
Mad Man, Tausendsassa, Prince of fuckin’ Darkness, Mit-Erfinder des Heavy Metal, King aus der britischen Arbeiterklasse – oder einfach nur: Ozzy. Nun ist der Black-Sabbath-Mitgründer und Heavy-Metal-Sänger Ozzy Osbourne im Alter von 76 Jahren nach einem langen und bewegten Leben gestorben. Ein Nachruf.
John Michael Osbourne wurde als viertes von insgesamt sechs Kindern des Ehepaars Jack und Lillian Osbourne im englischen Aston, Birmingham, geboren. Sein Vater arbeitete in einem Stahlwerk als Werkzeugmacher, seine Mutter baute Schaltkreise in einer Automobilfabrik zusammen. Die Familie wohnte in einem kleinen Reihenhaus mit zwei Zimmern – auf engstem Raum und in ganz einfachen Verhältnissen. Seine Working-Class-Roots erdeten ihn und machten ihn so beliebt. Aber in Echtzeit war er ein wirklicher Knallkopf – oft rasiermesserscharf am Abgrund.
Dank seiner geschäftstüchtigen Ehefrau Sharon („My wife and Manager“) konnte Ozzy ein exponiertes Leben mit allem Schnick und Schnack führen. In der ab 2002 bei MTV ausgestrahlten Sendung „The Osbournes“ zeigte sich Ozzy als neureicher Proll, der unfähig ist, seinen Hightech-Fernseher zu bedienen, um eine Runde „World of Warcraft“ zu zocken. Oder er taperte an den Strand, um den Ozean auszuschimpfen: „Go away to fuckin’ Alaska!“ Aber immer kam er gleichzeitig besonders skurril und sympathisch rüber.
Als ich etwa 16 Jahre alt war, trat Ozzy in mein Leben ein. Beim örtlichen Vinyl-Händler Phonac auf der Dortmunder Brückstraße kaufte ich ein „Best of Black Sabbath“ in einer portugiesischen Pressung für kleines Geld – und ich weiß nicht, wie oft Stücke wie „Iron Man“, „War Pigs“, „Sweet Leaf“ oder „Sabbath Bloody Sabbath“ in meinem Kinderzimmer liefen. Als ich vor zwei Jahren mit meiner Tochter vom Schwarzwald Richtung Ruhrgebiet mit dem Auto zurückfuhr, übernahm sie irgendwann die Musikauswahl und spielte mir Auszüge aus ihren Spotify-Listen vor. In dem Moment, als ich auf einer ihrer Listen gleich drei frühe Black-Sabbath-Songs entdeckte, strahlte ich innerlich und äußerlich über das ganze Gesicht.
Musik, wie von Bleihandschuhen umklammert
Wie oft habe ich die dumpfen Riffs in meiner Magengrube grollen gehört, als ob das Fundament der Welt unter dir zerbröckelt. Die Schatten an der Wand beginnen sich zu bewegen, synchron zum langsamen, erbarmungslosen Doom-Takt aus einer Art Unterwelt. Das ist nicht bloß Musik – das ist ein Ritual, eine Beschwörung, ein Pakt. Und irgendwo brüllt Ozzy: „Begging mercy for their sins – Satan laughing, spreads his wings – Oh Lord, yeah!“ ins Mikro. Kein Lichtstrahl, kein Stoßgebet, kein flüchtiger Hoffnungsschimmer wird dich retten. Deine Gedanken sind wie von Bleihandschuhen umklammert, und jeder Akkord reißt ein weiteres Stück deiner Seele ins schwarze Nichts.
Dreimal durfte ich Ozzy treffen – und jedes Mal bin ich Erlebnismillionär geworden. Zusammen mit meinem Freund und Kollegen Michael Lorant vom Metal Hammer entwickelte ich im Sommer 1995 ein Fragen-Korsett im Vorfeld zum „Ozzmosis“-Album – das wir sehr liebten. Als wir in der Kölner Südstadt an einem Nobelhotel ankamen, war die Stimmung von Ozzy nicht die beste, seine Promoterin musste die Zeiten kürzen, wir durften das Interview nicht zu zweit führen, und ich musste draußen warten. Vor allem musste ich zur Toilette – und gerade als ich vom Herrenklo die Tür öffnete, kam ein grantelnder Ozzy heraus in seinem berühmten „Wanderdüne-auf-LSD“-Gang: leicht federnd, aber immer so weit vorgebeugt, als würde man denken, er kippt gleich um. Ozzy war sichtlich genervt, ich wollte ihn nicht stören. Aber als ich dann vor das Pissoir trat, sah ich, welch Meisterleistung er gerade vollbracht hatte. Er hatte scheinbar zu wenig Zielwasser getrunken – und einfach auf den Boden geschifft. So, wie sich das für einen echten King aus der britischen Arbeiterklasse gehört.
Das zweite Treffen war cooler und fand am 18. Dezember 1995 in der Essener Grugahalle statt. Zusammen mit Fear Factory und Paradise Lost startete Ozzy seinen Set mit dem Black-Sabbath-Evergreen „Paranoid“ und bescherte uns – dank einer herausragenden Band – einen Abend der Extraklasse. Nach dem Konzert durften wir noch zur persönlichen Audienz – und ich holte mir ein Autogramm, das bis heute über meinem Bett hängt. Ozzy sagte „God bless you“ zu mir, und als ich ihm die Hand gab, dachte ich, mir würde eine Mischung aus Vogelscheuche und Tattergreis einen Händedruck geben – so surreal fühlte es sich an, sich vom „Bark at the Moon“-Master zu verabschieden.
„Great, great, great“
Als im Juni 1998 Black Sabbath in Fast-Original-Besetzung auf dem Graspop spielten, war im Vorfeld die Euphorie groß – da mussten wir hin. Noch größer war sie, als ich wenige Wochen später Ozzy mit Tony Iommi und Geezer Butler im Kölner Hyatt Hotel treffen durfte. Ozzy kam mit etwas Verspätung in den Raum und klatschte dem 1Live-Kollegen Klaus Fiehe erst mal seine flache Hand auf den Hinterkopf – und sorgte für einen derartigen Lacher, dass man gleich wusste: Vorsicht vor dem Mad Man! Die dümmsten Fips Asmussen-Scherze macht immer noch Lord Ozzy. Für eine Black-Sabbath-History hatte ich eine Auswahl von etwa zehn Black-Sabbath-Coverversionen vorbereitet: Pantera, Reverend Horton Heat oder eine New Yorker Hip-Hop-Band, die über ein Sample des Songs „N.I.B.“ rappte. Besonders groß war die Aufmerksamkeit, als ich ihnen das eingedeutschte „Der Hund von Baskerville“ von Cindy & Bert vorspielte. Tony Iommi erkannte es sofort: „Eine wirklich verdammt obskure Version“, antwortete er über „Paranoid“ im Schlagergewand. Nur bei den Interpreten verhaut er sich knapp: „Sydney & Bird“, sagt der Gibson-SG-Virtuose mit etwas fragendem Unterton. Sein Nebenmann nickte wissender: „Ich besitze die Single sogar“, sagte Geezer Butler und ergänzte: „Ich glaube, das ist die erste Coverversion, die es je von einem Black-Sabbath-Titel gegeben hat.“
Und Ozzy? Er saß daneben wie die allerbeste Karikatur eines Ozzy Osbourne-Darstellers: brabbelte, feixte, knabberte eine Tüte Chips und erzählte ständig, wie „great, great, great“ das alles ist. Er durfte das – denn er war der Prince of fuckin’ Darkness! Ich werde ihn sehr vermissen.
