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Essen Hauptbahnhof: ?Ladenflächen statt Aufenthaltsqualität?


Im Herbst beginnt der Umbau des Essener Hauptbahnhofes. In Essen ist man mit den Plänen der Bahn nicht zufrieden.

Hauptbahnhof Essen. Foto: Flickr/Florian_K

In den letzten 50 Jahren hat sich ja vieles geändert: Es gibt jetzt Buntfernsehen, Menschen flogen auf den Mond (um dann festzustellen dass es dort auch nicht viel spannender ist als in Oer-Erkenschwick), der Computer hat sich irgendwie als Technik durchgesetzt, fast alle Wohnungen haben ein Badezimmer und VW stellte die Produktion des Käfers ein.
Doch auch in dieser von Hektik und Veränderung geprägten Welt gibt es Inseln der Ruhe, in denen man das Gefühl hat, die Zeit sei stehen geblieben. Der Essener Hauptbahnhof ist einer dieser Orte. OK, man hat den traditionellen Besatz an Alkoholikern dem Zeitgeist folgend durch ein paar Junkies ergänzt und in ein paar der Ladenlokale wurde mal geputzt , aber ansonsten versprüht der Haltepunkt gegenüber dem Haus der Technik noch den Charme der 60er Jahre. Würde einem Willy Brandt, bekleidet mit einem Batikhemd, auf dem Bahnsteig entgegenkommen – man wäre nicht verwundert.
Natürlich war man in Essen nie glücklich mit dem Bahnhof und drängte seit Jahrzehnten darauf, dieses Schmuckstück zeitgemäß umzubauen. Seit Jahrzehnten wurden in Essen Pläne diskutiert, aus denen dann Projekte hervorgingen die dann die Bahn vorgelegt bekam. Die bedankte sich und warf die Pläne wohl zumeist in den Reißwolf, denn eines geschah immer: Nichts. Das änderte sich erst als Essen zum Bannerträger der Kulturhauptstadt wurde. Wenn 2010 die Blicke der Welt auf Essen richten würden, da war man sich in der Stadt sicher, dürften sie nicht einen vergammelten Hauptbahnhof sehen. Evonik-Chef Müller nahm sich der Sache höchstpersönlich an. Als Aufsichtsratsmitglied der Bahn macht er Druck auf deren Chef, Hartmut Mehdorn. Und siehe da: Es kam Bewegung in die Umbaupläne – im September beginnen die Arbeiten: 60 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Von denen zahlt das Land NRW die Hälfte, die Bahn 16 Millionen und die Stadt Essen 14 Millionen. Mit gut zwei Millionen wird sich auch die Essener Verkehrs AG (EVAG) am Umbau beteiligen.
Doch als Mitte Juli Stadt, Bahn, die Architekten und der Arbeitskreis Essen 2010 zusammen kam, um über die Pläne zu diskutieren, wollte keine Rechte Freude aufkommen. Aus einem mir vorliegenden Protokoll zu dem Treffen am 17. Juli geht hervor, dass die Essener der Runde offensichtlich tief enttäuscht von den Plänen der Bahn sind: „Ingesamt stellen die Vertreter von Essen 2010 fest, dass die Planung der Bahn zur Bahnhofsanierung primär geleitet ist von der Sicherung, ja sogar der Mehrung der Verkaufsflächen unter Zurückstellung der Ansprüche an die Aufenthaltsqualität für den Bahnkunden.“ Auch sei offensichtlich, dass architektonische Qualität nicht das Leistprinzip der Planungen.
Was plant die Bahn nun am Essener Hauptbahnhof?
–    Die Front der Ladenlokale soll Begradigt werden  
–    Im Bereich des ehemaligen Gepäckabfertigung soll einen neue (O-Ton Bahn: „gigantische“  Verkaufsfläche von 1.500m2 entstehen.
–    Es soll eine neue Verkaufsfläche auf zwei Ebenen entstehen. Dafür soll der Ausgang von der oberen Etage zur Innenstadt geschlossen werden
–    Es gibt vier neue Aufzüge zu den Bahnsteigen geben.
–    Die Bahnsteigüberdachung soll überarbeitet werden. Pfiffig: Die Glasschürzen, die Kunden bislang vor Schrägregen schützten werden entfernt.
–    Das Vordach am Nordausgang wird ein paar Lichtöffnungen bekommen.

In Essen ist man mit den Plänen unzufrieden – vor allem weil die Bahn sich vor allem darauf konzentriert, neue – für sie als Vermieter lukrative – Verkaufsflächen zu schaffen, deren Bau sie sich von Land und Stadt finanzieren lässt.

Der große Umbau des Essener Hauptbahnhofes – er ist kaum mehr als ein Rohrkrepierer. Schade, dass dieser Umbau auf HartzIV-Niveau  wohl die Vorlage für den Umbau weiterer Bahnhöfe in der Region ist, denn auch in Dortmund will man den Hauptbahnhof liften. Für Essen ist klar: „mit dem schmalen Budget, das für den Essener Bahnhof bereitgestellt wurde, ist eine angemessene Sanierung sehr schwierig.“
Die Bahn ist übrigens nicht immer so knauserig: Für die Renovierung des Dresdner Hauptbahnhofes, der gerade einmal 1/3 der Fahrgäste Essens zu verkraften hat, werden 230 Millionen ausgegeben. Auch eine Kleinigkeit, verglichen mit dem was der Umbau des Bahnhofes in Stuttgart kosten wird: Dort rechnen Kritiker mit 6,8 Milliarden Euro.

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Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
15 Jahre zuvor

Oh je, schon ?Das Limbecker Platz?, am anderen Ende der Innenstadt, fährt ja bislang nur Spott ein.

