Ursula von der Leyen: Gut für Europa, gut für Deutschland

Madame la Présidente: Ursula von der Leyen
Madame la Présidente: Ursula von der Leyen

 

Ursula von der Leyens Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission ist gut für Europa und gut für Deutschland. Sie mag zwar für viele nicht die Kandidatin der Wahl gewesen sein, aber was wäre die Alternative gewesen? Die EU hat sich selbst in unglaublicher Schnelle in eine derartige Sackgasse manövriert, dass wir alle nur froh sein können, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Dank Ursula von der Leyens Bereitschaft, ihr politisches Lebenswerk auf’s Spiel zu setzen, ist es gerade noch mal gut gegangen.

Kein vernünftiger Europäer kann sagen, dass er mit der jetzigen Situation vollauf zufrieden ist. Zu heftig ist der Tango, den die Staats- und Regierungschefs auf’s Parkett gelegt haben. Aber wenn das Straßburger Parlament von der Leyen aus Protest dagegen abgelehnt hätte, wäre die EU als Ganze in eine tiefe Krise gestürzt, vielleicht in die größte institutionelle Krise seit ihrer Gründung.

Gerade noch die Kurve gekriegt

Was wäre danach gekommen? Erneut Hinterzimmerdiplomatie, Machtpoker um Posten und Pöstchen oder gar Neuwahlen? Und das in einem politischen Umfeld, das geprägt ist durch Donald Trump, Victor Orban, Matteo Salvini, Brexit, Vladimir Putin, der Migrationskrise und, und, und … Das EU-Parlament hat in letzter Minute gerade noch die Kurve gekriegt und die Europäische Union vor einer potentiell existentiellen Bedrohung bewahrt. Die Vernunft hat sich auf den letzten Metern durchgesetzt.

Le coupable, c’est Macron

Verantwortlich für das Beben in der EU ist in erster Linie Emmanuel Macron, der französische Staatspräsident. Er hat die institutionelle Machtfrage gestellt und zugunsten des Europäischen Rats entschieden. Das ist das Gremium, in dem sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union halbjährlich zu den nächtlichen EU-Marathongipfeln treffen, um dort die eigentlich wichtigen Entscheidungen treffen. Im EU-Rat kommt einem Land wie Frankreich und seinem Präsidenten eine weitaus gewichtigere Rolle zu als im EU-Parlament, in dem es nur rund 10% der insgesamt 751 Abgeordneten hat. Für einen geschichtsbewußten Staatsmann wie Macron ist das viel zu wenig für die Grande Nation mit ihrem elitegeschulten Beamtenapparat. Macrons Sieg kann sich aber alsbald als Pyrrhussieg herausstellen, er wird zwangsläufig Gegenreaktionen hervorrufen, die wir uns derzeit noch nicht ausmalen können. Sicher ist nur, dass sie kommen werden.

Manfred Weber, das Opfer

Aber in dem Spitzenkandidaten Manfred Weber hat Macron auch ein dankbares Opfer gefunden. Weber ist zweifelsohne ein EU-politisches Leichtgewicht. Ihm ist es an keiner Stelle gelungen, den europäischen Gedanken zu verkörpern oder gar Enthusiasmus für die europäische Demokratie zu entfachen. Das hat nichts mit seiner mangelnden Exekutiverfahrung zu tun, wie von Macron behauptet. Eine solche war noch nie ein echter Hinderungsgrund für höhere Ämter, auch bei Macron selbst nicht. Ihm fehlt halt das gewisse Etwas, das echte politische Führer ausmacht: Charisma, Gravitas, Dignitas. Ihn als Spitzenkandidaten und vermeintlich geborenen Kommissionpräsidenten aufzustellen war auch ein Versagen der Europäischen Volkspartei EVP, insbesondere deren deutschen Teil CDU und CSU. Es war ein leichtes für Macron, ihn beiseite zu schieben.

Wo war Guy Verhofstadt?

Aber auch das EU-Parlament hat versagt. Wenn die in Straßburg um die Demokratie geweinten Krokodilstränen echt gewesen wären, so hätten sich die tragenden Fraktionen EVP, Sozialisten, Grüne und Liberale zusammen raufen müssen. Sie hätten sich um des Prinzips willen um Manfred Weber scharen müssen. Haben sie aber nicht. Stattdessen rieben sie sich auf zwischen nationalen Loyalitäten und parteipolitischen Egoismen, so wie die deutsche SPD mit ihrem schäbigen Anti-Leyen-Pamphlet. Grüne, Gelbe und Tiefrote blieben europapolitisch farblos, freundlich ausgedrückt. Und wo sind eigentlich die sonst so wortgewaltigen Prediger des europäischen Parlamentarismus und Liberalismus geblieben? Hat irgendjemand etwas von dem ansonsten so youtube- und twittergewandten Belgier Guy Verhofstadt gehört, dem allseits rhetorisch brillant gegen die Feinde der Demokratie wetternden Vorsitzenden des liberalen ALDE-Bündnisses, dem auch Macrons Truppen angehören?

