Später in Rente – später in die Altersarmut

Martin Kaysh Foto: Stadt Dortmund

„Die Rente mit 67 kommt später!“, hieß es gestern von der SPD. „Na super“, dachte ich mir, „wann denn, mit 82?“

Das wollen die Sozis nicht, sie wollen nur später anfangen mit dem länger arbeiten. Das muss man nicht verstehen. Bislang ist vereinbart: Ab 2012 steigt das Rentenalter erst um einen Monat, später um zwei Monate pro Jahr. Irgendwann steigt es wahrscheinlich um ein Jahr pro Jahr. Jüngere müssen dann mit Lichtgeschwindigkeit altern, um überhaupt noch das Rentenalter zu erreichen. Niemand sollte derzeit eine Wette darauf abschließen, wer länger arbeiten wird, man selbst oder das benachbarte Atomkraftwerk.

Zwar liegen die Kraftwerke derzeit knapp vorn. Aber parallel zur Laufzeitdebatte haben jetzt wirtschafsnahe Forschungsinstitute gefordert, mit der Rente mal schön bis zum 70. Geburtstag zu warten. Solche Einmischungen kennt man vom anderen Ende des Lebens, aus der Bildungsdiskussion. Da ereifert sich alle Welt an der neuesten PISA-Studie und denkt keine Sekunde daran, dass die von der OECD angefertigt wird, auch einer wirtschaftsnahen Institution. Wenn die Wirtschaft festlegt, was Bildung ist, warum ist der Vatikan nicht für das Ranking von youporn-Videos zuständig? Schließlich beschäftigt man sich dort seit Jahrhunderten professionell mit dem Thema Liebe.

Einschulung möglichst schon mit fünf Jahren, Turbo-Abi zwölf Jahre später, ohne störenden Kriegsdienst ab ins schnelle Bachelorstudium – da kommen künftig schnell für jeden vier Jahre Lebensarbeitszeit dazu. Das freut die Wirtschaft, und die Lehrer freut es teilweise. Wenn die Schüler künftig das G8-Gymnasium spätestens mit 18 Jahren verlassen, findet man endlich wieder einen Parkplatz direkt vor der Schule.
Auch bei der Rente sollten wir derart positiv denken. Später in Rente heißt auch: später in die Altersarmut. Unmöglich ist in diesem Bereich nichts. Möglich auch, dass irgendwann nach einer Neuberechnung, einem Regierungswechsel oder einer durchsoffenen Nacht des Fachministers die Rente mit 67 rückwirkend eingeführt wird. Zahlreiche Senioren gucken spätestens dann dumm aus der Wäsche, wenn der Rückzahlungsbescheid für die vergangenen zwei Jahre im Briefkasten landet. Vielleicht liegt der ein oder andere dann schon zwei Jahre auf Pflegestufe drei im Seniorenheim rum. Plötzlich kommt morgens der Zivi und schiebt ihn im Pflegebett auf Maloche. Gesucht werden dann Arbeitsplätze mit vorwiegend liegender Tätigkeit.

Schon lange warte ich auf den Clash Of Generations. Wenn in ein paar Jahren die Sterbehilfe erst einmal allgemein anerkannt ist, sollte in dem Zusammenhang auch dringend der Begriff „unheilbar krank“ neu definiert werden. Auf der anderen Seite machen dann Senioren die Rechnung auf, was da für den Nachwuchs sinnlos verpulvert wird, für Menschen also, die noch keinen Cent in die Sozialversicherung eingezahlt haben. Zahnspangen, pädagogisch wertvolles Kindertheater, Jugendknast, dazu jahrelang täglich die kostenlose Wurstscheibe an der Fleischtheke. Milliarden kommen da zusammen, von dem Geld könnte mancher Rentner sorglos vor sich hin dementieren.

Vielleicht gibt es dann in der Altersversorgung längst Wahltarife. Die Alternative zur Rente mit 67 wäre die Rente bis 78, interessant für alle, die schon in ihrer Jugend exzessiv notfalls selbst die Stoffe missbraucht haben, die man heute in einer deutschen Kneipe noch legal erwerben kann. Oder die Rente Kiew, mit garantierter Versorgung bis zum Lebensende, auf basalem Niveau. Wurden bislang die Pflegekräfte mehr oder minder legal aus Osteuropa importiert, könnten bald schon die Rentner exportiert werden, also ihren alten Arbeitsplätzen in den Osten folgen.

