Warum schaffen wir den Religionsunterricht nicht ab?

Künftig soll es in NRW auch bekenntnisorientierten Religionsunterricht für Muslime geben. Vernünftiger wäre es, Religion und Schule ganz zu trennen.

Von Victor Hugo stammt der schöne Satz: "In jedem Dorf gibt es eine Fackel, den Lehrer; Und jemanden, der dieses Licht löscht, den Pfarrer." In Deutschland stimmt er nicht: Hier ist sogenannter bekenntnisorientierter Religionsunterricht in der Regel in Pflichtfach für Schüler, und Lehrer werben für Religion.

Bekenntnisorientierter Religionsunterricht bedeutet nichts anderes, als dass Religionsgemeinschaften die Unterrichtsinhalte bestimmen und, bezahlt vom Steuerzahler, die Schule nutzen können, um ihre Lehre zu verbreiten.

Nun sollen nach Wunsch von Integrationsminister Laschet auch muslimische Kinder in NRW flächendeckend bekenntnisorientierten Religionsunterricht erhalten. Klar, 1,5 Millionen Muslimen in NRW kann man nicht die Rechte verwehren, die man der immer kleineren Zahl der Christen zugesteht. Wenn es bekenntnisorientierten Religionsunterricht für Christen gibt, muss es ihn auch für Muslime geben. Punkt.

Aber warum gibt es überhaupt bekenntnisorientierten Religionsunterricht? Schule soll Wissen und Werte vermitteln. Wertevermittlung geht auch lässig ohne Religion und Wissen über Religionen könnte man in einem Fach wie „Religionswissenschaft“ den Kindern und Jugendlichen beibringen. Man könnte die Bezüge zwischen den Religionen aufzeigen, klar machen, wer sich bei wem bedient hat und dass beispielsweise die Jungfrauengeburt in mehr als einer Glaubensrichtung vorkommt. Man könnte aufzeigen, dass der jüdische Glaube viel mit der Verschleppung der Israeliten nach Babylon zu tun hat und auch warum es eher moderate und militante Suren im Koran gibt, was sehr eng mit ihrem Entstehungszeitraum zu tun hatte. Dafür braucht man objektive Wissenschaftler und keine Verkünder von Meinungen, die Religionsgemeinschaften festlegen.

Die Zeit, die Kinder im Religionsunterricht verbringen, kann man aber auch gut für Mathe, Fremdsprachen oder Sport nutzen. Bekenntnisorientierter Religionsunterricht ist  überflüssig.

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Wir leben in einem immer säkulareren Land und es ist Zeit, die Privilegien der Religionsgemeinschaften abzubauen und nicht, sie auf weitere Religionsgemeinschaften auszuweiten.

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JRehborn
15 Jahre zuvor

Gute Idee, der ich mich sofort anschließen würde.

Leider ist Religionsunterricht jedoch ein Grundrecht, das nicht einfach so abgeschafft werden kann. Siehe Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz.

„(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.“

JRehborn
15 Jahre zuvor

Berlin hat eine Sonderrolle. Leider.

Artikel 141 Grundgesetz:

Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.

https://dejure.org/gesetze/GG/141.html

J. S.
J. S.
15 Jahre zuvor

Och nö. So etwas habe ich schon in etlichen Blogs gelesen.

Was ist denn Religionsunterricht?
Dort geht es unter anderem um Ethik, Moral, Informationen über Sekten aber auch die anderen Weltreligionen.
Religionsunterricht ist schon lange kein Fach, wo der Glauben verbreitet wird.
Viele scheinen schon vergessen zu haben, dass in diesem Fach viel mehr vermittelt wird, als der Name eigentlich aussagt.

Schade ist es daher, dass mal wieder diesem Unterrichtsfach Unrecht getan wird.

Das Fach kann ruhig in Zukunft eine freiwillige Entscheidung eines jeden Schülers sein. Da hätte ich nichts dagegen.

