Noch gelang es, die AfD klein zu halten

Sören Link, SPD (Foto: Peter Ansmann)
Sören Link, SPD (Foto: Peter Ansmann)


Wenn es manchmal heißt, jede Stimme zählt, dann klingt das immer etwas klischeehaft, aber bei den OB-Stichwahlen zeigte Mülheim, dass es eben doch stimmt: Mit hauchdünnen 50,07 Prozent schaffte die SPD-Kandidatin Nadia Khalaf eine Sensation und entthronte Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU). Sieht man ab von diesem Herzschlag-Finale, waren die meisten OB-Stichwahlen am Ende eine klare Sache, vor allem wenn AfD-Kandidaten im Spiel waren.

Weder in Gelsenkirchen noch in Hagen und schon gar nicht in Duisburg hatte die AfD eine Chance, wenngleich ein Drittel der Stimmen in Gelsenkirchen oder fast ein Drittel in Hagen schon auch ernstzunehmende Ergebnisse sind. Denn schließlich hatten so gut wie alle anderen Parteien eine Wahlempfehlung für den jeweiligen SPD- oder CDU-Kandidaten abgegeben. Die Probleme sind aber so groß und die den etablierten Partei-Vertretern unterstellte Kompetenz so relativ gering, dass die AfD zumindest ihr (derzeitiges) Potenzial ziemlich mühelos heben konnte. Nicht vergessen sollte man, dass auch die geringe Wahlbeteiligung nicht auf viel Vertrauen schließen lässt. Hier lauert noch manches Protest-Votum.

In Essen erwies sich Thomas Kufen (CDU) als sichere Bank, auch wenn der Sieg gegen SPD-Gegenkandidatin Julia Klewin mit gut 57 Prozent nicht ganz so strahlend ausfiel wie man es angesichts des Professionalitäts-Gefälles durchaus erwarten konnte. Für Kufen, der bisher noch keinen wirklich ernstzunehmenden sozialdemokratischen Gegenkandidaten hatte, ist das ein Warnschuss. Die Bäume wachsen auch für ihn nicht mehr in den Himmel, nicht mal gegen eine Kandidatin, die letztlich doch recht unbedarft wirkte, aber sich vielleicht entwickeln kann – jedenfalls wenn die Essener SPD sie lässt.

In Oberhausen und eben in Mülheim zeigte sich hingegen, dass schwächere CDU-OB’s im Kern-Ruhrgebiet jederzeit mit Abwahl rechnen müssen, mag diese auch knapp ausfallen. Die Sensation in Dortmund belegt wiederum, dass das umgekehrt auch für die SPD gelten kann, wobei die SPD-Kandidaten in Duisburg und Bochum die anderen großen Revierstädte sicher verteidigten.

Duisburgs OB Sören Link ist der Beweis gelungen, dass ein vergleichsweise klares, hartes Auftreten und das schonungslose Benennen der Probleme die beste Gewähr bieten, um die AfD klein zu halten. Den markigen Worten müssen allerdings auch zeitnah Taten folgen, sonst verpufft dieser Effekt eher früher als später.

Blickt man über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus, ist das Ergebnis der Grünen interessant. Selbst in so saturierten gutbürgerlichen Städten wie Bonn oder Aachen wurden den Grünen Grenzen aufgezeigt, die grünen Oberbürgermeisterinnen verloren ihr Amt. Und auch in der Szene-Hochburg Köln ging die Mehrheit auf Nummer sicher und ließ lieber einen recht biederen Sozialdemokraten ans Ruder. Die Zeiten sind zu ernst für grüne Experimente beispielsweise in der Verkehrspolitik, die in Bonn und Aachen für böses Blut sorgte. Das Bionade-Bürgertum verliert seine Deutungshoheit, die im Ruhrgebiet nur in vergleichsweise kleinen Biotopen wie etwa Essen-Rüttenscheid existiert. Bedauern muss man das nicht.

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paule t.
paule t.
2 Monate zuvor

Zitat: „Duisburgs OB Sören Link ist der Beweis gelungen, dass ein vergleichsweise klares, hartes Auftreten und das schonungslose Benennen der Probleme die beste Gewähr bieten, um die AfD klein zu halten.“

Die AfD ist in Duisburg zunächst mal überhaupt in die Stichwahl gekommen. Das ist der AfD in nicht sehr vielen Städten gelungen, und ihre Ergebnisse bei der Ratswahl waren sowohl im Ergebnis als auch hinsichtlich der Zugewinne über dem Landesdurchsschnitt. Insofern ist das eine Definition von „klein halten“, die sich nicht zwingend aufdrängt.

Man könnte also mit mindestens demselben Recht sagen: Eine Politik mit selbst erkennbar rechtspopulistischem Zungenschlag bietet die beste Gewähr, um die AfD relativ groß zu machen.

Man vergleiche das mit dem Ergebnis in Köln, wo die demokratischen Parteien seit langer Zeit die Vereinbarung haben, nicht auf dem Rücken von Migranten Wahlkampf zu machen. Dort landete der AfD-Kandidat im ersten Wahlgang mit 8,5% auf dem vierten Platz und die Zugewinne seiner Partei bei der Ratswahl lagen deutlich unter dem Landesdurchschnitt.

Die demokratischen Parteien müssen einen Weg finden, um die realen, konkreten Probleme zu lösen, die es im Zusammenhang mit Migration tatsächlich gibt (wenn auch in deutlich geringerem Umfang, als die Rechtspopulisten und -extremisten, die daraus Honig saugen wollen, die Öffentlichkeit glauben machen wollen), ohne das in populistische Kraftmeierei umschlagen zu lassen.

