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Update: Willamowski: Erhebliche Bedenken zum SIHK-Gutachten

Die Südwestfälische IHK mit Sitz in Hagen trommelt gegen das Ruhrgebiet. Nicht ganz uneigennützig. Und jetzt hat auch RVR-Regionaldirektor Klink auf das Gutachten reagiert.

SIHK-Hauptgeschäftsführer Hans-Peter Rapp-Frick. Foto: SIHK 

Wer die Internetseite der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK)  mit Sitz in Hagen aufsucht, sieht auf den ersten Blick, wo die Kammer in der Auseinandersetzung um den Verbleib Hagens im RVR steht: Die Schlagzeile "Gutachten: RVR-Austrittsregelung ist rechtswidrig und nichtig" empfängt den Besucher als erstes. Worum es geht? Die SIHK ließ sich von  Prof. Dr. Janbernd Oebbecke, dem Geschäftsführenden Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Münster, ein Rechtsgutachten zur Höhe von Ausgleichszahlungen im Falle eines Austritts von Mitgliedern aus dem Regionalverband Ruhr (RVR) schreiben. Das fiel differenzierter aus, als es die Schlagzeile der SIHK vermuten lässt: In weiten Teilen bestätigt das Gutachten die Austrittsmodalitäten zwischen dem RVR und den Städten, allein bei den Finanzen weicht das Gutachten von der Ansicht des Verbandes ab.
Das überrascht nicht – da Gutachten zumindest in wesentlichen Teilen die Meinung desjenigen wieder geben, der sie in Auftrag gegeben hat, ist Teil des politischen Geschäfts und deshalb sind solche Gutachten vor allem ein wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Was an den RVR-Austrittsregeln korrekt ist und was nicht, werden irgendwann einmal, sollte es zu Austritten kommen, die Gerichte entscheiden müssen.
Anders ist das bei der Frage, ob die SIHK mit den Beiträgen ihrer Mitglieder ein solches Gutachten überhaupt finanzieren darf, denn die SIHK ist nicht irgendein Verein, in den man ein- und austreten kann wie man möchte. Nahezu jedes Unternehmen, das im Handelregister eingetragen ist, muss Mitglied der Kammer sein – ob es will oder nicht. Aus diesem Privileg leitet sich nach Meinung von Dr. Gerd Willamowski, dem ehemaligen Verbandsdirektor des KVR und langjährigen Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine gewisse Zurückhaltung ab. "Meiner Ansicht nach dürfen Zwangskörperschaften des öffentlichen Rechtes wie die Kammern mit dem Geld ihrer Mitglieder nicht machen was sie wollen. Sie haben sich in einem eher engen Rahmen an ihre Aufgaben zu halten. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die Finanzierung eines Gutachtens über das Verhältnis einer Kommune zu einem kommunalen Zweckverband, wie in diesem Fall, dazu gehört." Bei vergleichbaren Institutionen, zum Beispiel den Allgemeinen Studentenausschüssen (AStA), sorgte allzu offensives Vorgehen der Studentenvertreter häufig für Ärger. Da sie von jedem Studenten finanziert werden müssen, haben sie sich zwar um die Belange der Studenten auch gegenüber der Politik zu kümmern, dürfen aber nicht, mit Zwangsgeldern ausgestattet, sich jedes Thema aneignen – zum Glück, denn gerade in den 70er und 80er Jahren hätten sich viele  ASten wohl lieber um die Unterstützung des bewaffneten Kampfes in Honduras gekümmert, als um neue Prüfungsordnungen. 
Ähnlich die Lage bei der SIHK, so Willamowski: "Warum sollte ein Unternehmer aus dem Märkischen Kreis ein Gutachten über Rechtsprobleme der Stadt Hagen finanzieren müssen?"

Man könnte einräumen, dass die Kammer machen kann was sie will, so lange das Kammerparlament diese Politik mitträgt – wenn Kammerparlamente nicht eine ähnlich erbärmliche Wahlbeteiligung wie Studentenparlamente hätten – bundesweit kommt kaum eine über 10%, und das, die Kammer Hagen in ihrer Pressemitteilung zur Kammerwahl die Wahlbeteiligung nicht veröffentlicht, lässt wenig Gutes zu diesem Thema erhoffen.

