Rechtspopulisten wollen Kinder in Sonderschulen abschieben

Am rechten Rand wird es eng: In Nordrhein-Westfalen werden zur Kommunalwahl so viele rechtspopulistische Listen antreten wie nie zuvor. Sie machen Wahlkampf mit der Angst vor Kriminalität und Überfremdung.

Ausriss: UBP-Homepage

Ob Pro-Köln und seine zunehmende  Zahl von Ablegern, die Liste WIR oder die sogenannte Unabhängige Bürgerpartei (UBP): Wenn am 30. August im bevölkerungsreichsten Bundesland Kommunalwahlen stattfinden, werden sich zahlreiche rechtspopulistische Parteien und Listen wieder um Mandate in den Stadt- und Gemeinderäten bemühen. Sie betreiben ein Geschäft mit der Angst. Selbst im Kreis Recklinghausen, der nach der Kriminalitätsstatistik weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt, gehen WIR und UBP mit der angeblich an jeder Ecke lauernden Gefahr auf Stimmenfang. Der UBP ist immerhin zu gute zu halten, dass sie weiß, wovon sie spricht: Ihr Kreistagsmitglied Borsu Alinaghi ist seit seiner Jugend immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten und wurde erst vor wenigen Monaten schuldig gesprochen, ein Kind getreten zu haben. In Gelsenkirchen schwadroniert die vom Berufsstudenten Kevin Gareth Hauer angeführte Liste Pro Gelsenkirchen sogar von rechtsfreien Räumen, und das in einer Stadt, die zu den sichersten Großstädten der Republik gehört.

Für die Recklinghäuser WIR hatte der Rechtsdrift Folgen: Die FDP hat die Zusammenarbeit mit der Liste im Rat für beendet erklärt und will auch nach den Wahlen nicht mehr mit WIR zusammen arbeiten.

Nun sorgt ein weiterer Vorschlag der UBP im nördlichen Ruhrgebiet für Diskussionsstoff: Die Liste, die in mehreren Städten für den Rat kandidiert und auch in den Recklinghäuser Kreistag einziehen will, fordert, Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse nicht in die Grundschule zu lassen sondern in Sonderschulen, neudeutsch Förderschulen, zu stecken: „Sollten Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung trotz Förderung immer noch keine ausreichende Sprachkompetenz besitzen, ist eine Einschulung in eine Förderschule erforderlich, mit der jederzeitigen Möglichkeit wieder zu einer allgemeinen Grundschule zu wechseln, sobald der Rückstand aufgeholt ist.“ Dass von dieser Regelung vor allem Migrantenkinder betroffen sein würden, liegt auf der Hand.

Für Andreas Scholz von der Integrationsliste Recklinghausen ist die Verfrachtung der Kinder in eine Förderschule der Garant dafür, ihnen langfristig alle Jobperspektiven zu verbauen: „Wer so etwas vorschlägt will Kindern nicht helfen, er will sie abschieben“ und auch Hertens Bürgermeister Uli Paetzel (SPD) ist von dem Vorschlag nicht angetan: „Wir schaffen es mit großem Aufwand, dass 93 Prozent aller Kinder mit guten Deutschkenntnissen eingeschult werden. Die verbliebenen sieben Prozent müssen in der Regelschule gefördert werden.“ Davon ab widerspreche der Vorschlag nicht nur geltendem Recht sondern sei schlicht nicht durchzuführen: „Wenn eine britische Familie nach Herten zieht, sollen deren Kinder automatisch auf die Sonderschule kommen?“

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Marcus Meier
14 Jahre zuvor

Heute morgen lief ein hoher „Pro Köln“-Funktionär an mir vorbei, das Handy om Ohr: „Nee, dann lass uns den Infostand um 11 absagen. Wenn die Pia nicht kommt, dann stehe ich wieder ganz alleine da!“. So viel zum Thema „Große Zustimmung bei der aktuellen pro-Köln-Infostandserie„. Schon, wenn die Damen und Herren Populisten sich jetzt auch noch gegenseitig auf die Füße treten!

Till E.
14 Jahre zuvor

Au man(n)
Da schreibt die UBP doch auf ihren Plakaten „Politik kann ehrlich sein“ 🙁 Bei der UBP wohl „Kann“, bei mit = muss!!
Da schreibt die UBP doch auf ihren Plakaten „Einschulung nur mit Deutschkenntnisse“ wollen die die Schulpflicht (rechts)widrig unterlaufen .

Interessant – die UBP hat wohl die meisten Plakate in Herten geklebt – alle sehr hoch hinaus – ne Menge sind schon unten ab Fuß der Laterne gelandet – was für ein Sinnbild, macht weiter so ubp …

Nunja
Nunja
14 Jahre zuvor

Was wäre denn eure Lösung, wenn ein normaler Unterricht aus Mangel an Deutsch-Kenntnissen garnicht richtig stattfinden kann ?

stan
stan
14 Jahre zuvor

Borsu Alinaghi, ist das ein deutscher Name?

