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Streit um Kindergartenstreik

Foto: verdi / tübingen

Seit Wochen streiken die in Verdi organisierten kommunalen Kindergärtner für bessere Arbeitsbedingungen und auch für mehr Geld. In Dortmund hat sich der Stadtelternrat der Sache angenommen und kritisiert, der Arbeitskampf werde auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Ähnlich werden die Situation Eltern aus anderen Städten sehen. Wir dokumentieren deshalb einen offenen Brief, den der Verdi-Vertrauensmann in der Dortmunder Stadtverwaltung, Horst Kortwittenborg, an die Dortmunder Eltern geschrieben hat. Ziehen seine Argumente?

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Betroffenheit habe ich heute einen Artikel über Ihre Aktion und Ihre Äußerungen zum Streik im Sozial- und Erziehungsdienst in der Zeitung gelesen. Da heißt es, dass Sie zwar grundsätzlich die Anliegen der Kita-Beschäftigten verstehen, doch Sie werden auch mit dem Satz zitiert, dass ver.di einen Kampf auf dem Rücken unserer Kinder austrägt. Nun kann ich Ihre Verärgerung durchaus nachvollziehen, doch sollten Sie sich die Frage stellen wer wirklich für diese Situation verantwortlich ist. Die Verantwortung dafür tragen weder ver.di noch die streikenden Kolleginnen und Kollegen, sondern einzig und alleine die öffentlichen Arbeitgeber die ihren Haushalt auf Kosten unserer Kinder sanieren wollen. Nur so wird ein Schuh daraus!

Mit Recht sorgen Sie sich um die Zukunft Ihrer Kinder und mit Recht auch schon in dieser frühen Phase ihres Lebens, denn die Weichen werden bereits hier gestellt. Doch nicht nur an dieser Stelle gibt es Grund zur berechtigten Sorgen. So haben Sie sich sicherlich auch schon einmal die Frage gestellt, wovon und mit welcher Lebensqualität Ihre Kinder später eigentlich leben sollen. Was ist zum Beispiel, wenn zukünftige Generationen aus Mangel an Bildung nicht einmal in der Lage sein werden für sich selber zu sorgen? Wenn Lohndumping oder fehlende Arbeitsplätze ihnen nicht die Butter auf dem Brot lassen? Wenn sie gar die Grundwerte einer solidarischen Gemeinschaft nie vermittelt bekommen haben, weil es an ausgebildeten Menschen fehlt, die diese Werte weiter geben? Denn wer wird zukünftig noch bereit sein bei der Belastung und einer schlechter werdenden Bezahlung ausgerechnet in einem solchen Bereich zu arbeiten. Selbst wenn dann der Staat aufgrund solcher Einsparungen seine Schulden zum Teil abbauen könnte, was ich sehr bezweifle, wird der gesellschaftliche Schaden nie wieder gut zu machen sein. Diese moralische Zinslast wird kaum zu begleichen sein.

Wer etwas für seine Kinder tun will, der muss auch bereit sein, finanzielle Mittel in deren Zukunft zu stecken. Kindern eine sichere Zukunft zu geben, das gibt es eben nicht für ne’n Appel und’n Ei, da muss investiert werden und das scheint bei vielen Arbeitgebern, Möchtegernökonomen und anderen Wirtschaftspredigern immer noch nicht angekommen zu sein. Warum sonst wollen sie gerade dort sparen, wo einst Bildung, Erziehung und Sozialarbeit das Fundament einer früher so erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft mitgebildet haben. Doch ob in heruntergekommenen Schulen, wo Hausmeister für immer mehr Objekte zuständig sind und Reinigungskräfte immer größere Reviere zugeteilt bekommen. Wo Schulsekretärinnen bei einem jämmerlichen Gehalt einen Wust an Aufgaben zu erledigen haben, der gut und gerne auch für drei Arbeitsplätze reichen würde. Oder in den Kitas wo Erzieherinnen und Erzieher für einen Gesundheitstarifvertrag kämpfen müssen, der ihnen endlich die Chance gibt ihr Rentenalter nicht als körperliches Wrack erreichen zu müssen. Oder bei unseren Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern die als Dank für ihre besondere psychische Belastung Überstunden aufgedrückt bekommen, weil notwendige Stellenbesetzungen nicht vorgenommen werden. Die, sollten sie einen Fehler bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit machen, sich im schlimmsten Fall vor Gericht verantworten müssen, während die eigentlich Verantwortlichen ausschließlich um ihre eigene Rettung bemüht sind. Diese unvollständige Liste von Missständen, die vor allem durch rigide Einsparungen entstanden sind, zeigt ganz deutlich wer am Ende dieser Kette die Leidtragenden sein werden. Unsere Kinder!

Der Streik im Sozial- und Erziehungsdienst ist mehr als nur ein Arbeitskampf und ist nötig weil er diese Missstände offen legt. Nicht nur in den Kitas, sondern auch in der Sozialarbeit oder beim Jugendhilfedienst müssen Verbesserungen für die Beschäftigten geschaffen werden, damit sie ihrer anspruchsvollen Tätigkeit gerecht werden können. So kann dieser Streik richtungsweisend für das Wohl einer ganzen zukünftigen Gesellschaft sein und damit auch unser aller Kinder. Deshalb bitten wir um Ihr Verständnis und um Ihre Unterstützung. Richten Sie Ihre Kritik an die öffentlichen Arbeitgeber, denn sie sind es, die die Zukunft unserer Kinder in der Hand haben. Nur wenn wir alle zusammen halten und uns nicht gegeneinander ausspielen lassen, nur dann können wir auch etwas für unsere Kinder erreichen und damit natürlich auch für die Menschen die sie ein großes oder auch nur kurzes Stück auf den Weg in eine sichere Zukunft begleiten. Menschen, wie unsere Kolleginnen und Kollegen in den Kita-Einrichtungen, in den Jugendhilfediensten, in den Sozialeinrichtungen…….

Mit freundlichen Grüßen

Horst Kortwittenborg

Sprecher der ver.di-Vertrauensleute

Stadtverwaltung Dortmund

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1 Kommentar
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Thomas
14 Jahre zuvor

>Ziehen seine Argumente?

Klar.

Was aber nicht zieht, ist das oben eingerückte Propagandabild von Verdi/Tübingen:

Unmündige Kurze zur Propaganda zu nutzen ist aus meiner Sicht nicht statthaft.

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