswillen der hier lebenden Menschen ab. Der Staat hat -selbstverständlich-an dieser Verbindlichkeit keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen. Ich gehöre zu denjenigen, die meinen, daß der Staat gegenüber jedermann (!!) nicht immer, nicht immer konsequent im exekutivem und im Judikativen Bereich diese Verbindlichkeit "deutlich macht".

2.
Ob es der Gesellschaft gelingt, ihre kulturellen, ihre religiösen Eigenarten, ihre Traditionen, ihre Sitten und Gebräuche über eine lange Zeit zu bewahren, ist ihre Sache und damit Sache ihrer Mitglieder, und vor allem dadurch zu dokumentieren, daß die Gesellschaft im alltäglichen Leben ihre kulturellen, religiösen Traditionen, ihren Sitten und Gebräuchen "hegt und pflegt".

Wenn jedoch immer mehr "alteingessene Mitglieder dieser Gesellschaft und ihre Abkömmlinge" tagtäglich beweisen, wie fremd ihnen so manche kulturelle, religiöse Eigenart, wie fremd ihnen so manche Tradition, wie fremd ihnen so manche Sitten und Gebräuche sind, ja wie z. Teil ablehnend sie mit ihnen umzugehen pflegen , dann gibt es insofern begründete Zweifel daran, ob es dieser Gesellschaft gelingen kann, "neue Mitglieder" zu überzeugen, sich anzupassen an……………

3.
Ob die Zugewanderten, ob die sog. türkisch-stämmigen Menschen und wie die Zugewanderten und wie die türkisch-stämmigen Menschen es in i h r e m Interesse für geboten halten, sich kulturellen, sich religiösen Gewohnheiten/Gepflogenheiten anzupassen, ob sie sich hiesigen Sitten und Gebräuchen anpassen, ob sie ehe "unter sich" leben und arbeiten, sich vergnügen wollen , muß m.E. ihrer freien, dh. nicht staatlicherseits bestimmten Entscheidung obliegen. Und die ist bekanntermaßen und zwangsläufig abhängig vom jeweiligen sozialen, kulturellen, wirtschaftlichem Status -insofern also de facto nicht frei und dieserhalb gilt dann eben für sie das Gleiche wie für die "Alteingessenen" .

4.
Meine Bemerkungen beziehen sich nicht auf das Recht und die Pflicht (?) des Staates, per Gesetz Kriterien für eine "geregelte Einwanderung" festzulegen.
Über solche Kriterien wäre nachzudenken und zu diskutieren. Geregelt werden könnte -nicht müßte-, daß jeder Einwanderer nachzuweisen hat, daß er sich in der deutschen Sprache mündlich/schriftlich verständigen kann, daß er………..Ich neige dazu, den Katalog für Einwanderungsbedinguzngen möglichst eng zu fassen. Darüber wäre -selbstverständlch- in einem demokratischen Entscheidungsfindungsprozess zu streiten.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
7 Jahre zuvor

#6 Arnold
ich dachte bei dieser Parallelgesellschaft auch nicht an Migranten. 🙂

#7 Walter Stach
Der Pferdefuß ist doch, bin ich soweit unangepaßt, daß mein Gegenüber mich nicht einzuschätzen weiß, habe ich mir u. U. selbst die Karten gelegt und ins Abseit manövriert. Das Ergebnis ist dann häufig eine Migration in das Sozialsystem. Warum sollte, wie kann eine derartige Migratin von den Zahlknechten goutiert werden?

