
Ein jüngerer Migrant greift einen 69Jährigen an, den Autor, schlägt ihn mit der Faust ins Gesicht und beleidigt ihn als „Scheiß-Deutscher“. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren umgehend ein. Ein leider ziemlich alltäglicher Skandal, der selbst bei Nicht-Staatsverdrossenen das Vertrauen in den Rechtstaat erschüttert.
Meine russische Frau und ich leben seit einem Jahr im beschaulichen Buxtehude, unweit von Hamburg, wo wir vorher gewohnt haben. Wir fühlen uns in dieser kleinen alten Hansestadt wohl. Es geht nicht so hektisch zu wie in der Großstadt, die Straßen sind sauber, die Menschen freundlich. Es gibt allerdings Ausnahmen. Eine solche traf mich Mitte Juni. Im Wortsinn und äußerst schmerzhaft: Ein 30-40jähriger türkischstämmiger Mann prügelte mich durch die geöffnete Autoscheibe und versuchte mich aus dem Auto zu zerren, um mich „richtig zu schlagen“, wie er drohte, nur weil ich es gewagt hatte zu hupen, da er mit seinem Mercedes die enge Straße verperrte und ich meine Frau zur medizinischen Fußpflege bei einer 90Jährigen bringen musste. Ein Schock, dem nun ein weiterer folgte.
Als langjähriger Journalist und auch Gerichtsreporter weiß ich, dass die Justiz häufig überlastet ist. Staatsanwälte und Richter verfolgen deshalb Fälle, die aus ihrer Sicht Bagatellen sind, nicht und stellen die Verfahren ein, manchmal gegen Geldauflage. Zumal wenn die Beweislage kompliziert ist. Um sich auf andere, für sie schwerwiegendere oder einfachere Fälle zu konzentrieren.
Für die Betroffenen stellt es sich jedoch ganz anders dar. Ihnen ist es egal, warum Täter nicht angeklagt und verurteilt werden. Sie möchten, dass das Unrecht, das ihnen geschehen ist, anerkannt und geahndet wird. Und sie dadurch ein Stück Wiedergutmachung und Gerechtigkeit erfahren.
Gewalt geduldet
Nicht anders geht es mir. Ich will nicht, dass der Schläger, der über mich herfiel und auch meine Frau bedrohte, ins Gefängnis kommt. Sondern dass ein Gericht ihm unmissverständlich klar macht, dass Gewalt in diesem Land nicht geduldet wird – völlig egal, woher Täter und Opfer stammen, ob sie eine Migrationsgeschichte haben oder wie ich hier gebürtig sind. Und was die Motive sind. Deshalb habe ich Strafanzeige erstattet.
Um nun zu erfahren, dass „kein öffentliches Interesse“ an der Strafverfolgung bestehe, weil eine „gegenseitige Provokation“ vorliegen könne. Und der Täter mich nicht schwer genug verletzt hat: Zum Glück hat er mein Jochbein nicht zertrümmert, wie ein gewalttätiger arabischer Antisemit bei einem jüdischen Studenten in Berlin, sondern nur so geprellt, dass ich bis heute Kopfschmerzen habe. Und einen noch immer schmerzenden Finger meiner linken Hand nicht gebrochen, sondern nur schwer verstaucht. Außerdem hat ein Neurologe festgestellt, dass als mögliche Folge seiner Faustschläge meine linke Halsschlagader geschädigt ist, sodass ich jederzeit einen Schlaganfall erleiden könnte. Auch das reichte der Staatsanwaltschaft offenbar nicht.
Natürlich unterstelle ich nicht, dass sie meine Anzeige niedergeschlagten hat, obwohl für den ermittelnden Polizeibeamten der Fall sehr eindeutig war, wie er mir sagte, weil der Beschuldigte ausländischer Herkunft ist. Meine Frau ist ebenfalls Ausländerin. Für sie war es ein noch viel stärkerer Schock, weil sie dachte, dass uns so etwas in dieser netten Kleinstadt nicht passieren könnte. Anders als in Hamburg, im Ruhrgebiet oder Berlin. Erst recht in Russland, woher sie stammt, wo Verbrechen zum Alltag gehören und das von einem Kriegsverbrecher geführt wird. Und wo sie selbst Schießereien und die weit verbreitete Korruption erlebt hat und Opfer von Schutzgelderpressung wurde.
Igoranz der Justiz
Im vergleichsweise zivilen Deutschland habe ich allerdings ähnliche Ignoranz und Selektivität der Justiz auch schon früher erfahren. Einmal nahm mich ein Rentner auf die Kühlerhaube, nachdem er beinahe einen Unfall verursacht hatte, weshalb ich ihn an angehalten hatte, und drohte mich zu überfahren. Auch da folgte keine Strafe, weil ihn seine Frau als Beifahrerin deckte und die Staatsanwaltschaft ihren absurden Schutzbehauptungen glaubte. In einem Betrugsfall war es den Staatsanwälten schlicht zu mühsam Anklage zu erheben, obwohl ein emsiger Beamter des LKA alles zusammengetragen hatte.
Einsprüche gegen solche Justizentscheidungen sind in aller Regel vergeblich. Denn die Gerichte, die darüber befinden müssen, sind ja ebenfalls oft überlastet. Ich überlege nun mit meinem Anwalt, zivilrechtlich gegen den Schläger vorzugehen und ihn auf Schmerzensgeld zu verklagen. Und auf Schadensersatz. Die Untersuchungen in der örtlichen Klinik und Behandlungen durch zwei Ärzte haben mich schon jetzt fast 1000 Euro gekostet. Vom Verdienstausfall nicht zu reden.
Strafe muss sein. Finde ich. Mindestens finanzieller Art. Vielleicht hilft es ja, damit der Täter Özcan C. (Name geändert) nicht demnächst den nächsten angreift.
Sein drei- bis vierjähriger Sohn, den er dabei hatte, dürfte indes schon jetzt gelernt haben: Man darf in diesem Land seine Wut und seinen Hass gewaltsam ausleben, ob Migrant oder nicht, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Jedenfalls häufig nicht. Das ist für mich das Ärgerlichste und Schädlichste.