Rekordwahl trotz EU-Frust

Die institutionelle Krise, in der die EU fast hineingerutscht wäre, hat viele Väter und Mütter. Völlig verantwortungslos das Ganze, erst recht angesichts der wieder aufgeflackerten EU-Zustimmung der Menschen, die sich in einer Rekordwahlbeteiligung niederschlug. Einer Zustimmung, die trotz allem EU-Frustes das Wertvolle an der EU erkannte, die sich gegen die autoritären Tendenzen in vielen Mitgliedsländern stemmte, nicht nur in Ungarn, Polen und Rumänien, sondern auch gegen die Erstarkung des rechten Spektrums bei uns in Deutschland. Unsere Politiker hätten dankbar für dieses Plädoyer pro liberalem Europa sein müssen und daraus etwas Positives, etwas Großes machen müssen. Stattdessen haben sie versagt.

Bonne chance, Madame la Présidente!

Gerettet hat das Ganze – vorerst – Ursula von der Leyen, die sich in dunkler Stunde auf eine riskante Wette eingelassen hat, und zwar mit ihrer ganzen politischen Existenz. Sie mag nicht die Idealkandidatin gewesen sein und ihre politische Weste in Deutschland ist bei weitem nicht blütenweiß. Aber sie ist eine glaubwürdige Europäerin, die Statur gezeigt hat und die in den letzten Tagen mächtig gewachsen ist. Nicht zuletzt ihre leidenschaftliche Kandidatenrede gestern vor dem EU-Parlament hat überzeugt. Dass sie den Job schafft, das bezweifeln nur wenige. Sie hat vierzehn Jahre als Bundesministerin hinter sich, mehr als jeder amtierende Minister, davon sechs als Verteidigungsminsterin, dem schlechthin am wenigsten dankbaren Job in Berlin. Derzeit scheint es niemanden sonst zu geben, dem man Europa zu führen traut und auf den sich gleichzeitig 27 Mitgliedsstaaten einigen können. Daher: Bonne chance, Madame la Présidente!

 

 

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ke
ke
5 Jahre zuvor

Gut für Europa?
"Zensursula " wird Europa-Chefin und dazu gibt es ein Paket von Personen, deren Werdegang Herr Sonneborn zusammenfasst:
https://www.youtube.com/watch?v=cc-elFcs96Y

Insbesondere mache ich mir bei Frau Lagarde große Sorgen um den Wert meines Geldes. Was qualifiziert sie für diesen Job?

Bisher kann ich auch nicht erkennen, dass Frau v.d.L. irgendwas in ihren Ministerien erreicht hat. Insbesondere bei der BW mit den Beraterskandalen.

Typische Hinterzimmerdeals ohne Vision.
Selbst Herr Weber, der im Rahmen der Artikel 13 Diskussionen Verfahren so anpassen wollte, dass möglichst kein Bürgerprotest vorkommen kann etc. gilt jetzt als Opfer und als Demokrat.

Er war Kandidat einer Fraktion, die keiner kennt. Das soll Demokratie sein, die Bürger für die EU begeistert? Ich kann keinen Kandidaten im EU Parlament wählen, sondern muss Listen wählen.

Gut für Deutschland? Ja, vielleicht schafft es AKK, die BW aus der zu bringen. Zweifel sind aber hierzu berechtigt.

Dann haben wir noch Frau Barley, die sich wieder mit Gratulations-Küsschen abbilden lässt, aber gleichzeitig gegen Frau v.d.L. gestimmt hat (?). Sie weiß immer noch nicht, was sie will.

Insgesamt eher ein Armutszeugnis für Europa. Mehr Kompetenzen für Europa werden eher zu einem Bruch der EU führen. Das System ist zu groß. Alle großen Systeme mit vielen Staaten abgesehen von den USA als Einwanderungsland sind nur durch autoritären Regierungen zusammengehalten worden.

Björn Wilmsmann
Björn Wilmsmann
5 Jahre zuvor

Für Europa reicht's …

Dass die EU sich derart in die Sackgasse manövriert hat, zeigt nur, dass deren Institutionen, Vorgehensweisen und formelhafte Aussagen nicht mehr zeitgemäß sind. Die EU und ihre Vertreter sind im Denken der frühen 90er und Junkers ewigem wie bräsigem "Mehr Europa wagen" stehen geblieben. Die Welt hat sich weiter entwickelt. Die EU kann es scheinbar nicht.

Das mit der Rekordwahl wird eine einmalige Angelegenheit gewesen sein, da die EU eben genau jene Wähler, die noch etwas Wertvolles an der EU erkannt zu haben glauben, zu verachten scheint.

