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Saskia Esken und Identitätspolitik: Wenn man eine Parteivorsitzende bei Wish bestellt

Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans Foto: Olaf Kosinsky Lizenz: CC BY-SA 3.0 de


SPD-Parteichefin Saskia Esken hat den ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) wegen eines vermittelnden Artikels in der FAZ massiv angegriffen. Nun hat er seinen Austritt aus der SPD angeboten. Die SPD steckt in einem identitätspolitischen Streit.

Wolfgang Thierse gehört zu den honorigsten Politikern der SPD. In der DDR verlor er seine Arbeit beim Kulturministerium, weil er sich weigerte, eine Erklärung zu unterzeichnen, mit der er die Ausbürgerung von Wolf Biermann befürworten sollte. Er trat noch während der SED-Diktatur in das Neue Forum ein und wechselte später zur SPD. Er war Bundestagsabgeordneter und Bundestagspräsident, ist einer der wenigen Intellektuellen in seiner Partei und nahm an Blockaden gegen Nazi-Demonstrationen in Dresden teil. In der FAZ veröffentlichte Thierse in der vergangenen Woche einen Artikel, in dem er sich mit den Folgen der Identitätspolitik auseinandersetzte. Es war ein moderater, ein vermittelnder Text: „Weil der gesellschaftliche Zusammenhalt in einer diversen, sozial und kulturell fragmentierten „Gesellschaft der Singularitäten“ (Andreas Reckwitz) nicht mehr selbstverständlich ist, muss er ausdrücklich das Ziel von demokratischer Politik und von kulturellen Anstrengungen sein, eben vor allem auch der Sozialdemokratie. Es muss ihr kulturelles Angebot sein, dass Solidarität, um die geht es nämlich, kein einseitiges Verhältnis ist, kein Anspruchsverhältnis gegen die Anderen, sondern auf Wechselseitigkeit und das Ganze umfassend zielt.“

Thierse ist ein Mann, der sich sein ganzes politisches Leben für Ausgleich und Dialog einsetzte. Das war in seinem FAZ-Beitrag nicht anders: „Wir leben gewiss mehr denn je in einer ethnisch, kulturell, religiös-weltanschaulich pluralen Gesellschaft. In ihr ist Diversität nicht das Ziel, sondern eine faktische Grundlage unserer Demokratie und Kultur. Dieses Faktum zu leugnen oder rückgängig machen zu wollen, ist das Fatale, ja Gefährliche rechter Identitätspolitik. Es zum Ziel aller sozialen und kulturellen Anstrengungen zu erhöhen, halte ich für das Problematische linker Identitätspolitik. Das Ziel muss vielmehr sein, die akzeptierte Diversität friedlich und produktiv leben zu können.“

Diese Sätze reichen für die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und den Hoffnungsträger Kevin Kühnert aus, sich von Thierse in einer Mail an rund 20 ausgewählte vor allem aus der LGBTI-Community zu distanzieren, die in Teilen im Magazin Queer zitiert wurde: „“Aussagen einzelner Vertreter*innen der SPD zur sogenannten Identitätspolitik, die in den Medien, auf Plattformen und parteiintern getroffen wurden“, zeichneten „insbesondere im Lichte der jüngsten Debatte ein rückwärtsgewandtes Bild der SPD, das Eure Community, Dritte, aber eben auch uns verstört“, beklagten die beiden SPD-Vorstandsmitglieder (…) Wir Sozialdemokrat*innen stehen für eine bunte und vielfältige Gesellschaft, in der wir Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, Hautfarbe oder warum auch immer nicht dulden. Wir wollen solidarisch an der Seite derjenigen sein, die immer noch Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren müssen.“

Nun hat Thierse sich an keiner Stelle gegen eine vielfältige Gesellschaft ausgesprochen. Esken und Kühnert reagieren auf eine fundamentalistische Kritik, die jede Abweichung von der postmodernen Dogmatik geißelt.

Es steht Esken als Parteivorsitzende frei, Thierse anzugreifen, der ihr nun seinen Austritt angeboten hat. Nur hat Thierse sich nicht gegen Menschen, sondern gegen eine Ideologie ausgesprochen, die auf Cancel Culture, Ausgrenzung und Stigmatisierung setzt und deren Ziel nicht Dialog, sondern die Eskalation ist. Sie will die Zerstörung der Aufklärung und ihrer Werte ist. Thierse weiß das, Esken erweis sich in ihrem Versuch, Hipstern hinterherzulaufen, die sowieso niemals SPD wählen werden, als zu dumm, das zu erkennen.

