Welche Bedeutung hat das Grimme-Institut noch?

Frauke Gerlach Foto (Ausschnitt): Krd Lizenz: CC BY-SA 4.0


Noch in diesem Jahr könnte sich entscheiden, ob Frauke Gerlach das Grimme-Institut in Marl weitere fünf Jahre leiten wird. Kritiker werfen ihr vor, das traditionsreiche Medieninstitut in die Bedeutungslosigkeit geführt zu haben.

Einmal im Jahr schaut zumindest die deutsche Fernsehwelt nach Marl: Immer dann, wenn das dort ansässige Grimme Institut die nach dem 1963 verstorbenen Medien- und Kulturpolitiker benannten Adolf Grimme Preise an die Macher von TV-Sendungen vergibt, erfreut sich die Stadt im Nordrand des Ruhrgebiets großer Aufmerksamkeit. Dann Pilgern Prominente in das Marler Theater, vor dem seit 1988 eine von dem Aktionskünstlers Wolf Vostell geschaffene Raumplastik steht: Eine große, rostige auf dem Rücken liegende Dampflok. Der ebenfalls jährlich vergebene Grimme online Award ist schon deutlich weniger bekannt. Mit ihm werden Internetangebot ausgezeichnet.

Früher einmal war das Grimme Institut nicht nur für seine Preise bekannt: Unter der Führung von meinungsstarken Experten wie dem Medienexperten Lutz Hachmeister und dem Journalisten Bernd Gäbler wurden hier die großen Debatten um die Zukunft der Medien geführt. Es ging um die Qualität des Fernsehens, die wirtschaftlichen Perspektiven der Branche oder die Bedeutung der Digitalisierung. Auch heute gäbe es viel zu diskutieren: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht wegen Finanzskandalen unter Druck. Die Frage, wie er in welcher Größe und wie teuer überleben wird, ist offen. „Wieso hört und liest man gerade in diesen Zeiten nichts aus dem Grimme-Institut?“  beschwerten sich im vergangenen November die „Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises“ in einem offenen Brief. „Gerade jetzt könnte sich das Grimme-Institut mit innovativen Ideen und Veranstaltungen zur Neugestaltung der Rundfunk- und Fernsehlandschaft an der öffentlichen Diskussion beteiligen und mitwirken.“ Die Kritik richtet sich an die Adresse von Frauke Gerlach, die seit 2014 das Institut leitet. Es gab es zwar keine Antwort von Grimme auf den Brief, aber ganz ohne Konsequenzen blieb er nicht, die Kritik am Institut und seiner Chefin wurde abgestraft: Der Vorstand der Grimme Freunde wurde abgewählt, der Medienjournalist Steffen Grimberg, einer seiner Autoren und Vorsitzender des Freundesvereins durch Jörg Schieb, der unter anderem als Digitalexperte für den WDR tätig ist, ersetzt. Unterstützer und Partner des Vereins sind zahlreiche öffentlich-rechtliche Sender sowie TV-Produktionsfirmen. Auf Anfrage dieser Zeitung sagte Schieb: „Ich hätte diesen Brief niemals geschrieben – schon gar nicht als „offenen“ Brief.“ Es brauche eine Debatte über die Qualität im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, seinen Aufbau und den Einfluss des Internets auf die Gesellschaft, die allerdings das Grimme Institut nicht alleine führen könne. Schieb sieht die Arbeit von Gerlach ebenso wenig kritisch wie alle Gesellschafter des Institutes, darunter das Land NRW, der Volkshochschulverband und der WDR, die von dieser Zeitung zu dem Brief angefragt wurden. Die Frage, ob sie ein für eine dritte Amtszeit kandidiert, wollte Gerlach nicht beantworten.

Was Schieb sich wünscht, ist allerdings, neben mehr Geld und Personal für Grimme, ein größeres Interesse der Politik an dem Bereich Medien. Lutz Hachmeister, der das Institut von 1989 bis 1995 leitete, sieht allerdings Gründe für das geringere Interesse an Medienpolitik: „Die Zeiten, in denen ein Berlusconi nach Düsseldorf reiste, um mit der Landesregierung über eine Lizenz für seinen Sender Tele 5 zu verhandeln, sind lange vorbei. Wer heute einen TV-Sender starten will, macht es einfach. Die Sendeplätze sind nicht mehr knapp.“ Grimme hätte eine große Rolle in den Mediendebatten gespielt, als die Medienpolitik auf Landesebene noch wichtig war.“ Diese Zeiten seien vorbei. Die großen Entscheider im Medienbereich seien heute die Chefs von Google, Amazon, Facebook, Disney, Netflix oder Apple. „Das Land NRW spielt für diese Leute keine Rolle mehr. Wir brauchen eine starke und abgestimmte europäische Medienpolitik, aber die gibt es nicht.“

Der Artikel wurde in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag veröffentlicht

 

 

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