Helmut Junge
7 Jahre zuvor

Niemand MUSS sich anpassen, und es wird auch kein Gesetz geben, das dieses Anpassen verlangt. Glaub ich jedenfalls nicht.
Aber jeder wird ja von seinen Mitmenschen irgendwie beurteilt. Wenn es um Karrieren geht sind die Angepaßten gegenüber den Revolutionären allemal im Vorteil.
Und da hat Wolfram (8) m.E. völlig Recht wenn er diesen Gedanken des "Unangepaßten" ins Spiel bringt. Wie fein auf Nuancen der Angepaßtheit geachtet wird, ist mir kürzlich bewußt geworden, als ich von einer Studie erfuhr, nach der diejenigen Untergebenen zu einem besseren Ansehen beim Chef kamen als ihre Kollegen, die in der Kantine genau die gleichen Gerichte auswählten, wie ihr Chef. So merkwürdig das klingt, aber Angepaßtheit scheint ein wesentlicher Kitt zwischen menschlichen Beziehungen zu sein, nicht unbedingt intellektuell diskutierbar, aber immer in die eine oder andere Richtung entscheidungsfördernd.

Helmut Junge
7 Jahre zuvor

im vorigen Kommentar von mir mißverständlich formuliert, sollte heißen: wer das gleiche ißt, wie der Chef wird besser vom Chef beurteilt.

Walter Stach
Walter Stach
7 Jahre zuvor

8-Wofram Obermanns,
10-Helmut Junge,
kein Widerspruch zu Ihren/zu Euren Erwägungen.
Ergänzend:
Ob man sich der Lebensphilosophie des "Unangepaßtseins" hingibt oder der des "Angepaßtseins" hat jeder für sich zu entscheiden. "Frei" sind diesbezüglch nur die Wenigsten – genetisches Prägung, sozialer Status, kulturelle Verfaßtheit, Lebensziel(e), Lebensinhalte, Risikobereitschaft u.ä mehr.
Zu bedenken ist zudem, daß auch hier -"so oder so"- die Regel "Prinzip und Ausnahme" gilt.

Die Frage, wer je nach Lebensphilosophie das zufriedenere Leben führt, zu führen meint, oder dieses am Lebensende wird bilanzieren können, kann ich nicht beantworten.

Ich denke, daß jeder Mensch, der sich als eigenverantwortliches Individuum begreift, oftmals in seinem Leben nicht anders kann, als sich "in Gedanken, Worten und Werken" unangepaßt zu verhalten -in der Familie, in der Schule, im Beruf, in…………
Ich denke, daß jeder Mensch, der sich zudem auch als "zoon politicon" begreift, oftmals in seinem Leben nicht anders kann, als sich "in Gedanken, Worten und Werken" angepaßt zu verhalten, auch dann, und eben auch dann, wenn sich sein "Ich-Sein" dagegen sträubt.

Soweit, so trivial.

Was mich in der aktuellen Diskussion nachdenklich stimmt , ist meiner Wahrnehmung geschuldet, wonach in unserer Gesellschaft mehr und mehr versucht wird, das "Angepaßtsein-Müssen" mit den Mitteln und Möglichkeiten, die eine Gesellschaft hat, von jedermann einzufordern, und zwar vor allem und ganz konkret von den Menschen, die als "Fremde" dieser Gesellschaft beigetreten sind bzw. ihr als "Fremde" angehören.
Sind nicht alle "Unangepaßten" – die unter den "Einheimsichen, die unter den " Fremden"- seit altersher das unverzichtbare"Salz in der Suppe" einer jeden Gesellschaft ? Sind sie nicht diejenigen,
die für eine sich fortwährend erneuernden Gesellschaft sorgen, ohne die sie ansonsten sterben müßten?
Ich führe meine Gedanken hier nicht weiter, denn mir ging es nur darum, einen kritischen Einwand in die Diskussion einzubringen, wenn es darum geht, sich mit der "landesweit grassierenden politischen Forderung" kritisch zu befassen :"Fremde in Deutschland haben sich anzupassen -der deutschen Leitkultur-."