Esken holte 2017 in ihrem Direktwahlkreis in Baden-Württemberg 16,9 Prozent der Stimmen. Wie man Wähler erreicht, ist ihr offenbar unbekannt. Sie ist wie Kühnert ein Produkt des SPD-Mittelbaus, der zum großen Teil den Kontakt zu den Bürgern verloren hat. Die Debatten, die in diesen Kreisen mit Leidenschaft geführt werden, interessieren weder die Arbeiterin bei VW, den Verkäufer im Supermarkt oder den Ingenieur in einem mittelständischen Betrieb, also die Menschen, die lange Zeit die SPD wählten. Sie lenkt die Partei im beginnenden Wahlkampf auf einen Weg, von dem sich Kanzlerkandidat Olaf Scholz vor wenigen Tagen ebenfalls in einem Beitrag FAZ distanziert hat, als er schrieb: „Eine Gesellschaft des Respekts ist eine Gesellschaft, in der fragmentierte „Identitäten“ nicht an die Stelle eines Wir der Vielfältigkeit treten“, schrieb Scholz und stellte klar: „Den Eindruck, nicht (mehr) sichtbar zu sein, können aber auch jene haben, die sich im öffentlichen Diskurs gar nicht mehr repräsentiert fühlen. So wird die Lebenspraxis der „einfachen Leute“, wie der österreichische Publizist Robert Misik sie nennt, in Teilen der Medien eher ironisch verspottet.“ Eine sichtbare und respektvolle Darstellung der „Arbeiterklasse“ müsse man in Deutschland in Literatur, Film und Wissenschaft eher mit der Lupe suchen. Es war eine deutliche Absage an die Postmoderne, deren Fahne Esken hochhält, wahrscheinlich sogar, ohne es zu wissen. So was passiert, wenn man eine Parteivorsitzende bei Wish bestellt.

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Skythe
Skythe
3 Jahre zuvor

Ich hab Thierses Artikel auch komplett gelesen und kann nichts Bösartiges darin finden.

Man muss schon ziemlich kaputt sein, um sich darüber aufzuregen.

Helmut Junge
3 Jahre zuvor

Thierse hat immer noch einen guten Namen. So geht man mit so jemanden nicht um.
Vielleicht gründet er ja mit Wagenknecht, der es in ihrer Partei ähnlich zu gehen scheint, eine neue Partei?

Niwi
Niwi
3 Jahre zuvor

Was haben sich die SPD Mitglieder nur gedacht, als Sie ein solch unterirdisches Führungsduo von Kevins Gnaden gewählt haben? Wobei die Frau Esken alls topt was man sich in negativer Hinsicht hat ausdenken können

Christian
Christian
3 Jahre zuvor

Die SPD leidet unter 2 Problemen:
Die klassische Arbeiterklientel stirbt aus, die Malocherjobs werden immer weniger bzw. werden
immer mehr ausgelagert und die alten SPD Rentner und Rentnerinnen…… nun ja.
Dazu kommt Problem Nr. 2, junge Menschen die heute meist mehr digital in ihr Berufsleben
einsteigen sehen sich nicht in der Nachfolge der "Malochereltern" und wählen auch anders.

Diese Herausforderungen wurden bei der SPD schon erkannt, aber die Antwort darauf ist
wenig erfolgreich: man versuchte bei Randgruppen zu punkten!
Der Begriff Randgruppe klingt jetzt negativ ist aber nicht so gemeint und hat leider einen
wahren Kern: Randgruppen sind per Definition klein.
Und selbst wenn man diesen Randgruppen nach dem Mund redet belohnen die einen
nicht unbedingt mit Wahlstimmen.
Die SPD hat kein Narrativ zu bieten, keine Ostpolitik mehr, keine Aufstiegsgeschichten, nichts.
Nur noch Figuren wie die hier genannten und Heiko Maas.
Und auch der SPD Bundespräsident ist nicht gerade eine Ikone der Weisheit.

