
Jetzt erzählt also der amerikanische Präsident genau das, was bei meiner Arbeit in der Apotheke zur Routine gehört. Ich verkaufe jeden Tag mehrere Packungen Paracetamol. Und wenn eine Schwangere etwas gegen Fieber oder Schmerzen möchte, bekommt sie von mir natürlich auch Paracetamol. Denn es ist und bleibt das Mittel der Wahl gegen Schmerzen und Fieber bei Schwangeren. Und dazu gebe ich der Patientin genau den gleichen Hinweis, den Trump genannt hat: Es wird „dringend empfohlen, die Einnahme von Tylenol (Paracetamol) während der Schwangerschaft zu beschränken“, außer es ist medizinisch notwendig. „Das gilt beispielsweise für Fälle von extrem hohem Fieber.“
Wie kommt der Präsident der USA dazu, meine Arbeit zu machen? Und was hat er sonst noch Lustiges erzählt?
Es wäre ja eigentlich witzig, wenn Trump Arzneimittelberatung machen würde, aber da er keinen Plan von Medikamenten hat – wie er schon mit seiner Empfehlung von Hydroxychloroquin gegen COVID-19 unter Beweis stellen konnte – richtet er natürlich wieder einmal mehr Schaden an. Trump sagte nämlich auch noch über Paracetamol, das in den USA als Tylenol verkauft wird: „Die Einnahme von Tylenol ist nicht gut. Ich sage es ganz offen. Nicht gut.“
Diese generelle und undifferenzierte Herabwürdigung hat Paracetamol nicht verdient. Es ist eines der wichtigsten Schmerzmittel weltweit – und zwar seit vielen Jahrzehnten. Auch in der Schwangerschaft ist Paracetamol das am häufigsten verwendete rezeptfreie Schmerz- und Fiebermittel. Es „wird von mehr als der Hälfte der schwangeren Frauen weltweit eingenommen. Der Wirkstoff gilt als die sicherste medikamentöse Option zur Behandlung von Kopfschmerzen, Fieber und anderen Schmerzen“, so die Pharmazeutische Zeitung.
Risiken wie z. B. Leberschäden bei Überdosierung, die mit der Anwendung von Paracetamol verbunden sind, sind hinlänglich bekannt. Es ist und bleibt das Mittel der Wahl in der Schwangerschaft. Andere Schmerz- und Fiebermittel sind nämlich im Vergleich zu Paracetamol in der Schwangerschaft wesentlich gefährlicher. Auch die aktuelle und sehr zuverlässige Datenbank embyotox empfiehlt es als Mittel der Wahl. Auch ein kompletter Verzicht auf solche Mittel in der Schwangerschaft ist mit Gefahren für das Ungeborene verbunden. So kann beispielsweise hohes Fieber das Risiko für Fehlgeburten erhöhen.
Wie kommt Pharma-Trump also darauf?
Es gibt mal wieder eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen Autismus/ADHS und einer Paracetamoleinnahme feststellt. Es ist nicht die erste…
Im letzten Jahr gab eine größere Studie Entwarnung
Die Studienlage ist und bleibt umstritten, auch wenn die neue Studie 46 Studien zusammenfasst und auswertet. Von diesen 46 wurde in 27 Studien ein Zusammenhang zwischen Paracetamol in der Schwangerschaft und Autismus/ADHS festgestellt, in 9 Studien fand sich kein Zusammenhang, und 4 wiesen sogar auf eine schützende Wirkung von Paracetamol hinsichtlich Autismus/ADHS hin.
Es gibt also auch bei dieser Studie nur Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang, nichts jedoch, was eine abschließende Beurteilung oder eine andere Bewertung des Arzneimittels zulassen würde. Die Studie zeigt nicht, dass Paracetamol direkt neurologische Entwicklungsstörungen verursacht. Selbst der Professor, der die Studie publizierte, unterstreicht darin: „Schwangere Frauen sollten die Einnahme von Medikamenten nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt abbrechen. Unbehandelte Schmerzen oder Fieber können auch dem Baby schaden.“
Eine strenge Indikationsstellung ist in der Schwangerschaft eine Selbstverständlichkeit. Zumindest bei uns. Wir haben Apothekenpflicht – das heißt, Schwangere bekommen Paracetamol nur in der Apotheke mit entsprechender fachkundiger Beratung und nicht an jeder Tankstelle wie in den USA.
Trumps Statement hatte aber sicher noch anderes im Blick.
Das Thema Autismus ist bei seinem Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. sehr beliebt. Wenn Kennedy aber von einer Autismus-Epidemie spricht, muss man feststellen, dass es diese so nicht gibt. Die entsprechende Diagnosestellung nimmt zwar zu, die für Autisten typischen Symptome allerdings nicht. Sie werden lediglich besser erkannt und sind nicht häufiger geworden.
Witzig ist Trumps Hinweis auf die Amischen (Amish People), bei ihnen gäbe es keinen einzigen Autisten.
Bei der Art zu leben, wie es diese Volksgruppe praktiziert, sind die für Autisten problematischen Reizüberflutungen nicht vorhanden, denn sie lehnen viele moderne Technologien wie Strom und Autos ab und folgen strengen Verhaltensregeln. Autisten lieben so was.
Außerdem war es natürlich auch eine gute Gelegenheit, das neue „Wundermittel“ gegen Autismus, das die FDA zugelassen hat, anzupreisen.
Leucoverin ist eine chemische Variante der Folsäure, also eines B-Vitamins, das vielleicht für Autisten typische Symptome wie verbale Kommunikation, soziale Defizite und Verhaltensstörungen verbessern könnte. Die Studienlage ist äußerst dünn. Eine Heilung oder ein vollständiges Verschwinden der Autismus-Symptome ist höchst unwahrscheinlich. Zudem ist auch unklar, welche Patienten davon überhaupt profitieren können.
Und zu guter Letzt konnte Trump auch wieder einmal seine Impfskepsis zum Ausdruck bringen und gegen die Hepatitis-Impfung bei Neugeborenen schießen, die von der WHO empfohlen wird.
Ich bin jedenfalls froh, dass Trump nicht in meiner Apotheke arbeitet.
Fachlich fundierte und patientengerechte Beratung zu Arzneimitteln sieht anders aus.