Und was ich noch anmerken will: Auch im Religionsunterricht werden kontroverse Punkte angesprochen und diskutiert (zumindest in meiner Schulzeit). Und das ist doch die ideale Zeit, um über viele Dinge zu diskutieren (Kondomverbot, Abtreibung, Unfehlbarkeit, etc.).

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

Herr Rehborn, wäre es denn im Rahmen unseres Grundgesetzes möglich den Zugang der Schüler zum Religionsunterricht an eine bestimmte untere Altersgrenze zu binden? Ein Alter in dem die Kinder/Jugendlichen zur eigenen Meinungsbildung fähig und damit nicht mehr wehrlos jeder Art von Indoktrination ausgeliefert sind? Das würde ich zu den Menschrechten zählen, zumindest aber zum Rechtsbereich des Kinderschutzes.

@ J.S.

Es geht hier um bekenntnisgebundenen/orientierten Religionsunterricht.

Babel
15 Jahre zuvor

ich kenne es aus NRW in vielen schulen eig so das zwischen Religion und Philisophie „gewählt“ werden kann. Zwar immer noch nach dem motto: „Wenn ihr kein Reli machen wollt müsst ihr halt Philo machen.“ aber ich finde das eig nen guten schritt.

ich muss aber zustimmen das mein evg. Reli Unterricht immer sehr interessant war. es wurde menschliches besprochen und fragen wie beispielsweise Todesstrafe oder ob man einem das leben nehmen darf damit viele andere weiter leben etc…

Jimmy
Jimmy
15 Jahre zuvor

Für mich war Religion ein Fach, das immer für eine 1 gut war. Nette Diskussionen, die Feststellung, dass die unterrichtenden Lehrer kritischer an das Thema Religion rangingen als die meisten Schüler und ein paar unterhaltsame Diskussionen zwischen der atheistischen, der halbwegs gläubigen (zu der ich mich zählte und zähle) und der freikirchlichen (heute würde man wohl evangelikal sagen) Fraktion.
Dass ich mal mit dem Gedanken gespielt habe, Theologie zu studieren hatte ganz sicher an allerletzter Stelle mit meinen Religionslehrern oder einer Beeinflussung zur Religion hin im Religionsunterricht zu tun.

Einen großen Vorteil des Religionsunterrichts sehe ich darin, dass er – aufgrund der von JRehborn beschriebenen Gesetzeslage – nicht auf dem Altar des schnellen Abiturs, der wirtschaftlichen Verwendbarkeit von Wissen und anderer kurzfristig aktueller Dogmen abgeschafft werden kann. Und selbiges würde mit einem Fach „Ethik“ o.ä. schnell passieren.

Ich kenne übrigens einen Theologen (Religionslehrer), der Fächer wie SoWi und Politik schnellstmöglich abgeschafft sehen will, weil sie unwissenschaftlicher Quatsch sein.

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

@ Babel, Jimmy

Oooh. Wie süß.Religion ist ein Fach was man nicht richtig ernst nehmen muss. So ein bisschen wie Kunst.Da kann man diskutieren. Nette offene Lehrer. Kein Leistungsdruck. Und so wenig Dogmen, und keine wirtschaftiche Verwendbarkeit.

Warum ist das aber mit den Religionen selbst nicht so? Und auch mit den Religionsgemeinschaften nicht. Die haben nämlich Dogmen und Leistungsdruck. Da darf man z.B. in einem katholischen/evangelischen Krankenhaus (von dessen Kosten die Kirchen nur 10% aufbringen) nicht unverheiratet Zusammenleben geschweige denn Atheist sein, wenn man Arzt oder Ärztin werden will.

Da wird enorme wirtschaftliche Macht ausgeübt und ein Menge Geld (kostenlos) per staatlicher Steuerbehörde eingesammelt um den politischen, sozialen und natürlich den religiösen Einfluss der eigenen Gemeinschaft in der Gesellschaft zu vergrößern.