Die CDU ist jetzt inhaltlich und personell nicht wesentlich besser aufgestellt, aber sie kann
auf dem großen breiten Feld der Besitzstandswahrung sehr gut punkten.
Und mehr braucht es nicht für 30 + x Prozent.

Philipp
Philipp
3 Jahre zuvor

Stefan Laurin hat es 2016 geschrieben "Es wäre für die SPD möglich gewesen…für ein Industriegebiet zu streiten, in dem Jobs entstehen, und sich gleichzeitig für die Rechte Homosexueller und gegen Rassismus zu engagieren. Nur ist dies selten geschehen."

5 Jahre später ist klar welchen Weg die SPD geht. Und es ist auch gut, dass das jetzt deutlich kommuniziert wird.

Die Normies wählen CDU, die postmaterialistische + urbane Mittelschicht die Grünen. Das parlamentarische System der BRD drängt beide Parteien in eine Koalition, was gut ist, damit es überhaupt noch Berührungspunkte zwischen diesen beiden Wählergruppen gibt.

Und wo ist eigentlich die FDP? Anti-Cancel Culture wäre ein Thema, dass man super besetzen könnte:

Helmut Junge
3 Jahre zuvor

@Christian, ich sehe das ähnlich. Randgruppen sind klein, weil sie sonst keine Randgruppen wären, sondern Hauptgruppen. Um die bewerben sich aber auch Linke und Grüne. Wieviel mag da für die SPD übrig bleiben? Das weiß ich nicht, und das ist mir auch egal. Die müssen sich halt den Pott irgendwie teilen.
Ich aber wünsche mir eine Partei, die sich dafür einsetzt, daß untere Einkommensschichten ihre Kinder auch studieren lassen können, wenn die das wollen. Daß die Schulen in den Vororten besser ausgerüstet werden. Daß die Menschen in diesen Vororten auch Muße und Gelegenheit haben, sich Zugang zu Bildung und zur Kultur zu verschaffen. Einfach, daß sie gut leben können. Das ist eine wichtige Aufgabe. Der Plastikmüll, der nicht aufbereitet, sondern über Drittländer ins Meer verklappt wird, kommt doch mit der der Fischnahrung zurück, und reichert sich in der (unserer) Leber an . Auch dieses Problem sollte diskutiert und gelöst werden. Oft wird die Klimaveränderung diskutiert, aber auch hier gibt es keine echte Diskussion. Denn über die Konsequenzen, die uns aus der Klimaveränderung erwachsen, spricht man nie. Was ist mit der Trockenheit, was ist mit Überflutungen? Was machen wir dagegen? Da kommt nix.
Angst ja, und Gürtel enger schnallen ja, aber Rückhaltebecken gegen Flut und Trockenheiten? Null! Die Minderheitenpolitik überschattet alles, und viel Zeit für anderes bleibt nicht. Wer auch nur Milde Bedenken anmeldet, wird wie sogar Wolfgang Thierse einfach abgewatscht.
Dabei sind auch die Minderheiten von all den genannten Problemen betroffen! Trotzdem geht es immer nur darum, welches Wort für welche Randgruppe beleidigend sein könnte. Angesichts echter existentiell bedrohender Fragen, kommt mir diese Identitätspolitik wie ein Ablenken von der eigenen Unfähigkeit dieser Politiker vor. Mit denen werden wir noch verhungern, verdursten, ertrinken und was sonst noch immer, auch die Minderheiten, aber immerhin als politisch korrekte Menschi*nnen.

Martinus
Martinus
3 Jahre zuvor

Die Randgruppe der LGBT-Leute ist zahlenmäßig ähnlich groß wie die der DFB-Mitglieder. Mit Sicherheit jedoch größer als die der ADAC-Mitglieder.

Würden die LGBT-LEUTE alle die gleiche Partei wählen, hätte diese grundsätzlich Fraktionsstärke und die Wiederwahl wäre immer gesichert.

Mir persönlich würde es schon ausreichen, wenn ich genauso nett zu zweit auf einer Parkbank sitzen dürfte wie die "Normalos". Aber leider ist das in meinem Leben nicht vorgesehen.

Ansonsten lese ich gerne diesen Blog. Und vielleicht gibt es demnächst neben PayPal noch die Möglichkeit, über Kreditkarte den Autoren etwas Anerkennung zukommen zu lassen.