Da könnte man als kluge und um ihren Ruf bedachte Stadt auf die Idee kommen, den Hauptbahnhof gar nicht sanieren zu lassen, denn für einen wegen Geldmangel unsanierten Bahnhof hätte auch die aufgeklärte europäische Öffentlichkeit mehr Verständnis als für einen 60 Millionen-Umbau ?auf Hartz IV-Niveau? ? zumal ja auch das unmittelbare Umfeld des Bahnhofsgebäudes erst nach 2010 neu gestaltet werden soll.

Ein Jahr lang Rosen streuen (oder Gänseblümchen, wg. ?Hartz IV?) ? das wäre nicht nur billiger, sondern schöner. Gerade für unsere Kulturhauptstadtreisenden. Oder anders gesagt: Das hier ist ein klarer Fall für situativen Urbanismus, Baby.

Jens König
15 Jahre zuvor

Aus ominöser Quelle wurde uns folgender Mitschnitt direkt aus dem wichtigsten Besprechungsraum der Republik zugespielt:
3: „Tagesordnungspunkt 3: Bahnhof Essen“
1: „Essen, wo liegt das, wer braucht das?“
2: „Wir müssen alle mal essen, Herr Mehdorn.“
1, blafft: „Sag Gott zu mir, Du schangeliger Verkehrsvereindirektor“
3: „Nein nein, Essen, im Ruhrgebiet.“
1, schreit: „Buletten gibt’s auch in Balin! Da muss ich nich ins Ruhrjebiet.“
3: „Nein, die Stadt Essen, liegt neben Mühlheim“
1:“Ach die Aldibrüder? Die sind viel zu kniepig für die Erste, die kriegen keinen Bahnhof“
4: „Aber Essen ist doch wichtig, wir haben demnächst KULTUUURHAUPTSTADT“
1: „Wat wichtig is, Herr Müller, sag immer noch ich. Aber meintwejen. Wieviel kriegn wa denn für die Bruchbude, wa? Ist doch Bruch, ist doch im Ruhgebiet, oder?“
2: „Wir könnten das ja auch einfach weitergammeln lassen, wie den Katholikenbahnhof in Bochum. Und Interessenten erzählen wir, wir hätten da schon ein Projekt…“
3: „Sie sind aber auch von vorgestern. Sponsoring ist IN, mein lieber.“
4: „Sponsoring? mein Sohn ist da in so einem Fussballverein, die könnten-“
1 unterbricht: „Mann, kommense mal hinterm Mond weg, Sponsorn heisst, wir lassen uns den Umbau sponsern, Herr von Anderen zahlt! Hinterher vermieten wir die Chose für ne Menge Asche und wenn nich: gammeln lassen. Ruhrgebiet. Bah. Der Gerhard hätt da nicht einen Pfennig…“

Markus
Markus
15 Jahre zuvor

Tja tja… erst wird auf den Bahnhof geschimpft wie ach so marode er ist… Dann wenn endlich umgebaut wird, wird auch wieder geschimpft und die Mitarbeiter im Bahnhof mit Beleidigungen traktiert… Wie soll der Umbau denn laufen? Über Nacht vielleicht? Ich kann nur die armen Leute da bedauern, die sich die Beleidigungen, die sehr unter die Gürtellinie gehen bis hin zu persönlichen Beleidigungen… Unmöglich… Und die vermeintlichen „Experten“ wieder einmal, die da was sabbeln vcn wegen Hartz IV Niveau und Blumen streuen… Habt ihr eigentlich mal überlegt, was ihr da überhaupt loslasst? Dann lieber nix sagen, ist bedeutend klüger… Vermeintliches Hintergrundwissen…
Naja… viel Spass beim Dummschwätzen noch… lasst die Leute ihre Arbeit tun, die ist so schon schwer genug und in 2 Jahren kann man dann auch wieder mit dem gewohnten Tunnelblick zur Arbeit fahren oder gehen…

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

Ich hätte es schon toll gefunden, wenn die DB einfach nur eine große Zuganzeige in die Bahnhofshalle gehängt hätte, wie sie woanders schon lange üblich ist. Aber sie hat es über viele viele Jahre nicht einmal geschafft, die S-Bahnen zusammen mit den Regional- und Schnellzügen auf einen Fahrplanaushang zu bringen. Vor allem als Regionalverkehrsbenutzer war und ist man immer noch gezwungen zwischen zwei Anschlagtafeln hin und her zu laufen um den optimalen Zug zu bekommen bzw. ihn genau deswegen zu verpassen.

@ Markus
Sie klingen so, als würden sie zwar bei der Bahn arbeiten, sie aber wenig benutzen. Es sind aber die Kunden (und/oder die Steuerzahler), die die Bahn finanzieren, und dafür kriegen sie im Essener Bahnhof bislang nicht einmal das Notwendigste geboten. Jetzt sollen sie ihrer Meinung nach auch noch dankbar sein, dass die DB mit Hilfe der Stadt und des Landes nach Jahrzehnten der Vernachlässigung den Standard herstellt, der wo anders schon lange üblich ist. Und die Klappe sollen sie auch noch halten, obwohl sie (und nicht Herr Mehdorn) den Umbau finanzieren. Und blöd sind sie natürlich auch noch, weil sie ja keine Ahnung haben, wie so ein Umbau von statten geht.

Es ist natürlich nicht fair, dass die den Frust der Bahnhofsbenutzer ertragen müssen, die ihn wahrscheinlich nicht verdient haben. Aber woher dieser Frust kommt, wundert mich überhaupt nicht. Es ist genau diese/ihre Einstellung gegenüber den Leuten, die dafür sorgt dass sie einfach die Schnauze davon voll haben, immer wieder wie bittstellende Deppen anstatt wie Kunden behandelt zu werden.

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