Art.Fair – Bitte keine Kunst mehr machen

Es kostet drei Euro, auf der Art.Fair in Köln eine Jacke an der Garderobe abzugeben. Kein Grund, sich zu empören. Hier ist Markt, nicht Museum. Das Zielpublikum betritt dieses dreckige Messegelände, um mehrere tausend Euro auszugeben. Für Kunst, oder für das, was es dafür hält. Die anderen sind nur hier, um sich schlau zu fühlen und zu verbittern. Um vom Ferienhaus in Nizza zu träumen, das sie nie hatten oder haben werden und für dessen Wohnzimmer sie deshalb niemals ein Gemälde werden auswählen können.

Credits: Felix J. Hild
Credits: Felix J. Hild

 

Was ist schon Kunst, wenn es so schön leuchtet?

Die Menschen starren auf Bilder und legen ihre Köpfe schief. Sie alle erwarten Kunst. Keine Ahnung, was Kunst ist. Jeder, der meint, eine Ahnung zu haben, einen Definitionskatalog, belügt sich selbst. Aber wenn der Blick beim Betreten der Ausstellungsfläche auf eine grell-glitzernde Marilyn fällt, auf Leinwände mit blöden Motivations-Comics (150 Euro, quasi die Quengelware des Kunsthändlers), die nicht mal auf einer Kaffeetasse eine Daseinsberechtigung hätten und auf eine Wand voller Gemälde, die aussehen, als hätte man einen Kunst-Leistungskurs Banksy in die Skizzenbücher interpretieren lassen, dann kann man vielleicht doch sagen: Das ist es nicht. Das ist nicht mal mehr infantil, nicht selbstreflektierend, nicht ironisch. Das ist platter als das Papier, auf dem es vorgezeichnet wurde. Das ist Mist, auch in 1000 Jahren noch.

Eine Kopie der Kopien des Originals

Aber darum geht es hier nicht. Hier geht es darum, dass Künstler auch ab und zu essen müssen und Galerien nicht aus gutem Willen oder gesellschaftlichem Verantwortungsgefühl Bilder ausstellen. Im Vorbeigehen ist zu belauschen, wie Galerist_innen versuchen, den leinwandgewordenen Street-Art-Abklatsch zu verkaufen. „Der Künstler hat hier nicht nur den Stil nachgeahmt, sondern zusätzlich etwas verändert, wodurch das Bild einen ganz eigenen Gehalt bekommt. Damit thematisiert es ja zugleich die Kopien des Originals.“ Wer so schlau über Scheiße reden kann, der verkauft auch einen Bungalow an der Autobahn als Luxusapartment. Und irgendwie sieht es ja gut aus, das Bild, irgendwie urban, weißer Hintergrund und Airbrushzeug, irgendjemand wirft mit Blumen und guckt politisch. Gekauft, nehm ich, kann ich die 4500 Euro mit Girokarte zahlen?

Peinlich und unangenehm

Besonders peinlich wird es dort, wo Künstler_innen beim Verrichten ihrer Arbeit zu beobachten sind. Wenn man im Supermarkt einen Menschen im Frau-Antje-Kostüm neben das Kühlregal stellt, verkauft sich der holländische Käse sicherlich besser. Wenn zwei Frauen an einem Messestand in beschmierten Latzhosen und mit aufgesetztem Genie-Lächeln ihre eigenen Bilder nachmalen müssen, dann sollte man gesenkten Hauptes vorbeigehen, um sie nicht noch weiter zu demütigen.

Man sollte sich nicht daneben stellen, auf das nächstliegende Gemälde zeigen und frech fragen: „Und, wie lange haben Sie dafür gebraucht?“ Als wäre Kunst doch nur ein besonders dekoratives Handwerk. Als könnte man den Preis von 20.000 Euro für eine Leinwand mit Farbe durch die Arbeitszeit rechtfertigen oder durch den Materialwert. Packen Sie mir doch nochmal 300 Gramm von dieser Bildhauerei ein, danke, keine Tüte, geht schon so mit.

Foto: Anna Mayr
Mehr als zehn Mal verkauft: Dieser Teddybär.