Yilmaz
Yilmaz
3 Jahre zuvor

Die aktuelle Riege der SPD ist wohl mehrheitlich nicht in der Lage, Herrn Thierse intellektuell zu folgen.

Aber so ist die "inklusive und tolerante" SPD. Hat einer "die falsche" Meinung, so wird er fertiggemacht.

Da kann man schön sehen, wohin sie die Gesellschaft steuern wollen.

nogE rhaB
nogE rhaB
3 Jahre zuvor

Auf der Internetseite der SPD „findest du eine Übersicht über einige großartige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten“ … Leider fehlt u.a. der Name Wolfgang Thierse.

Glücklicherweise fehlen auch die Namen Saskia Esken, Norbert-Walter Borjans, Kevin Künert …

Stimmenanteil der SPD Bundestagswahl 1998: 40,9 %

Stimmenanteil der SPD Bundestagswahl 2017: 20,5 %

Politbarometer, wenn am 28. Februar 2021 Bundestagswahl gewesen wäre: Stimmenanteil der SPD: 16 %

Schade um die wirkliche Sozialdemokratie !!!

Jens
Jens
3 Jahre zuvor

@Christian
Malocher gibt es mehr denn je. Sie haben nur kein Klassenbewusstsein.

Guiseppe Bottazzi
Guiseppe Bottazzi
3 Jahre zuvor

Man hat den Eindruck. ein große Teil der aktuellen SPD beschäftigt sich nur noch mit woken Randgruppenthemen, die selbst in der Summe vielleicht 5% der Bevölkerung betreffen, sowie mit weiteren 5% ausmachenden *beauftragten, *experten, *funktionären und *räten, die mehr oder weniger üppig aus den diversen Fördertöpfen bedient werden. Alle anderen werden als Klein- und Großkapitalisten (vulgo "Quasifaschisten") verachtet und sind allenfalls als Steuer- und Gebührenzahler interessant.

thomas weigle
thomas weigle
3 Jahre zuvor

#9 Die, die 98 40% holten,sind mit ihrem Agendadesaster die Hauptschuldigen am heutigen Zustand der SPD. Nicht die Kühnen usw, denn die Agendapolitik hat das SPD-Stammklientel dieser Partei mehr als nur entfremdet. M. Beltz hat schon um 2000 die Politik der SPD-Toskanafraktion in der Rolle eines Bornheimer( Frankfurter Stadtteil mit hohem SPD-Wähleranteil einst) SPD-Rentners auf den Punkt gebracht: "Wir haben jetzt eine AG Sozialdemokraten in der SPD gegründet."

Ernönü
3 Jahre zuvor

Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, was Thierse mit dem Satz "Es [Diversität] zum Ziel aller sozialen und kulturellen Anstrengungen zu erhöhen, halte ich für das Problematische linker Identitätspolitik" überhaupt meint. Vielleicht sollte man das erst mal klären, bevor man sich echauffiert.

Johanne
3 Jahre zuvor

Îch finde es schlimm, dass jemand wie Thierse in die rechts-konservative Ecke gestellt wird. Die ansonstn farblose Esken will sich da wohl profilieren.

Hollis Brown
Hollis Brown
3 Jahre zuvor

@ Philipp # 5

Nein, ich glaube nicht, dass wir uns alle ganz schrecklich lieb haben. Die Spaltung in unserem Land zwischen den "Normies" und den Angehörigen der "postmaterialistischen + urbanen Mittelschicht" ist meines Erachtens riesengroß. Ich denke, dass die Situation in Deutschland mit den Verhältnissen in den USA durchaus vergleichbar ist. Man bekommt davon nur deshalb nichts mit, weil unsere Medien von Angehörigen der "postmaterialistischen + urbanen Mittelschicht" beherrscht werden. Deshalb geht leider völlig unter, was zum Beispiel die "Normies" bei mir auf der Arbeit, die "Normies" in meinem Fitnessstudio oder die "Normies" unter den Nachbarn in unserer Straße so denken und sagen. Die haben ganz andere Sorgen und Probleme als die "postmaterialistische + urbane Mittelschicht". "Berührungspunkte" kann ich da schon seit langer Zeit nicht mehr erkennen.