Noch zwei Details:
Wolfram Obermanns,
wenn jemand bewußt für sich das Leben eines "Unangepaßten" gewählt hat -nicht dazu durch Geburt, sozialen Status der Familie, der Eltern pp. unausweislich gezwungen-, dann ist auch der, gerade der, für mich ein unverzichtbarer Bestandteil einer lebendigen Gesellschaft, einer freiheitlich-pluralistischen, einschließlich der Konsequenz, daß dieser Mensch für sein Leben, für sein Überleben der Hilfe -der sozialen Hilfe- durch die Gesellschaft erhalten kann, wenn er ihrer Bedarf.
Helmut Junge,
ja, es spricht Vieles dafür, daß die meisten Menschen der Ansicht sind -und dafür gute Gründe benennen können-, daß es ihrem Wohl, ihrem Wohlstand, ihrem Wohlbefinden -auch ihrer beruflichen Existenz, ihrer Karriere-am besten dient, wenn sie sich "anpassen" -in der Familie, in der Schule, an der Uni, im Beruf, in der Partei, in…..-und dementsprechend verhalten sie sich folglich alltäglich und irgendwie und irgendwann können sich gar nicht mehr anders , nämlich sich zumindest dann und wann auch 'mal unangepaßt verhalten.
Wenn das die Regel sein sollte, gibt es aber doch immer wieder bemerkens- und bedenkenswerte Ausnahmen:
Man gewinnt als Unangepaßter in der Schule die Aufmerksamkeit/das Interesse eines Lehrers.
Man gewinnt als Unangepaßter an der Uni die Aufmerksamkeit /das Interesse eines Prof.
Man gewinnt als Unangepaßter im Beruf die Aufmerksamkeit / das Interesse " des Chefs".
Man gewinnt als Unangepaßter in der Partei die Aufmerksamkeit ihrer Mitglieder/ihrer Führungskräfte.

Und man schenkt als Unangepaßter mit diesen Erfahrungen später sein besonderes Interesse/seine Aufmerksamt – als Lehrer, als Uni-Prof. , als Chef in einem Unternehmen, im öffentlichen Dienst- den "Unangepaßten".
Helmut Junge, vielleicht läuft ja in so manchem Unternehmen -und in Parteien, Gewerkschaften, Kirchen- deshalb "Einiges schief", weil die Chef nur auf die "Angepaßten" bauen, also z.B. auf diejenigen, die sich ihm u.a. in den Essengewohnheiten anzupassen versuchen. ( Für mich "ein ungeeiigneter Chef" und für mich "unqualifizierte Mitarbeiter".

Braucht unser Land mehr "Angepaßten"?
Oder braucht unser Land nicht ehe mehr "Unangepaßte" – unter den Einheimische, unter den Fremden?.

Helmut Junge
7 Jahre zuvor

@Walter Stach, ich bin nie langfristig angepaßt gewesen. Das ging bei mir nicht, und ich habe genau deshalb nie die geringste Form von Beziehzúngskarriere gemacht. Darauf bin ich stolz und ich mag auch keine Karrieristen. Was ich mit meinen obigen Kommentaren ausdrücken wollte, war schlicht und einfach, daß diejenigen, die sich nicht anpassen wollen, wo und warum auch immer, sich auch nicht beklagen dürfen. Sie werden es schwer haben in dieser Welt. Und eigentlich ist das alles bekannt und keinesfalls neu, und allgemeingültig. Und zwar weltweit. Es betrifft eben nicht allein Minderheiten in Deutschland und der Welt, sondern jeden, der sich nicht anpaßt. Und ich kann es nicht ändern.
Auf deine Frage "Braucht unser Land mehr "Angepaßten"?" kann ich nur eine Antwort geben, und die heißt "nein". Wir brauchen deutlich mehr Unangepaßte.
Aber ich kann es nicht ändern, daß Menschen sich so verhalten und werde auch meine Zeit nicht damit verschwenden, daß zu versuchen. Die von mir erwähnte Studie sagt übrigens nichts darüber aus, ob den in der Studie erfaßten Vorgesetzten überhaupt bewußt wurde, was ihre Gefühle beeinflußt hat. Wissen wir Menschen, warum wir jemanden mögen? Meistens wissen wir mehr darüber, warum wir jemanden nicht mögen. Diese Vorlieben der Menschen sind kompliziert und meist intellektuell nicht begründbar.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
7 Jahre zuvor