 

Viele Perspektivenspiele hängen herum, „witzige Idee“, würden Kassenpatient_innen beim Anblick dieser Bilder in der Orthopädiepraxis ihres Vertrauens murmeln, bevor sie wieder in einer dreimonatealten „Brigitte“ blättern. Eine chinesische Galerie stellt Werke aus, die wie Lesezeichen-Wackelbilder sind, Farbspielereien auf schwarzem Grund, die Linien bewegen sich. „PLEASE DO NOT TOUCH“ steht direkt darunter und man sollte meinen, das sei selbstverständlich. Aber wenn etwas so dolle glitzert, wer kann da widerstehen?

Nicht ohne Nazis

Die unangenehmste Arbeit der Ausstellung war wohl ein aus Münzen zusammengesetztes Bild, das eine spanische Galerie sich an die Außenwand ihres kleinen Stellwand-Kabuffs genagelt hatte. Von rechts sah der Betrachter ein schwarzes Hakenkreuz auf hellem Grund, im Vorbeigehen änderte sich das Bild und schließlich blickte man von links auf einen schwarzen Davidstern. Kurzum: Nazis, Juden, alles eine Frage der Perspektive? „Ein nicht ganz ungewöhnliches Symbol für die Kölner Messehallen“, meinte auch Blogger Gerd Buurmann – 1933 wurden aus dieser Halle Juden zur Vernichtung nach Polen deportiert, heute hängt man hier eben irgendwas zwischen Verschwörungstheorie und perfider Subversivität auf.

Hakenkreuz verschwunden

Am Sonntag, dem letzten Ausstellungstag, war das Bild jedoch verschwunden. Vielleicht aus Feigheit des Galeristen. Vielleicht auch, weil es jemand gekauft und direkt mitgenommen hat. Was wäre beunruhigender? Als Platzhalter blieb eine Arbeit des gleichen Künstlers, die nach dem gleichen Prinzip funktionierte: von links sieht man ein Kreuz, von rechts Mond und Sichel. Nun drängt sich doch die Vermutung auf, dass diese Werke einfach nur aus einer Kombination von Effekthascherei und Dummheit entstehen. Das macht sie zwar nicht besser oder angebrachter, aber weniger ekelerregend.

Eigentlich könnte die Art.Fair ein extrem interessantes Moment moderner Kunst sein. Eigentlich könnte man hier darüber nachdenken, woher Kunst ihren Wert hat. Warum Menschen bereit sind, für bestimmte Kunst Geld auszugeben und für andere nicht. Warum sich einige der hier ausgestellten Werke vielleicht irgendwann im Museum wiederfinden und andere bei Haushaltsauflösungen und was das über ihren Preis aussagt. Was ihr Preis mit ihrem Wert zu tun hat. Was Qualität bedeutet, wenn es um Dinge geht, die sich Kunst nennen. Warum die flüchtige Skizze einer Katze, von Andy Warhol unterzeichnet, 11.000 Euro kostet, während eine viel aufregendere und aufwändigere Fotografie bei der Galerie nebenan schon für 8500 Euro erhältlich ist. Ob Gefälligkeit ein Zeichen für schlechte Kunst ist, oder ob das vielleicht eine Kategorie ist, die Kunst überhaupt nichts angeht. Ob es okay wäre, ein Bild zu kaufen, nur um entscheiden zu können, dass niemand es jemals wieder betrachten muss. Ob vielleicht die Postmoderne ein Bedürfnis nach Belanglosigkeit hervorruft, das Künstler_innen gerne befriedigen, weil das Leben schon anstrengend genug ist, da muss nicht auch noch die Kunst kompliziert sein.

Aber für solche Fragen ist kein Platz zwischen den labyrinthmäßig aufgebauten Stellwänden. Auf der Art.Fair ist man zum Kaufen und Verkaufen, mit Marktschreier_innen und mit Leuten, die sich fix ein egales Gemälde unter den Arm klemmen, das ihnen vor zehn Minuten noch 2000 Euro wert war, um nun damit schnellstmöglich zum Kaffeestand zu wackeln. Irgendwas muss man ja machen mit dem Geld, warum also nicht Mäzen_in werden für Künstler_innen, die Quatsch produzieren für einen Markt, auf dem man nichts versteht.

Zu viel Geld und zu wenig Geschmack: In Köln scheint es von dieser Sorte Mensch nicht ausreichend Laufkundschaft in die Messehallen gespült zu haben. Deshalb war es wohl die letzte Art.Fair in Köln Deutz. Nächstes Jahr findet die Messe in Düsseldorf statt.