DAVBUB
DAVBUB
3 Jahre zuvor

@5: "… die postmaterialistische + urbane Mittelschicht die Grünen."
Die sind immer nur "postmaterialistisch", solange es andere betrifft. Die Geringverdiener~innen, die ihnen den veganen Sojalatte zubereiten. Oder die, die Biosmoothieshoots in der Ökoplastikflasche zu € 1.-pro 50ml in die Kühlregale räumen. Die die Waldorfschulen putzen, oder den Dreck nach den FFF-, BLM- oder Anti-irgendwas-Demos beseitigen. Oder den antisemitischen PMs "auf Zollverein" die Klos putzen.
Nachdem sie vom dem den PM aus ihren preiswerten Wohnvierteln vertrieben wurden. Und sich dann wahlweise als Umweltverschmutzer*innen (wenn sie mit ihren alten, aber billigen Diesel in die Städte kommen) oder als Virusschleuder*innen, wenn sie -zu müde zum Fahrradfahren – mit den überfüllten U-Bahnen in die Viertel zurückkehren, aus den nicht wenige der Eltern oder Großeltern der PM stammen.

Karla
Karla
3 Jahre zuvor

@Ernönü(13), wieso verstehst du den Satz nicht? Wirst du durch deinen Hochschulabschluß blockiert?
Esken hat sich aber tasächlich nicht um eine Klärung bemüht, bevor sie sich "echauffiert" hat. Den Punkt hast du ja voll getroffen, auch wenn du ihn nicht auf Esken beziehst, sondern auf ihre Kritiker.
Denk mal darüber nach.

Paul
Paul
3 Jahre zuvor

@ Karla

du wirst sicher nicht von deinem nicht vorhandenen Hochschulabschluss (?) blockiert, also sag uns doch schnell, was Thierse meint – "@Ernönü(13)":

"Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, was Thierse mit dem Satz "Es [Diversität] zum Ziel aller sozialen und kulturellen Anstrengungen zu erhöhen, halte ich für das Problematische linker Identitätspolitik" überhaupt meint. Vielleicht sollte man das erst mal klären, bevor man sich echauffiert."

Karla
Karla
3 Jahre zuvor

@Paul, er findet, daß es noch andere Ziele für soziale und kulturelle Anstrengungen gibt als Diversität. Was ist daran so schwer zu verstehen? Der Satz ist doch wirklich einfach aufgebaut. Ich habe bei Kant oder Hegel schon Sätze gelesen, da mußte ich mich erst einmal hinsetzen und länger nachdenken. Thierse schreibt für ein breites Publikum.

Ernönü
3 Jahre zuvor

Was er damit meint, weiß ich auch nicht. Auffällig ist nur, dass er sich als SPD-Mann in der konservativen FAZ äußert. Damit will er wohl ein bestimmtes Publikum erreichen.

Es ist aber nicht nur die Frage, WAS er damit meint, sondern auch WEN.
Meint er den "linksgrünversifftenmainstream", den auch hier viele Kommentatoren überall vermuten?
Meint er (Teile seiner) eigenen Partei?
Meint er Anhänger von "Identitätspolitik"? Wobei, was ist das überhaupt?
Diese Fragen kann ich übrigens (trotz meines Hochschulabschlusses ;-)) auch nicht beantworten.

Karla
Karla
3 Jahre zuvor

@Ernönü, diese Fragen kann nur Thierse selbst beantworten. ich vermute (!) daß er innerhalb der SPD eine Diskussion anregen wöllte. Das Ist aber nicht mein Problem. Wenn du da Beiträge bezahlst, ist es dein Recht danach zu fragen. Abgesehen davon sollten die in dem Fall sogar ein paar eigene dringend wichtige Fragestellungen einfallen. Wenn nicht, entspricht das genau meinem Bild von dieser Partei.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
3 Jahre zuvor

