Protest gegen chinesischen Friedrich Engels in Wuppertal

Engels1868Friedrich Engels – der Mann mit dem Hipster-Bart – war nicht nur der Weggefährte und Sponsor von Karl Marx, sondern auch  Wuppertaler Fabrikantensohn. Und seine Heimatstadt ehrt nun den nach Horst „Derrick“ Tappert bekanntesten Sohn der Stadt mit einem Denkmal. Gespendet wird das Denkmal von der Chinesischen Regierung. Dagegen gibt es Proteste.

Für den Anarchisten Michail Bakunin war klar, wie sich die marxistische Ideologie entwickeln wird – der Weg in die Diktatur war für ihn schon Mitte des 19. Jahrhunderts offensichtlich und er beschrieb mit einem Satz, was durch Lenin, Stalins und Mao Jahrzehnte später blutige Wirklichkeit werden sollte: „Nehmt den radikalsten Revolutionär und setzt ihn auf den Thron aller Reussen oder verleiht ihm eine diktatorische Macht […], und ehe ein Jahr vergeht, wird er schlimmer als der Zar selbst geworden sein.“

Dass die chinesische Regierung, erprobt in der Unterdrückung von Arbeitern und Intellektuellen, der Stadt Wuppertal eine Friedrich Engels Statue spendiert, ist daher für Kritiker des Marxismus weniger eine Überraschung als eine logische Konsequenz.  Aber es gibt auch Marxisten, die von der Idee nicht begeistert sind und glauben, im Marxismus stecke ein emanzipatorischer Kern – was ja Bakunin zu Recht bezweifelt hat. Sie rufen zu Protesten auf:

Jetzt ist es raus! Am 11. Juni 11:00 Uhr, nur wenige Tage nach dem 4. Juni, dem 25. Jahrestag des Tian’anmen-Massakers soll die von Chinas Regierung gespendete Engels-Statue vor dem Engels-Haus aufgestellt werden. 
Die Begeisterung in Wuppertal ist groß. Von OB Jung, der CDU über den DGB bis zur „Links-Partei “ alle finden es spitze, dass Chinas Regierung, quasi umsonst der Stadt Wuppertal ein Denkmal schenkt.
Besonders die Wuppertaler Wirtschaft lechzt – ganz unideologisch – nach Geschäften mit der Wirtschaftssupermacht.

Wenn es um (viel) Geld geht, spielen Menschenrechte, gerechte Arbeitsbedingungen und emanzipatorische Utopien keine Rolle mehr. Im Gegenteil: Friedrich Engels und seine Ideen werden – einmal mehr – zur Gründungs-Folklore für die staatskapitalistischen Regimes reduziert.

Das wollen wir nicht mitmachen!

Wir rufen die emanzipatorischen Kräfte im Wuppertal, in Manchester und anderswo dazu auf, die Instrumentalisierung von Fritz Engels durch die chinesische Regierung und das Wuppertaler (Monopol) Kapital sehr kritisch zu begleiten.
Achtet auf Ankündigungen!
Organisiert Veranstaltungen zu den Kämpfen der chinesischen Arbeiter*innenklasse!
Ladet chinesische Dissident*innen ein, die über das menschenverachtende Knast- und Lagersystem berichten!
Studiert die Frühschriften von Engels zur Lage der arbeitenden Klasse in England und China!

und organisiert wirkungsvolle Aktivitäten….

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Mina K.
10 Jahre zuvor

Einweihung Engels-Statue

Jetz ist es raus. Am 11. Juni um 11:00 Uhr wird das Ding eingeweiht. Wir sind auch dabei mit Plakaten und Portraits der chinesischen DissidentInnen! Wir holen die in Peking verboteneTrauerfeier für die Opfer des Tian’anmen-Massakers nach!
kommt alle und denkt euch was aus….

Die offizielle Ankündigung:
Großer Bahnhof für Wuppertals großen Sohn: Am Mittwoch, 11. Juni, wird um 11 Uhr offiziell die Friedrich Engels-Statue im Engelsgarten eingeweiht. Die Statue war Wuppertal von der Volksrepublik China geschenkt worden – chinesische Besucher schätzen den Philosophen und Revolutionär. Das Engelshaus ist besonders in letzter Zeit ein Anziehungspunkt für chinesische Reisende, Delegationen und Geschäftsleute geworden.