Da herrscht meistens kein lockeres Diskussionklima sondern da wird Druck auf alle die ausgeübt, die nicht nach der Pfeife derer tanzen, die die Gesetze der Kirche hüten.

Bin gespannt wie das im muslimischen Religionsunterricht sein wird. Ich denke, da wird das Klima dann wohl näher an der Realität der Glaubensherrschaft liegen und der Vermittlung der reinen Lehre dienen. Scheint mir auch irgendwie ehrlicher als das, was hier an verharmlosenden Nettigkeiten über den christlichen Religionsunterricht berichtet wird.

Und was soll dabei diese dümmliche Anmerkung von der Unwissenschaftlichkeit des Politik- und Sowi-Unterrichtes und dass das dringend abgeschafft gehört. Vermittelt über die Aussage eines Religionslehrers den „ich kenne“? Ich kann nur hoffen das solche Theologen in Deutschland niemehr die Macht bekommen die sie mal hatten. Und das Schüler die solche Sätze nachbeten als das bezeichnet werden, was sie sind: extrem ungebildet.

Hannes
15 Jahre zuvor

@Stefan und Arnold:
Ich bin auch der Meinung, dass der Religionsbezug besser nicht in der Verfassung von NRW stünde und der Religionsunterricht in die Kirchen gehört und nicht in die Schulen.

Der Einfluss der Kirche auf Politik und Schule ist in NRW (und nicht nur dort) größer als oft wahrgenommen. Die brachiale Gewalt mancher Bistümer wäre ein lohnenswertes Thema für einen unerschrockenen Rechercheur.

Der Skandal, dass beispielsweise die „scheinenthaltsamen“ Kader und Apparatschiks der kath. Kirche die Karriere- und Lebensplanung von ReligionslehrInnen an kirchlichen und staatlichen Schulen zerstören können, kann nur durch fundierte Skandalisierung ins Bewusstsein der Bürger gerückt werden.

Wie viel menschliches Elend und Heuchelei gebiert das „Verbot“(Entzug der Lehr-Erlaubnis) für katholische Religionslehrer, so sie geschieden sind, nicht wieder zu heiraten / eine neue Beziehung einzugehen?

Wie kommen wir da raus?

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

Durch eine Änderung des Grundgezetzes bezüglich Artikel 7 Absatz 3. Allerdings ist da ein 2/3 Mehrheit mit den herrschenden Parteien nicht zu schaffen. Also bleibt nur die ständige Öffentlichmachung der nachwievor großen Macht der Kirchen in diesem Staat und der Art und Weise wie sie sie missbrauchen.

Die Abschaffung der Kirchensteuer als staatlich erhobene Kircheneinnahme ist allerdings nicht durch das Grungesetz gesichert. Genausowenig wie die staatliche Förderung von kirchlichen Krankenhäusern und Kindergärten. Und die Festlegung eines Mindestalters für jede Art von öffentlichem Religionsunterricht ist durch das Grundgesetz sehr wahrscheinlich gedeckt.