Es gibt zwei grundlegende Punkte die die SPD Theoretiker nicht verstehen.
Erstens, das Umverteilung nach ihrer Manier komplett gescheitert ist und somit man mit Umverteilung nur noch die Dummen hinter dem Ofen hervorholt oder die Umverteiler selbst.
Zweitens, das Identitätspolitik ein theoretischer Schmarrn ist mit viel zu geringer praktischer oder positiver Bedeutung, als das man damit Volkspartei bleiben könnte, das ist ein 5 % Thema.
noch klingt Identitätspolitik für betroffene Klientels ähnlich attraktiv wie früher der Kommunismus selbst aber es wird auch genauso ausgehen.
Und da die SPD es versäumt hat sich Neues auszudenken womit sie ihr ursprüngliches soziales Grundanliegen vertreten kann (aber im Grunde gar nicht daran interessiert ist) , ist sie im Grunde völlig obsolet.
Aber alte etablierte Organisationen sterben halt langsam, weil mit Ihnen Dinge verbunden werden, die gar nicht mehr existent sind und weil strukturelle Etablierung eine eigene Bestandsqualität besitzt.

Philipp
Philipp
3 Jahre zuvor

@ Hollis Brown #15

Schwarz-Grün ist keine Liebeshochzeit, mehr eine arrangierte Ehe. 😉 Aber das ist ja gerade der Vorteil ggu. Ländern wie der USA oder England, dass wir kein Mehrheitswahlrecht mit 2 großen sich gegenüberstehenden Parteien haben. Polarisierung und Blockadehaltungen müssen nach der Wahl überwunden werden um mehrheitsfähige Regierungen zu bilden – auch mit Parteien aus dem gegnerischen Lager.

Auf Landesebene gibt es in Deutschland fast alle möglichen Koalitionen, die man sich vorstellen kann – in den USA undenkbar.

Karla
Karla
3 Jahre zuvor

@Ernönü guck mal was @Berthold Grabe (22) schreibt :",,,,,mit viel zu geringer praktischer oder positiver Bedeutung, als das man damit Volkspartei bleiben könnte, das ist ein 5 % Thema."
Das könnte sein, weil ja jeder Wähler oder jede Wählerin erwartet, daß ein Kandidat der gewählt werden will, sich später in seinem oder ihrem Sinn einsetzt,
Wenn sich aber jemand ausschließlich oder fast ausschließlich zu seiner oder ihrer eigenen Betroffenheit äußert, ist vielleicht wenig damit zu rechnen, daß eine solche Person repräsentativ für andere Menschen mit anderen Sorgen da sein wird.
Allein deshalb muß eine Partei schon ein breiteres Spektrum an Programmatik aufweisen. Ist das dann "rückwärtsgewandt", wie Frau Esken schreibt? Das ist eher Selbsterhaltungstrieb, denke ich.

Jan
Jan
3 Jahre zuvor

Der Verweis auf das Erststimmenergebnis im Wahlkreis ist etwas irreführend. Das ist ein kompliziertes Pflaster für die SPD und ihre Direktkandidaten.
Umgekehrt wäre es auch kein fairer Maßstab, Unionskandidaten wegen einer Niederlage im Wahlkreis Gelsenkirchen abzuqualifizieren.

Natürlich hat die SPD ein Führungsduo, das nur noch minimalste Strahlkraft nach außen hat – schon bei 100% Schulz und Andrea Nahles war diese maximale Verknalltheit in Persönlichkeiten, die außerhalb der Partei eher zu einem Schulterzucken und gehobenen Augenbrauen führten, das Hauptproblem.
Die beiden verdanken ihren Verbleib im Amt wohl eher der Tatsache, dass in der Pandemie das traditionelle Sägen am Stuhl des/der Vorsitzenden ein wenig auf der Strecke geblieben ist … und inzwischen will gerade niemand den anstehenden Vorsitzendenrücktritt am Wahlabend im September an potentielle Nachfolger weiterreichen.

Und Apropos Wahlkreis: hier droht eine Wiederholung einer Niederlage für das Gegnerduo aus der Parteivorsitzendenwahl. Scholz' "Running Mate" Klara Geywitz wurde mitten in der Urwahlkampagne bei der Landtagswahl durch eine grüne Direktmandatssiegerin in Potsdam aus dem Landesparlament gekegelt. Der Hamburger Olaf Scholz kandidiert 2021 ausgerechnet in Potsdam (und Umland) für den Bundestag – u.a. gegen Annalena Baerbock. Zeitweilig war sie durchaus chancenreich; die Idee, dass grüne Zweitstimmenwähler mit ihrer Erststimme Scholz gegen die Unionskandidatin stützen, ist aber eher abwegig.

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