Zur Einweihung werden der Botschafter der Volksrepublik China, S. E. Shi Mingde, der gestaltende Künstler, Prof. Zeng Chenggang, und weitere Repräsentanten der Volksrepublik China erwartet. Im Anschluss an die Einweihung findet im Historischen Zentrum ein Deutsch-Chinesisches Kulturfest statt. Die Einweihung und das anschließende Fest sind öffentlich.
Botschafter Shi Mingde wird sich nach der Einweihung im Opernhaus in das Goldene Buch der Stadt eintragen.

https://www.facebook.com/events/704168789641130/?fref=ts

Nanny
Nanny
10 Jahre zuvor

Vielleicht sollte man die Einweihung dazu nutzen, nur geringfügig verspätet an den 25. Jahrestag des Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens zu erinnern? Das könnte auch das Deutsch-Chinesische Kulturfest bereichern…. 😉

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

Ich habe unter dem Berliner Marx-Engels-Denkmal vor langer Zeit mal folgendes Graffiti gelesen: „Sorry Leute, war nur so ne Idee.“

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Ist China nicht das Land, in dem Arbeiter aus den Fenstern springen, weil sie mit Billigung der murxistisch-leninistischen Regierung durch westliche Konzerne gnadenlos ausgepresst werden?
Das ist die Tragik der Klassiker: Sie können sich gegen eine solche Leichenschändung nicht wehren. Heute würde er wohl einen Bericht über die Lage der arbeitenden Klasse in China schreiben können.

Fritze Engels
Fritze Engels
10 Jahre zuvor

Erklärung der Else Lasker-Schüler Gesellschaft:
Friedrich Engels in China verhaftet

Der aus Wuppertal stammende Mitverfasser des Kommunistischen Manifests, Friedrich Engels, wurde auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking verhaftet. Er hatte gegen das Wegsperren der Künstler und Journalisten protestieren wollen, die an den Studentenaufstand vor 25 Jahren erinnern wollten.

Diese – fiktive – Meldung wäre nach Ansicht von Hajo Jahn, dem Vorsitzenden der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, Realität, wenn der Revolutionär Engels gegenwärtig leben würde. Seiner Meinung nach würde Friedrich Engels zur Niederwerfung des Studentenaufstands nicht geschwiegen haben und deshalb sehr wahrscheinlich in China weggesperrt werden. Tatsächlich aber übergibt der Botschafter Chinas, Shi Mingde, am Vormittag des 11. Juni als Geschenk der Volksrepublik an die Stadt Wuppertal eine Bronzefigur. Sie wurde von dem im Reich der Mitte renommierten chinesischen Künstler Zeng Chenggang entworfen. Die 3,80 m hohe Figur zeigt den Wegbegleiter von Karl Marx im Stil des sozialistischen Realismus. Dabei dürfte das blutige Massaker auf dem Tiananmen-Platz nicht erwähnt werden. Unerwähnt dürfte aber ebenfalls bleiben, dass auch der in China hochverehrte Friedrich Engels seinerzeit einen verbotenen Autor unterstützt hat – Karl Marx im Exil. Beide haben die Pressezensur des preußischen Regimes scharf kritisiert. Eine „Ehrung“ Engels vom Vertreter einer Diktatur, die mit allen Mitteln freie Meinungen unterdrückt, ist nicht nur eine allgemeine Verhöhnung der wichtigsten Werte, die für alle Menschen gleichermaßen gelten, sondern auch eine Verhöhnung eines Mannes, den man zu ehren vorgibt, der aber selbst erst durch die Möglichkeit und Nutzung der freien Meinungsäußerung zu dem werden konnte, was er später war. Dafür würde er heute in China inhaftiert – so der Vorsitzende der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft.
Ab dem 11. Juni gibt es gleich zwei Engels-Denkmäler in Wuppertal. Das neue, das realistische Denkmal wird in unmittelbarer Nachbarschaft zum großartigen Werk des bedeutenden österreichischen Bildhauers Alfred Hridlicka ungefähr dort aufgestellt, wo Friedrich Engels am 28. November 1820 geboren wurde. Dieses Kunstwerk aus Carrara-Marmor war nach kontroversen Debatten im Wuppertaler Rat am 2. Juni 1981 im Beisein von Ministerpräsident Johannes Rau der Öffentlichkeit übergeben worden. Beide Denkmäler verkörpern in ihrer jeweils eigenen künstlerischen Ausdrucksweise völlig andere Denkwelten. Wer weiß, welche der beiden Arbeiten dem in China hochverehrten Friedrich Engels besser gefallen hätte? Von dem auch künstlerisch sensiblen Denker stammt, was wenig bekannt ist, die Vorlage zum Libretto von Richard Wagners Oper „Rienzi“.
Die Wuppertaler Else Lasker-Schüler-Gesellschaft hatte 1997 zu ihrem V. Else Lasker-Schüler-Forum chinesische Dichter-Dissidenten und Juden, die in Shanghai während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht vor den Nazis gefunden hatten, in die Geburtsstadt von Friedrich Engels eingeladen. Die damaligen Teilnehmer, die Journalisten Shi Ming und Peter Finkelgruen, befürworten diesen Kommentar. Zum Vorstand der internationalen Literaturvereinigung gehörte seinerzeit Herta Müller. Die spätere Literaturnobelpreisträgerin hat sich stets für die Freiheit ihrer verfolgten Schriftstellerkollegen in China eingesetzt.
Das einstige jüdische Ghetto in Shanghai wird in der chinesischen Erinnerungskultur bewahrt. Auch das gehört zur historischen Wahrheit. Was aber hätte Engels, der auch Historiker war, zum Verschweigen des blutigen Studentenaufstands auf dem Tiananmen-Platz vor 25 Jahren gesagt? Nach Wuppertal pilgern die Anhänger Engels ähnlich wie zum Karl Marx-Haus in Trier. Die Stadt Wuppertal, die die Übergabe der in hiesigen Künstlerkreisen umstrittenen Bronzeplastik mit einem Deutsch-Chinesischen Kulturfest feiert, erhofft sich die Ansiedlung von Firmen aus der „Volksrepublik“.