Sind haben jetzt auch schon Rechtspopulisten Migrationshintergrund 🙂

Jimmy
Jimmy
14 Jahre zuvor

@Nunja: „Was wäre denn eure Lösung, wenn ein normaler Unterricht aus Mangel an Deutsch-Kenntnissen garnicht richtig stattfinden kann ?“

Ich zitiere hier gerade einen kleinen türkischen Jungen, der 1990 auf dem Schulhof auf meine Mutter (Grundschullehrerin) zukam und rief: „Frau X, wir haben einen neuen Schüler in der Klasse. Der ist aus Sachsen. Aber Deutsch kann der noch nicht!!!!“

Wobei ich als ernsthafte Antwort Stefan Laurin grundsätzlich zustimme. Kindergartenpflicht, Förderunterricht – und jetzt gehe ich weiter, klare und deutliche Ansagen an die Eltern, was die Wichtigkeit angeht, auch zu Hause deutsch zu sprechen. Außerdem Deutschkurse für Frauen mit Migrationshintergrund.

Die Kindergartenpflicht könnte man übrigens von einem Sprachverständnistest abhängig machen. Damit wären wir fast schon wieder bei den Sonderschulen – nur dass wir hier früher eingreifen und somit nicht den Weg für Regelschulkarrieren verbauen.

Michael Baumeister
14 Jahre zuvor

Erst wenn radikale Parteien die Ausgrenzung popagieren, wird man plötzlich hellhörig.

Diese rechstpopulistischen Parteien fordern doch das, was in der Realität bereits passiert, die Ausgrenzung bestimmter Gruppen aus dem normalen Schulsystem.
Der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund an Sonderschulen ist ja auch jetzt überdurchschnittlich hoch, in einigen Regionen in NRW besuchen 1/3 der Kinder mit Migrationshintergrund Förderschulen.
Inklusive Schulbildung, individuelle Förderung aller Kinder an einer Schule passt einfach nicht in das ausgrenzende deutsche Schulsysytem.

Die Fiktion, Lernen müsse in homogenen Lerngruppen erfolgen, ist gerade im konservatien Lager verbreitet, findet aber bei den meisten Menschen in unserem Land unhinterfragt Zustimmung.
Genauso scheint niemand sich daran zu stören, dass Kinder mit Behinderungen nach wie vor zu > 85 % in Sonderschulen ausgegrenzt werden, obwohl die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ein Menschenrecht auf inklusive Schulbildung definiert.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
14 Jahre zuvor

Muss man auf rechtspopulistischen Schwachsinn mit weiterem, zudem illiberalem Schwachsinn antworten? Um quasi damit zu unterstreichen, dass an deren Forderung doch noch was richtiges sein könnte?

Ich meine damit folgendes: Kindergartenpflicht ist nicht. Weil verfassungswidrig.

Conoscenti
Conoscenti
14 Jahre zuvor

UIUIUI. Für die Überschrift mussten sich die Lügenbarone aber ganz schön ins Zeug legen. Wenn man sich die Forderung der UBP mal ganz durchliest, hört sich das schon ganz anders an:

„…Für die Unabhängige-Bürger-Partei hat das Bestehen von Chancengleichheit bei Schulbeginn absolute Priorität.

Zur Verbesserung der sprachlichen und sozialen Fähigkeiten ist es wichtig, dass Kinder ? insbesondere solche mit nichtdeutscher Muttersprache ? frühzeitig den Kindergarten besuchen. Daher möchte die UBP das erste Kindergartenjahr beitragsfrei machen, um den Eltern die Entscheidung über einen Kindergartenbesuch zu erleichtern.

Derzeit wird in NRW die Sprachkompetenz der Vierjährigen getestet mit anschließender Sprachförderung (Delfin 4). Es zeigt sich, dass das derzeitige System erhebliche Mängel aufweist…

Das Förderprogramm der Landesregierung hat also erhebliche Defizite und man muss davon ausgehen, dass nach wie vor Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse eingeschult werden. Um das bisherige System zu ergänzen, fordern wir, dass das SchulG NRW dahingehend geändert wird, dass ein Jahr vor der Einschulung erneut ein verbindlicher Sprachtest bei allen Kindern durchgeführt wird. Darüber hinaus muss an den Grundschulen wieder der Schulkindergarten eingeführt werden. Kinder, bei denen ein Jahr vor der Einschulung Sprachdefizite vorliegen, sollen verpflichtet werden, den Schulkindergarten mit dazugehöriger Sprachintensivförderung zu besuchen.

Sollten Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung trotz Förderung immer noch keine ausreichende Sprachkompetenz besitzen, ist eine Einschulung in eine Förderschule erforderlich, mit der jederzeitigen Möglichkeit wieder zu einer allgemeinen Grundschule zu wechseln, sobald der Rückstand aufgeholt ist.“

Aber kann man von einem linken Blog soviel journalistische Korrektheit erwarten? Kaum. Daher wird auch Andreas Scholz als Kronzeuge herangezogen, der gerade mit seiner IWI gemeinsame Sache mit MilliGörüs-Fundamentalisten macht. Viel Spaß noch!

Jimmy
Jimmy
14 Jahre zuvor

@Conoscenti: „Ich meine damit folgendes: Kindergartenpflicht ist nicht. Weil verfassungswidrig.“

Kurze Nachfrage: Wieso verfassungswidrig? Ich kann es mir jetzt einen Eingriff in den geschützten Bereich der Familie (und weitergehend in die freie Entfaltung der Persönlichkeit) vorstellen, aber das ist die Schulpflicht doch auch, oder?

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
14 Jahre zuvor

Richtig Jimmy, nur definiert die Verfassung bei der Schulpflicht eben eine Ausnahme.

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