Denn im Falle der RVR Mitgliedschaft vertritt die SIHK weniger die Interessen ihrer Mitglieder, die zu einem großen Teil außerhalb des Verbandsgebietes leben, denn zum Kammerbezirk gehört auch der Märkische-Kreis, als die Interessen der Kammergeschäftsführung. Die dürfte in Sorge sein, dass, wenn es zu der vom Land geplanten Aufteilung des Landes in einen Westfälischen, einen Rheinischen- und einen Ruhrgebietsbezirk kommt, die Kammer Hagen das nicht so ohne weiteres übersteht, denn Kammerbezirke über Regierungsbezirksgrenzen hinweg gibt es in NRW nicht – ein Problem, das auch auf die Kammern in Duisburg und Münster zukommen könnte, die sich ja auch als Widerstandsnester gegen die Neustrukturierung des Landes gefallen. Bei einer Neustrukturierung könnte die Kammer Hagen einfach wegfallen – aufgeteilt  zwischen den Kammern in Siegen, Bochum und Dortmund würden die Unternehmer davon kaum etwas mitbekommen – der jetzige Kammersitz wäre wohl weiterhin eine Anlaufstelle für alle Alltagsprobleme der Betriebe – nur ohne Geschäftsführung und ohne Geschäftsführer. Keine gute Perspektive für SIHK-Hauptgeschäftsführer Hans-Peter Rapp-Frick – schnell könnte er zu einem König Ohneland werden. Wohl deshalb auch steht, wie man aus der Union hört, die Vorsitzende der Hagener CDU, Carmen Knollmann, im Augenblick unter hohem Druck. Knollmann ist Angestellte der Kammer – und soll den Kurs ihrer Partei ändern helfen, denn in Hagen ist es die CDU, die im RVR bleiben will. Und da für den Austritt eine 2/3-Mehrheit nötig ist, geht in Hagen nichts ohne die Christdemokraten. Bei der Argumentation soll das Gutachten Prof. Dr. Janbernd Oebbecke wohl helfen – auch wenn sich viele Zwangsmitglieder der Kammer wohl lieber über geringere Gebühren als über teure Gutachten zu Fragen, die sie gar nicht berühren, freuen würden.  

Update
Mit einer Presseerklärung hat mittlerweile auch RVR-Verbandsdirektor Klink auf das Gutachten der IHK reagiert:

Regionaldirektor Klink:
Interpretation des Hagener IHK-Gutachtens ist falsch und unfair

Erstaunt und verärgert ist Heinz-Dieter Klink, Direktor des Regionalverbandes Ruhr (RVR), über die Interpretation der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer über das von ihr eigens in Auftrag gegebene Gutachten zum möglichen Austritt der Stadt Hagen aus dem RVR. „Der Gutachter stellt auf Seite 44 fest, die Bestimmung des Paragrafen 18, Absatz 1 und 2, ist rechtlich nicht zu beanstanden. In der Pressemitteilung steht aber, die RVR-Austrittsregelung sei in Gänze rechtswidrig und nichtig. Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken“, so Klink. Der Gutachter zweifelt insbesondere an, dass die Gebäude und Flächen im Besitz des RVR nicht gewinnbringend zu veräußern sind, und daher der Zerschlagungswert auf null gesetzt wird.

Klink weiter: „Das Gutachten der IHK in Hagen bringt uns in der Sache nicht weiter. Ärgerlich ist besonders, dass die Interpretation der Rechtsauffassung von Professor Oebbecke falsch und unfair ist. Ich frage mich überhaupt, wieso sich die Kammer so vehement in die Verhandlungen zwischen dem RVR und seiner Mitgliedskommune Hagen einmischt. Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion sich weniger um Zahlen sondern um Entwicklungsperspektiven von Hagen als Teil der Metropole Ruhr dreht. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass Hagen auch zukünftig von der Zugehörigkeit zur Metropole Ruhr profitieren wird, unter anderem bei der Finanzierung von Projekten mit regionaler Bedeutung durch Fördermittel des Landes und der EU“.

 

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