Martin Budich
Martin Budich
15 Jahre zuvor

@ Arnold Voß
Dass die Kirchen 10 Prozent der Krankenhauskosten tragen ist falsch. Die Krankenhauskosten werden von den Krankenkassen, Berufsgenossenschaften etc. oder privat bezahlt.
Als Adenauer mit der Union im Bundestag die absolute Mehrheit hatte, schenkte er 1961 mit dem Subsidiaritätsprinzips den Kirchen weitgehend das Sozialwesen unserer Gesellschaft. Seitdem haben die Kirchen und ihre Einrichtungen das Sagen in sehr vielen sozialen Einrichtungen. Die Kosten der Einrichtungen (Krankenhäuser, Heime, Jugendhäuser, Kindergärten etc.) werden vollständig oder weitgehend von Sozialversicherungsträgern oder dem Staat getragen. Da das kaum jemand weiß, erfahren die Kirchen ein hohes Ansehen, weil viele glauben, dass die Kirchen sich sozial engagieren. Es gibt keine Landeskirche oder Bistum in Deutschland, in der der Sozialetat auch nur 10 % des Gesamthaushaltes ausmacht.
Gleichzeitig sorgt eine üble Arbeitsrechtssprechung dafür, dass Kirchen mit ihren MitarbeiterInnen sehr willkürlich umgehen können. In einem kath. Krankenhaus – für dessen Finanzierung die Kirche keinen Cent beisteuert – darf der Krankenhausträger z.B. Nicht-KatholikInnen diskriminieren und sie trotz besserer Qualifizierung nicht einstellen. Einem Hausmeister, der sich scheiden lässt, darf gekündigt werden.
Während bei Tendenzbetrieben nur die Tendenz-TrägerInnen (also wichtige Leute) linientreu sein müssen, gilt das in kirchlichen Einrichtungen für alle Beschäftigten. Der besondere Skandal: Es handelt sich hierbei um ausschließlich oder vorwiegend öffentlich finanzierte Einrichtungen. Alle wichtigeren Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes haben übrigens in kirchlichen Einrichtungen keine Geltung.
Zum Thema „Religionsunterricht“:
Es gibt faktisch keinen „Religionsunterricht“ sondern nur konfessionelle Unterweisung. Faktisch haben die Kirchen das Recht, auf Kosten der SteuerzahlerInnen in öffentlichen Schulen Mitgliederschulung zu betreiben. Zusammen mit anderen Kirchenprivilegien wirkt dies faktisch rassistisch. Zusammen mit Konfessionsschulen, konfessionellen Kindergärten, konfessionellen Jugendheimen etc. werden muslimische Kinder ausgegrenzt, wenn ihre Eltern nicht wollen, dass ihre Kinder christlich missioniert werden.
NRW ist das einzige Bundesland, in dem es noch Konfessionsschulen gibt (ca. 40 Prozent der Grundschulen). In den letzten Jahren hat es erstmals wieder Neugründungen von Konfessionsschulen gegeben, weil Eltern „türkenfreie“ Schulen durchsetzen wollten. Dies geschah zugegebener Maßen in aller Regel gegen den Willen vieler engagierte Leute in den Kirchen. Es ändert aber nichts an der rassistischen Qualität vieler Kirchenprivilegien.
Zum Schluss: Wenn die türkische Regierung versuchen würde, staatliche Koranschulen einzurichten, wäre das Militär laut Verfassung gezwungen, dagegen einzuschreiten.
Das ist natürlich keine Perspektive, zeigt aber, dass unsere Gesellschaft viel fundamentalistisch-klerikaler organisiert ist als z.B. die Türkei.
Noch ein Nachtrag: Die Kirchensteuer (auch ziemlich einmalig auf der Welt) ist doch im Grundgesetz verankert. In Artikel 140 wird geregelt, dass die entsprechenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung fortbestehen. (Man konnte sich nicht auf etwas neues einigen). Hier wird den Kirchen aber nur das Recht eingeräumt, Steuern zu erheben. Der staatliche Kirchensteuereinzug ist ein typisches Geschenk der Adenauer-Regierung.

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

@ Martin Budich

Danke für diese ausführlichen Korrekturen und ergänzenden Erläuterungen. Es ist noch viel schlimmer als ich immer dachte. Ein Staat im Staate. Trennung von Staat und Kirche? Ein Witz! Und obendrein ein sehr schlechter!

Philip
Admin
15 Jahre zuvor

Soweit ich weiß, erhält der Staat für das Inkasso der Kirchensteuer 3% Provision.
Und es werden auch Bischöfe (teilw.?) vom Land bezahlt. Allerdings nicht von den verbleibenden 97%

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