Brauchen wir mehr Unangepaßte? Nein! Sagt Darwin.
Unangepaßt im Sinn von nicht fit, ist nun mal nicht mehr als Selbstdestruktion oder ein Akt gesellschaftlichen Selbstmords. Das braucht die Gesellschaft nicht, das darf sich aber ein Individuum antun.
Wobei dabei erlaubt ist/erlaubt sein muß zu fragen, warum ein sozialer Autismus hermetischer Milieus konsequent von den Sozialkassen der fitten/angepaßten bezahlt werden sollte?
So individuell sind diese misfit Indiviualisten und misfit Millieus meiner Wahrnehmung nach nicht, daß sie eine Bringschuld anderer ihnen gegenüber verneinen würden. In meinen Augen bleibt da Logik und soziales Gewissen etwas auf der Strecke.

Gesellschaft braucht sehr wohl immer wieder die Herausforderung durch fittere als man es (selbst?) ist. Das geht immer mit einer Aua-Erkenntnis einher (Stichword Gentrifizierung?).

Der Wermutstropfen dieses simplen Sozialdarwinismus, wie ich ihn bis hierhin beschrieben habe, ist der ebenso simple Umstand oder die triviale Erkenntnis, daß i. A. nicht vorher klar ist ob das misfit ein besonders fit oder ein nicht fit ist.

Burka, Schwarzer Block und Springerstiefel haben sich bisher zuverlässig als nicht fit gezeigt. Gegen diese Dösigkeiten ein Leitkonzept (das eo ipso immer spießig ist) zu setzen, kann helfen. Dies aber vor allem dann, wenn daraus eine Frage resultiert: Was an Deinem/Eurem Konzept ist besser (für Dich, für Deine Umwelt) als die "Spießigkeit"?
Wäre das Ergebnis die Antwort: Wir sind hier alle in allem Spießer, also bist auch Du ein Spießer und nur ein Spießer, so wäre unsere Gesellschaft nicht mehr wandlungsfähig und ein Kandidat für den Social-Darwin-Award. Auch eine Gesellschaft braucht entropische Glieder für ein Stattfinden von Reaktion.
Die legitime Frage nach einem Zuviel an "Abwärme" erfordert aber einen zunächst willkürlich gesetzten Bezugspunkt.
Die strikte Verneinung einer Idee von Leitkultur, ist in meinen Augen auch die Verweigerung über das Gelingen von Integration jenseits von Legalität und Ökonomie qualifiziert sprechen zu können.

Walter Stach
Walter Stach
7 Jahre zuvor

Wolfram Obermanns,
ich verneine so wenig die "Idee" einer Leitkultur wie ich Ideen schlechthin zu verneinen vermag.
Sie befördern allesamt den gesellschaftlichen Diskurs. Und das ist "ein Wert an sich".
Insofern ist es der gesellschaftspoltischen Kultur (!) dienlich, wenn einer sog Leitkultur "das Wort geredet wird" und es dazu zu einem Diskurs kommt.
Nur…
"die Kultur" einer Gesellschaft, der kulturelle Zustand einer Gesellschaft, das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft bzw. in einer Gesellschaft lassen sich a.) nicht anhand irgend welcher Begrifflichkeiten, irgend welcher Gegebenheiten, irgend welcher Rituale, irgend welcher Sitten und Gebräuchen so hinreichend erfassen, daß sich daraus eine "verbindliche Leitkultur" definieren läßt und b.) läßt sich die "kulturelle Verfaßtheit" einer Gesellschaft nicht "verbindlich leiten" und schon gar nicht dauerhaft innerhalb eines bestimmten Rahmens ein-bzw. begrenzen sowie c.) setzt jede Kultur ihrem Wesen gemäß das Freisein von jeglichen "leitenden Vorgaben", egal wer sie zu setzen versucht, voraus.