Stefan Laurin
Administrator
2 Monate zuvor
Antwort auf  paule t.

Köln hat kein Problem mit Armutsmigration aus Südosteuropa wie es Hagen, Duisburg und Gelsenkirchen haben. In all diesen Städten kam die AfD in die Stichwahl. Es hat offenbar nicht nur etwas mit Kommunikation zu tun.

paule t.
paule t.
2 Monate zuvor

Natürlich spielen auch die konkreten Probleme vor Ort eine Rolle, das will ich gar nicht bestreiten. Wo es mehr tatsächliche Probleme im Zusammenhang mit Migration gibt, hilft das natürlich den allgemein migrationsfeindlichen Parteien. Soweit schon klar.

Trotzdem spielt natürlich auch die Kommunikation eine Rolle, wie man diese Probleme anspricht. Genau darauf hebt ja Herr Stenglein auch ab, wenn er – wie schon zitiert – schreibt:
„Duisburgs OB Sören Link ist der Beweis gelungen, dass ein vergleichsweise klares, hartes Auftreten und das schonungslose Benennen der Probleme die beste Gewähr bieten, um die AfD klein zu halten.“
Er schreibt also das – angeblich – geringe Ergebnis der AfD der Kommunikation Links zu.

Aber die AfD wurde eben nicht klein gehalten. Das ist eine m.E. schlicht falsche Beschreibung der Sachlage, wenn die AfD in die Stichwahl gelangt und insgesamt eines ihrer landesweit besten Ergebnisse erzielt.

Ebenso hat Herr Stenglein auf die Wahlkampfkommunikation abgehoben, wenn er in einem anderen Artikel meinte, das Kölner Fairnessabkommen, nicht auf dem Rücken von Migranten Wahlkampf zu machen, würde auf das Konto der AfD einzahlen.
Das ist aber wohl nicht passiert, wenn die AfD dort eines ihrer landesweit schlechtesten Ergebnisse erzielt.

Für die Frage, wie sehr die Kommunikation in der Kommunalpolitik und im Kommunalwahlkampf eine Rolle für das Ergebnis der AfD spielt, könnte man ja mit der Bundestagswahlvergleichen. Da sieht man natürlich zuerst ganz deutlich, dass auch da die AfD in Duisburg viel stärker als in Köln war – was für ihr Argument spräche, dass die Kommunikation keine so große Rolle spielen würde.
Man kann aber auch sehen, dass die AfD bei der Kommunalwahl in Duisburg ganz leicht (ca. 0,5%) besser, in Köln leicht (ca. 0,9%) schlechter abgeschnitten hat als bei der Bundestagswahl.
Diese geringen Unterschiede mögen im Bereich zufälliger Schwankungen im Zusammenhang mit der Wahlbeteiligung o.Ä. liegen, aber falls sie überhaupt etwas zeigen, dann dass der Kölner Weg gegen die AfD besser funktioniert.

Insofern haben Sie vielleicht Recht und die Kommunikation spielt nur eine geringe Rolle. Vielleicht wirkt die bewusst nicht migrantenfeindliche Parteienkommunikation in Köln aber auch einfach langfristig positiv, um die AfD „klein zu halten“. Auf keinen Fall wirkt die Parteienkommunikation aber in der Weise, die Herr Stenglein beschreibt – das wird durch die Ergebnisse einfach nicht gedeckt.

thomas weigle
thomas weigle
2 Monate zuvor

Wer da meint die afd sei klein gehalten worden, der meint wohl auch, dass Schalke seit Jahren Spitzenfußball bietet. BTW Ist das Ergebnis aus Mülheim nicht gecancelt?

paule t.
paule t.
2 Monate zuvor

@ Frank Stenglein, Zitat:
„Es ist abenteuerlich zu glauben, mit Totschweigen a la Köln ließe sich ein einziges Problem lösen.“

Viel abenteuerlicher finde ich es, zu glauben, man könnte mit schlicht sachlich falschen Aussagen irgendein Problem lösen.
Das Kölner Fairness-Abkommen verlangt kein „Totschweigen“ irgendwelcher Probleme, es besteht nur darauf, keinen Wahlkampf auf dem Rücken von Migrant:innen zu machen, z.B. nicht mit Vorurteilen gegen Migrant:innen Wahlkampf zu machen, und deswegen u.a. auch nicht Migrant:innen für allgemeine gesellschaftliche Probleme verantwortlich zu machen.

Letzteres ist natürlich die Strategie der Rechtsextremisten und -populisten in der AfD und anderen Parteien: Diese haben für alle Probleme, die es gesellschaftlich gibt, stereotyp Migrant:innen als Sündenböcke und eine schärfere Politik gegen diese als angebliche „Lösung“.
Diese Leute mögen es als „Totschweigen“ empfinden, wenn diese lügenhafte Hetze geächtet wird; und deswegen machen sie daraus natürlich ihr neues Opfer-Narrativ, dass man „Probleme nicht mehr ansprechen“ dürfe.

Reale, konkrete Probleme im Zusammenhang mit Migration dürfen die Parteien aber natürlich sehr wohl auch mit dem Kölner Fairnessabkommen ansprechen, und das passiert auch. (Und die Rechten, die zu diesem Fairnessabkommen weder eingeladen wurden noch ihm beitreten würden, können natürlich sowieso weiter hetzen.)

Dieses Narrativ vom „Totschweigen“ ist also inhaltlich einfach falsch und gibt ausschließlich rechtspopulistische bis -extreme Standpunkte wieder. Und ich frage mich, welches Problem es bitte lösen soll, dieses falsche, rechte Narrativ weiterzuerzählen.

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