PS. Geschenke müssen angenommen werden. Ob sie einem gefallen oder nicht. Vermutlich wird die Bronzeskulptur vielen Wuppertaler Bürgern besser gefallen als das Hridlicka-Werk mit seinen gefesselten Armen und den Phalli. Die obenstehende Meldung versteht die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft als Kommentar zur verordneten Grabesruhe in China, wo kritische Geister weggesperrt werden und nichts an den Studentenaufstand erinnern soll. Dies sollte bei der Übergabe der neuen Skulptur nicht unerwähnt bleiben.

PPS: Auch auf der chinesischen Skulptur wird es ein Engels-Zitat geben. Es lautet:
„Die Arbeit ist die Quelle alles Reichthums, sagen die politischen Oekonomen. Sie ist dies – neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichthum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, dass wir in gewissem Sinn sagen müssen: sie hat den Menschen selbst geschaffen.“
( Friedrich Engels „Dialektik der Natur“, 1876)

Mit freundlichen Grüßen
Hajo Jahn
Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft
und der Stiftung „Verbrannte und verbannte Dichter –
Für ein Zentrum der verfolgten Künste“
Herzogstr. 42
D-42103 Wuppertal
http://www.else-lasker-schueler-gesellschaft.de

Bob Hope
Bob Hope
10 Jahre zuvor

Zitat Stefan Laurin: „Aber es gibt auch Marxisten, die von der Idee nicht begeistert sind und glauben, im Marxismus stecke ein emanzipatorischer Kern – was ja Bakunin zu Recht bezweifelt hat.“

Hat er das tatsächlich zu Recht bezweifelt? Den emanzipatorischen Kern kann man kaum leugnen, vor allem wenn man sich anschaut, in welchen Zeiten Marx und Engles ihre Schriften veröffentlicht haben. Zumindest hatten einige Bewegungen, die zur Emanzipation des Individuums beigetragen, ihren Ausgangspunkt in den sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts. Zudem soll es ja auch Marxisten geben, die mit Sozialismus und Kommunismus nichts am Hut haben, die Kritik der politschen Ökonomie aber trotzdem nachvollziehen können.

Son
Son
1 Jahr zuvor

Das Problem ist das Konstrukt Arbeit, welches abzuschaffen ist bzw. umzudefinieren. Die Chinesen habenmeiner Meinung nach Engels miss- verstanden und die Statue sollte mit allen Mitteln vernichtet werden. Jemand, dem nichts daran gelegen war, eine pomöse Beerdigung zu feiern, sich ein Denkmal zu setzen, sondern eine einfache Seebestattung vorzog, ist wahrscheinlich für eine Abschaffung eines Personenkults in Form einer Statue ( die ja nach chinesischen Vorstellungen noch viel größer ausfallen sollte ). Seine Visionen/ Ideen sollten stattdessen weiter verfolgt werden. Nur ist der Rahmen, welcher Begriffe wie Arbeit definiert, muss zuerst abgeschafft werden.
Ein Kommentar aus dem einst so schönen Wupperthal.

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