Mir scheint deshalb statt einer Debatte über eine sog. "Leitkultur" eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung und eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber angebracht, ob und inwieweit die Gesellschaft noch zu den Grundwerten steht, die sich u.a. in "Postulaten" unser Verfassung widerfinden , u.a. in der Grundvorstellung von der unantastbaren Würde eines jeden Menschen, vom Menschen als einem selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Individum, das zugleich als Gemeinschaftswesen Verantwortung zu tragen hat und das so u.a. das (mit-)bestimmt, das prägt was seine Kultur und die der Gesellschaft ausmacht -frei, eigenständig, nicht "geleitet" von wem und von was auch immer.

Helmut Junge
7 Jahre zuvor

@Wolfram, ich habe deinen Gedanken so umformuliert, daß ich einigermaßen damit umgehen kann. Jedenfalls halte ich die daraus abgeleitete Aussage noch deiner Aussage ähnlich, wenn auch nicht deckungsgleich.
Also: Die strikte Ablehnung eine Refererenzkultur zu definieren, an der das Maß an Integration überhaupt erst beurteilt werden kann, hilft uns in der Tat nicht weiter. Wer sich an der vorgeschlagenen Bezeichnung dieser Referenzkultur abarbeitet, sollte einen anderen Namen anstelle von Leitkultur vorschlagen, und auch andere Bezugspunkte, aber nicht die Diskussion wegen des Namens oder der Bezugspunkte abwürgen. es sei denn, er will keine Diskussion darüber. Nur ist das Wort Integration dann nicht definierbar.Das frage ich demnächst nach.
Übrigens gibt es reichlich entropische Mitglieder in unserer Gesellschaft. Reaktionen finden auch statt, aber nur wenige entropische Mitglieder dieser Gesellschaft bringen die Gesellschaft vorwärts, und andere entropische Mitglieder hemmen sie, weil sie selber rückwärtsgewandt sind. Eine gesunde Gesellschaft kommt aber damit zurecht, solange keine zusätzlichen Störquellen hineinwirken, womit wir wieder beim Thema sind.

Mo
Mo
7 Jahre zuvor

Der Artikel ist nicht nachvollziehbar. Einwanderer und ihre Kinder können in der BRD nicht ihre kulturelle Identität leben. Meistens erleben sie eine Kollektividentität durch Exotismus und Stereotype zugeschrieben. Zu Hause vor der Mattscheibe erfahren sie auch keine Zelebrierung ihrer kulturellen Identität. Denn auch in türkischen Fernsehen werden vor allem die kulturellen Bedürfnisse der besserverdienenden Türken bedient. Türkische Einwanderer sind für das türkische Fernsehen nicht relevant als Werbe-Zielgruppe. Türkische Identität gibt es nur, wenn türkische Geschichte gelehrt werden würde, um die Ethnizitäten in der Türkei zu überdecken. Wie Sie möglicherweise gemerkt haben sollten, ist die Türkei ein multi-ethnischer Staat vor der Zerreißprobe.

So richtig taugen auch die Dutzenden islamischen Sekten nicht als Identitätsklammer, weil sie z.B. in Syrien zu verschiedenen Brigaden halten entlang der religiösen Spaltungslinien. Im Islam gibt es die Fatwa, aber es gibt dazu keine durchorganisierte Geheimpolizei, die vergleichbar mit der katholischen Inquisition wäre. Im Islam gibt es keine Gemeinderegister, und nur eine Minderheit der Gläubigen ist organisiert oder kirchensteuerpflichtig.