Die Europäische Einigung ist nach wie vor ein guter Gedanke. Die EU ist aber nicht mehr das adäquate Instrument, um diesen Gedanken umzusetzen.

Bei diesem unsäglichen Geschacher ist eigentlich nur noch die Frage, ob Brexit noch bevor oder erst nachdem die EU sich unfreiwillig selbst abwickelt eintritt.

Helmut Junge
Helmut Junge
5 Jahre zuvor

@Ke, siehe ich ähnlich. Sie ist gewählt worden mit den Stimmen der polnischen Pis und von Orban, und das war knapp. Also wird sie die rechten Ränder auch bedienen müssen.
Übrigens ist sie aus meiner Sicht viel zu steif, um als Sympathieträgerin zu erscheinen.
Glühende Europäerin? Das glaube ich schon, aber die EU wird aus meiner Sicht deutlich abkühlen und was daraus wird, bleibt abzuwarten.

Arnold Voss
5 Jahre zuvor

Da das europäische Parlament nicht in der Lage war, einen von der Mehrheit getragenen Kandidaten vorzuschlagen, bekommt Jemand das wichtigste Amt in der EU, der zwar nicht kandidiert hat, dafür aber genau dem politischen Block angehört, der von den Wählern abgestraft wurde, bzw. seine Mehrheit im Parlament verloren hat. Das alles mit Hilfe genau der europafeindlichen politischen Fraktionen gegen die die Mehrheit der Wähler sich deutlich ausgesprochen hat. Das ganze wird hier dann noch als heroischer politischer Akt verkauft, der gut für die EU ist, weil es noch schlimmer hätte kommen können. Nein lieber Autor, es hätte nicht schlimmer kommen können.

Thomas
Thomas
5 Jahre zuvor

@#4 Arnold Voss

Weber und Timmermanns gehören doch auch dem Block an der von den Wählern abgestraft wurde. Die Liberalen waren der Gewinner, aber hatten keinen Spitzenkandidaten, Grüne und Nationalisten haben auch gewonnen, aber sind viel zu schwach.

Gerd
Gerd
5 Jahre zuvor

UvL ist gut … für Marcon, die Osteuropäer und den Brexit. Die freuen sich über eine gescheiterte Ministerin mit einer knappen Mehrheit, weil die ihnen keine Steine in den Weg legen kann.

Bärnd
Bärnd
5 Jahre zuvor

Unglaublich. Flintenuschi…….. Das ist der Untergang für die nächste EU-Wahl.
An den Verfasser: Im Übrigen besteht der Europarat aus den europäischen Ländern (inkl. Russland, Türkei, Ukraine).Hier werden wieder Begriffe durcheinandergeworfen. Die Staatschefs der EU müssen einen Kandidaten vorschlagen, den das EU-Parlament bestätigen muss. Richtige Demokratie ist das natürlich nicht. Das ist Postengeschacher ohne Ende für Leute, die nur als unfähig bezeichnet werden können. Man kann den intelligenten Wählern überhaupt nicht mehr klar machen, warum man ein solches Parlament überhaupt braucht. Zum Kotzen

Helmut Junge
Helmut Junge
5 Jahre zuvor

Ich habe den Eindruck, daß die Leute, die die Wahl von Frau vdLeyen bejubeln, erst einmal zählt, daß wir sie hier bei uns losgeworden sind.
Dann werden sich einige auch den Schritt zu mehr Konservativismus erhoffen.
Die Welt beschreibt das sehr gut.
https://www.welt.de/politik/ausland/article196985329/Ursula-von-der-Leyen-Der-Preis-des-Sieges.html

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
5 Jahre zuvor

@#7 Bärnd: Wenn Sie selbst schon EU-Rat und Europarat verwechseln, sollten Sie das Erklären bei wirklich intelligenten Menschen erst gar nicht probieren und zunächst mal hier nachsitzen: https://www.coe.int/de/web/about-us/do-not-get-confused

Spalter
Spalter
5 Jahre zuvor

"…Judäische Volksfront? – Wir sind die Volksfront von Judäa!" Wer erinnert sich noch?

ruhrreisen
ruhrreisen
5 Jahre zuvor

Zweierlei Maß
Das ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass bestimmte Kasten, die lügen, betrügen, tricksen und täuschen in diesem System nicht verlieren, sondern nach oben weggelobt werden.
Ein fatales Zeichen, für all die "Dummen", die ihr Leben lang "ehrlich" Steuern zahlten, sich krumm buckelten und am Ende von ihrer spärlichen Rente vegetieren müssen.

ke
ke
5 Jahre zuvor

@12 ruhrreise
Welche Kandidaten der vielen Personalvorschläge meinen sie damit jetzt alles ?

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