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Peter Erik Hillenbach
13 Jahre zuvor

„Einschulung möglichst schon mit fünf Jahren, Turbo-Abi zwölf Jahre später, ohne störenden Kriegsdienst ab ins schnelle Bachelorstudium – da kommen künftig schnell für jeden vier Jahre Lebensarbeitszeit dazu.“

Jaaa – aber. Du vergisst, wie schnell zum Beispiel Organspende-Sabbaticals modisch werden könnten. Da ist die vorher eingesparte Zeit wieder futsch. Ein Vierteljahr pro Niere ist schon recht sportlich gerechnet, ne gut abgehangene Trinkerleber würde ich nicht unter zehn Monaten abgeben. Freiwilliger Beinverleih kostet zwei Jahre, mancher verliert gar den Kopf in diesen Zeiten!

Phaeton
Phaeton
13 Jahre zuvor

„die Hartz“

so wie Willis, Bruce: „die hard“

Marc Engels
13 Jahre zuvor

Wenns Lebensarbeitszeit, Rentenkasseneinzahlzeit wäre… Ist doch für viele Hartz IV- oder Altersteilzeit-Zeit. Deswegen muss es doch „Später in die Rente – früher in die Altersarmut“ heißen.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

Martin, was für ein Spaß dieses Posting zu lesen, gerade weil es eigentlich sehr ernst genommen werden sollte. Es gibt dafür nämlich einen ökonomisch sehr rationalen und vor allem nationalen Hintergrund.

Da eine erhebliche zusätzliche Einwanderung in diesem unseren Land genauso wenig durchsetzbar erscheint wie eine Bildungsoffensive für arme Kinder bleibt der nationalen Wirtschaft gar nichts anderes übrig, als politisch stattdessen für die Erhöhung der Lebensarbeitszeit zu sorgen.

Nur so können die Löhne und Gehälter auch noch dann möglichst niedrig gehalten werden, wenn der demographische Wandel auf den Arbeitsmarkt in Form erheblich weniger Arbeitsplatzsucher ankommt. Und das wird ab 2015 und von da an jedes Jahr dramatischer der Fall sein.

Mit dem Clash of Generations hat das nicht viel zu tun, weil die durchschnittliche Rentenhöhe viel mehr von der volkswirtschaftlichen Produktivität als von der Altersverteilung eines Landes abhängt.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

@ Arnold Voss (#4) – Zitat: „Mit dem Clash of Generations hat das nicht viel zu tun, weil die durchschnittliche Rentenhöhe viel mehr von der volkswirtschaftlichen Produktivität als von der Altersverteilung eines Landes abhängt.“
Wenn damit mehr gemeint sein soll als die Binse, dass es zwischen der Rentenhöhe und der Wirtschaftskraft eines Landes einen Zusammenhang gibt, dann möglicherweise der, dass mit der Steigerung der Arbeitsproduktivität der demographische Wandel zumindest kompensiert, wenn nicht gar überkompensiert werden könnte. Oder meinen Sie, lieber Arnold, noch etwas Anderes als das, was uns Oskar Lafontaine jahrelang in jeder zweiten Talkshow eingetrichtert hat? Für den Fall, dass nicht: ich gebe zu, das stimmt. Mit dem Produktivitätswachstum lässt sich das Renteniveau auch in einer alternden Gesellschaft halten. Jedoch unter der Voraussetzung, dass die Arbeitenden nichts von ihrer gestiegenen Effizienz abbekommen. Seniorenversorgung statt Wohlstandsmehrung. Ich hätte nichts dagegen. Damit wären wir schon mal zwei. Plus alle Rentner plus alle über, sagen wir mal 55. Schon haben wir die Mehrheit. Ich schätze, der Plan kann dennoch nicht klappen.

Gerhard Schiweck
Gerhard Schiweck
13 Jahre zuvor

@Später in Rente, später in …
Wenn man einmal erkannt hat, dass eine Medizin wirkungslos ist, dann nutzt es auch nichts, von dieser Medizin mehr oder weniger zu verabreichen. @Kays, @voss, Wie genau bitte sieht Ihr, Dein Konzept für eine vernünftige Altersversorgung aus?

Patrizia
Patrizia
13 Jahre zuvor

Ein Mädchen, welches z.B. heute im Kreisssaal in Tübingen geboren wird, hat eine
Lebenserwartung, – wenn die gegenwärtige Entwicklung sowohl medizinisch, als
auch ökonomisch mit den bekannten Daten in den Zukunft fortgeschrieben wird -,
von ca. 100 Jahren.

Nehmen wir an, dass dieses Mädchen studiert, mit 25 Jahren einen Abschluss hat
und anschliessend direkt ins Berufsleben einsteigt, … dann könnte sie sich beim
Erreichen des 65.Lebensjahres nach der alten Regelung, – wenn ich das jetzt alles
in Deutschland richtig mitbekommen haben -, in den Ruhestand versetzen lassen.
Sie würde also mit 40 Arbeitsjahren, 60 Jahre Kindheit, Studium, Rente finanzieren.