Demokratie ist auch keine kulturstiftende Identität, sondern eine Herrschaftsform. Unter den Demokratie Theorien gibt es die antagonistische Demokratie des Westminster Systems, die Konsens Demokratien der deutschsprachigen Welt und die marginalisierte partizipative Demokratie, die Linke so lieben sowie die deliberative Demokratie für argumentationssüchtige Akademiker. Wenn die Almanci als besondere Interessensgruppe keinen Platz in der deutschen Verhandlungsdemokratie beanspruchen können, dann sollte man sich fragen, ob partikuläre Interessensgruppen wie Gewerkschaften, Lehrerverbände und Arbeitgeberverbände ebenfalls keinen Platz beanpruchen sollten. Auch erschließt sich mir nicht, weshalb deutschen Dänen, Friesen und Sorben wahlrechtliche Erleichterungen und Kulturautonomie zugestanden wird und eingewanderten Minderheiten nicht. Minderheitenschutz gilt in der BRD seit Jahren nur für nationale Minderheiten. Die rechtliche Durchsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist nur in sehr engen Grenzen möglich. Die Klagefristen sind sehr kurz.

Ihre Perspektive auf Erdogan ist sehr interessant. Offenbar ist ihnen nicht klar, dass die Türkei die Süd-Ost Flanke der NATO gegen Rußland decken soll. Wenn Erdogan die Todesstrafe durchsetzt, wird allen klar werden, dass die Türkei niemals Mitglied der EU werden wird. Daher mutmaßt man in EU Kreisen, dass die Türkei einen Bündniswechsel plant.

Ihnen scheint auch nicht aufgegangen zu sein, dass ohne Großbritannien in der EU, die Schotten und die Menschen in Nord-Irland den britischen Staatsverband langfristig verlassen werden. Großbritannien wird nicht die zweitstärkste Militärmacht in der EU bleiben.

Allen Sonderrechten die man Großbritannien als Wachhund für die Nordsee gewährt, werden die Türken ebenfalls fordern, damit sie in der NATO bleiben.

Ohne die Briten können die Franzosen auch kein Zwei Bund gegen deutsche Interessen mehr bilden, d.h. die EU verliert ihren Wert für die Franzosen. Es kann durchaus sein, dass die Franzosen austreten und die Auflösung der EU einleiten. Die deutsche Exportindustrie verlöre ihre europäischen Absatzmärkte. Zudem greifen die US Amerikaner die deutsche Auto-Industrie an. Die chinesischen Automärkte brechen weg, weil sie die Luftqualität verbessern wollen und Elektroautos auf den Straßen wollen.

Die Russen unterstützen EU weit Rechtspopulisten, um die militärische Integration der EU zu hintertreiben. Die Niederländer und einige Staaten in Zwischeneuropa haben Teile ihrer Truppenkontingente unter deutschen Kommando gestellt. Eine Auflösung der EU macht das obsolet. Deutschland sitzt auf einem Vulkan.

Walter Stach
Walter Stach
7 Jahre zuvor

Ergänzend
zu meinen Anmerkungen unter -14- zur "Kultur" und zur sog. Leitkultur und zur "Anpassungspflicht" an sie das folgende Zitat:

"Aber gerade der Versuch, Kultur mit bloßer Gewalt zu erzwingen, erweist sich als ein innerer Widerspruch zum Wesen der Kultur, weil sich Kultur, trotz aller Bereitschaft und geistigen Anstrengung zuletzt nicht eigentlich "erzwingen" läßt. Kultur braucht einen Raum geistiger Freiheit, dessen Gewährung und Erhaltung mit zu den Grundpflichten des Staates gehört; nur innerhalb eines solchen Raumes ist das geistige Eros auch zu geistigen Taten fähig."
Robert Scherer
Staatslexikon 1960, Band 5, S. 168, Herder-Verlag

Darauf bezogen noch drei Bemerkungen:

1.