Sollte sie ein Pflegefall werden, was bei einer Mehrheit der Hochbetagten der Fall
ist, – für Deutschland werden für das Jahr 2050 etwa fünf Millionen Pflegefälle
prognostiziert (bei einer geringeren Gesamtbevölkerung) -, müsste sie auch diese
Kosten aus ihrem erhaltenen Einkommen finanzieren können; ein unmögliches
Unterfangen auch dann, wenn den Zukunftsmodellen sehr günstige Annahmen
zugrundegelegt werden.

Selbst eine höhere „Multifaktorproduktivität“ kann die steigenden Ausgaben im
Gesundheits- und Pflegebereich nicht annähernd auffangen, – weil diese erheblich
schneller wachsen, als umgekehrt die „Multifaktorproduktivität“ steigt. Das so
entstehende Defizit „an nicht erbrachter und nicht mehr zu erbringender Leistung“
seitens der einzelnen StaatsbürgerInnen, müsste dann durch staatliche Transfer-
leistungen ausgeglichen werden, was wiederum höhere Steuern bzw. Abgaben bedeutet, mit dem Rückkopplungseffekt eines zukünftig, gedämpften Anstiegs der
„Multifaktorproduktivität“.

So gesehen ist die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre praktisch eine
zwingende Notwendigkeit, welche sich aus den veränderten Daten ergibt. Auch
bei uns in der Schweiz wird eine Anhebung des „ordentlichen Rentenalters“, 64
Jahre bei Frauen und 65 Jahre bei Männern, auf 67 Jahre gefordert, obwohl es
weder die massive Frühverrentung wie in Deutschland gab, noch unsere Renten-,
Pensions- und Pflegekassen „Fässern ohne Boden“ sind; aber was nicht ist, kann
ja noch werden.

Abnick Grabotki
Abnick Grabotki
13 Jahre zuvor

50 Jahre arbeiten = 25 Jahre Rente; 40 Jahre arbeiten = 20 Jahre Rente; 30 Jahre arbeiten = 15 Jahre Rente usw. Renteneintritt flexibel! Beamte + öffentlicher Dienst haben grundsätzlich keinen anspruch auf Rente, dafür sind sie doch unkündbar! Rente unter 65 auch in Ausnahmefällen nicht möglich. Daher keine Plünderung der Rentenkassen möglich.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ Werner Jurga @ Gerhard Schiweck @ Patrizia

Natürlich kann das, was Patrizia in gewohnt seminaristischer Vortragsweise korrekt „Multifaktorproduktivität“ nennt, nicht beliebig alle anderen sozialen, sprich nicht produktiven Ausgaben einer Gesellschaft ausgleichen. Erst recht nicht wenn sich die unproduktive Lebenszeit schneller ausdehnt als die Produktivität selbst. Das ist dann allerdings auch eine Binse.

In einer Wissengesellschaft ist die sogenannten Überalterung aber nicht so problematisch wie sie klingt, weil geistige im Gegensatz zu (schwerer) körperlicher Arbeit nun mal bis in hohe Alter, und das äußerst produktiv, getan werden kann. Deswegen bin ich auch, jenseits der absehbar weiter steigenden Multifaktorproduktivität, nicht grundsätzlich gegen eine Erhöhung des Rentenalters.

Zu bedenken ist dabei jedoch, dass die in Deutschland mittlerweile enorm große Gruppe an (zu) früh verenteten und zugleich geistig und häufig auch noch körperlich arbeitsfähigen Staatsbediensteten, wenn sie denn alle bis 65 arbeiten würden, das finanzielle Problem der Rentenkassen zumindest kurzfristig beheben könnten.

Hinzu kommt, dass die umgedrehte Alterspyramide auf Grund der Babyboomerjahre ja die Form einer Bugwelle hat, sprich nicht auf Dauer bleibt sondern über die kommenden Jahrzehnte wieder abgebaut wird.

Ich bin deswegen für eine flexible Regelung des Rentenalters die in einem ersten Schritt all denen die längere Arbeitszeit erlaubt, die sie selber wollen und bewältigen können. Wenn das nicht reicht, sollen, nach eingehender gesundheitlicher Untersuchung, die Frührentner wieder arbeiten gehn.

In der dritten Stufe kann dann auf Zeit auch das generelle Rentenalter erhöht werden. Ich selbst kann mir ein Leben ganz ohne Arbeit/Aufgabe sowieso nicht vorstellen, möchte dabei aber nicht in ein Zeitkorsett gesteckt werden, was mich meiner individuellen Freiheit beraubt.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

@ Arnold Voss (#9): d´accord

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