Mir scheint, daß die Diskussion zur "Leitkultur" schon allein deshalb problematisch sein könnte, weil "Kultur" von den Predigern der Leitkultur einerseits und von ihren Widersachern anderseits völlig unterschiedlich, ja gegensätzlich begriffen bzw. verstanden und folglich gegensätzlich definiert zu werden scheint.
Falls das so sein sollte, wäre eine gesellschaftliche Debatte über das , was "Kultur" ist, angebracht.
Und diese Debatte könnte dann nicht nur dazu beitragen, eine "Begriffs (er-)Klärung zu versuchen, sondern vor allem dazu führen, daß nicht über den für mich "blödsinnigen Begriff Leitkultur und über die mit seiner Kreation verbundenen politischen Ziele geredet wird, sondern über " Kultur" und…………z.B. über Kultur und Gesellschaft, über Kultur und Religion, über Kultur und Macht, über Einheit und Vielfalt von Kulturen, über Kultur und Macht, über…………

Dann -erst dann- so meine ich, wäre ein politischer Diskurs darüber möglich, ob und inwieweit "die Kultur der sog. westlichen Welt", ob und inwieweit die "deutsche Kultur" durch Fremde, durch Fremdes als bedroht, als gefährdet angesehen oder ob und inwieweit sie durch Fremde/durch Fremdes (mit-) gestaltet, ergänzt, erweitert werden kann einschließlch spekulativer Erwägungen über "Kultur" in der sog. westlichen Welt in der II.Hälfte des 21. Jahrhunderts. Mir scheint allerdings, daß tiefgreifende Veränderungen "der Kultur in der sog. westlichen Welt" weniger durch Fremde/durch Fremdes bewirkt werden wird oder durch das Mißlingen der derzeit geforderten "kulturellen Anpassung" Fremder an die "hiesige Kultur", sondern durch Entwicklungen -durch den "zivilisatorischen Fortschritt"- in der sog. westlichen Wertegemeinschaft selbst -biologische, technologische, medizinische-, denn diese Entwicklungen werden zwingend an dem Fundament des "westlichen Kulturverständnisse" rütteln, nämlich an der Vorstellung vom Wesen eines jeden Menschen, dem in der Schöpfungsordnung ein eigenständiger, ein besonderen Wert zukommt und der sich demgemäß berechtigt und verpflichtet sieht, in Freiheit und in "Verantwortung vor Gott und den Menschen" über das jeweils ihm zweckgerecht, ihm zweckmäßig, ihm von Nutzen Erscheinende hinaus schöpferisch tätig zu sein, um die Welt nach seinem Willen und seinen Wünschen zu gestalten, im weitesten Sinne zu einer schöneren Welt.

2.
All das kann man zum Gegenstand eines tiefgreifenden, umfassenden gesellschafltlichen Dialoges machen -machen wollen-, z.B. durch diejenigen, die "die Leitkultur predigen" oder die über sie predigen.
Nur , so scheint mir, darum geht es gar nicht . Es geht nicht um Kultur, um eine Debatte über das "heutige Kulturverständnis", über Einflüsse auf den "Bestand und auf die Entwicklung "der
Kultur in der sog. westlichen Welt durch interne und externer Einflüsse

Es geht "schlicht und einfach" darum, darüber zu diskutieren und darüber – in einem demokratischen Prozess-zu befinden ,was bezogen auf das Zusammenleben aller Menschen in Deutschland (in Europa) angesichts neuer Herausforderungen, z.B. durch Einwanderer, staatlicherseits zu tun ist. Es geht also "nur" um Politik, es geht um politische Macht zwecks Wahrung von Interessen, also z.B. darüber, ob "mehr Fremde" einwandern dürfen, einwandern sollten, ob Flüchtlinge begrenzt oder unbegrenzt aufzunehmen sind, ob staatlicherseits von den Fremden, die dauerhaft in Deutschland, in Europa bleiben wollen, verlangt werden sollte, verlangt werden müßte, daß sie………zB. in der jeweiligen Landessprachen kommunizieren können, daß sie für sich zu sorgen in der Lage sein müssen; es geht insofern um Politik, mit Kultur hat das nichts zu tun also auch nicht mit einer "Anpassungspflicht für Fremde" an die Kultur der sog.westlichen Welt bzw. an die "deutsche Kultur".
Und diejenigen, die darüber hinaus eine staatliche verordnete Pflicht für alle Fremden für denkbar, ja für geboten halten, sich z.B. "deutschen Sitten und Gewohnheiten" zu fügen -Handschlag bei der Begrüßung, kein Kopftuch, Mitsingen der Nationalhymne, Teilnahme an traditionellen Volksfesten pp-können das in die politische Debatte einbringen und damit möglicherweise Erfolg haben en, nur mit "Kultur",mit "Rettung der Kultur des westlichen Abendlandes" oder mit "Anpassung der Fremden an eine sog. westliche Leitkultur" hat das alles nichts zu tun.

3.
Und die Türkei, die erdogansche Türkei, und Ungarn, und Polen, und Rußland, und die trumpsche USA, und der Nahe-Osten, und Nordkorea, und die Nationalisten……

Hier werden im weitesten Sinne des Wortes Kriege geführt – mit allen verfügbaren Mitteln- zur Befriedigung von Interessen oder zur Sicherung von Interessen. Das gilt für innerstaatliche und zwischenstaatliche Konflikte. Und über "die richtigen, die berechtigen Interessen" entscheiden……..-in einer Demokratie…in einer Diktatur, in einer Oligarchie…., in einer Plutokratie……-es kommt darauf an.

Kultur kann dabei als ein Mittel, als eine Möglcihkeit verstanden werden, sie für die jeweiligen Interessen zu ge- bzw. zu mißbrauchen. Politik ge- und mißbraucht in diesem Sinne die "Kultur", u.a. dann, wenn sie diese für ihre Ziele z.B. im Nah-Ostkonflikt einzusetzen versucht -sh. der sog. Kampf der Kulturen/der Religionen- oder wenn sie die "Kultur" ge- bzw. mißbraucht, in dem "die " Politik sie sie generell für ihre nationalistischen Interessen einsetzt oder wenn sie sie konkret
setzt, wenn es darum geht, "Fremde" zwangsweise den Gewohnheiten der Einheimischen anzupassen. Das kann "man" politisch wollen. Nur sollte man sich dabei nicht auf "die Kultur" berufen. Solche Anpassungspflichten lassen sich nicht begründen mit der Berufung auf "die Kultur".

b
b
7 Jahre zuvor

#16 Interessanter Kommentar. Von strategischen Militärbündnissen habe ich keine Ahnung, aber das Thema der institutionalisierten Minderheitenvertretungen btw. einer fehlenden solchen (so langsam düngt es sogar den letzten, dass DITIB wohl weder Moslems noch türkischstämmige Menschen ganzheitlich vertreten kann bzw. will) finde ich sehr interessant!

thomas weigle
thomas weigle
7 Jahre zuvor

Die Minderheitenrechte der Dänen sind staatsvertraglich geregelt, um alte, sehr alte Grenzbevölkerungsprobleme einmal endgültig vom Tisch zu bekommen, um es mal ganz grob zu formulieren.
Die Sorben wurden über Jahrhunderte bis 45 heftig diskriminiert und unterdrückt. Deshalb gestand ihnen die DDR besondere Rechte zu, bspw Zweisprachigkeit und eigene Schulen, auf einer dieser Schulen machte eine nichtsorbische Verwandte von mir Abitur, dass ihr auf einer "normalen" Schule in Bautzen verweigert worden war.
Dänen und Sorben eignen sich deshalb m.E. nicht als Beispiele für nach 45 zugewanderte Bürger der Bundesrepublik

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