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Warum ich immer noch gegen den Saufraum bin…

cafe_berta

Ich gebe zu,  ich war immer dagegen. Seit 20 Jahren lebe ich im Dortmunder Norden. Mein Sohn ist hier geboren und geht hier zur Schule. Ich bin dageblieben. Obwohl alle anderen meiner Bekannten mit Kindern noch vor dem Kindergarten  weggezogen sind. Weil man hier ja keine Kinder großziehen kann. Aber das ist ein anderes Thema. Von unserem Gastautor Thorsten Stumm.

Ich bin gegen den Saufraum. Nicht weil ich die populistischen Argumente je geteilt hätte. Sie fallen den Schreihälsen jetzt zu recht vor die Füße. Ich habe nie daran gezweifelt, dass sobald das Cafe Berta aufmacht da Leute hingehen und das die dort beschäftigten Menschen ihre Arbeit dann ordentlich machen.  Das die Stadt nun eine positive Bilanz zieht, ist bei einen Projekt mit EU-Förderung nur mehr als logisch. Sonst müssten die Fördermittel ja zurückgezahlt werden.

Mit den ca. 60.000 Euro Eigenanteil werden mal wieder falsche Signale gesetzt. Der Nordstadtbewohner hat randständig zu sein,  verwahrlost und besoffen, dann gilt  ihm die Aufmerksamkeit der Politik. Und er bekommt Fördergelder. In der Nordstadt wachsen die meisten Kinder in Dortmund auf,  in der übergroßen Mehrheit in Familien, die zwar wenig Geld haben aber die an der Bildung ihrer Kinder Interesse haben. Toll, aber  für Pflichtaufgaben gibt es keinen Fördertopf.

60.000 Euro sind eine Menge Geld für eine Stadt die immer nah  an der Haushaltssperre entlang schrammt  und ihre Pflichtaufgaben nur  geradeso hinkriegt.

Für Bildung sind ja alle. Auch die Befürworter eines Saufraums. Nur wenn es konkret wird, ohne Fördertöpfe, dann bleiben nur die üblichen Sprechblasen und der Sprung in die Büsche.

Was könnte man mit 60.000 Euro für Bildung tun ?

Mein Sohn geht auf die Grundschule an der Kl. Kielstrasse. Dort wurden jetzt 3 moderne Tafel,  sogenannte Smartboards, gekauft. Haben 3500 Euro das Stück gekostet. Stehen in England in jedem Klassenzimmer. Von der Stadt gab es 0 (NULL)  Euro. Vom Land 0 (NULL) Euro.  Das Geld kam zu 100% vom Förderverein der  Schule welcher sich aus Spenden finanziert.  Nordstadt-Eltern die Geld geben damit ein Teil ihrer Kinder,  denn 3 Tafeln reichen nicht für alle Klassenzimmer, mit modernen Lernmitteln lernen können.  Mit 60.000 Euro stände jetzt in jedem Klassenzimmer eine neue Tafel. Nur leider kein Fördertopf, nur sinnvoll und die Kinder sind noch nicht im dem Alter um sich zu besaufen.

Die 60.000 Euro finanzieren die Personalkosten von fünf Bürgerarbeitern, einer Sozialarbeiterin und Einrichtungsleiter Thomas Thanscheidt mit.

Die Grundschule meines Sohnes hat  genau 1 (EINE) Schulsozialarbeiterin für 410 Kinder.  Und deren Eltern. Bei einem Migrantenanteil von 90 %. Ohne die Arbeit der Schulsozialarbeiter, die zum Beispiel beim beantragen von Leistungen  aus  Bildungspaket die Formulare ausfüllen, weil viele Eltern diese schlicht nicht lesen können,  würde es vielen Kindern deutlich schlechter gehen. Denn sie würden keinen Zuschuss zum Schulessen kriegen.  Ach ja, die Zukunft der Schulsozialarbeit ist ungewiss. Die Landesregierung  plant hier Kürzungen. Kein Fördertopf, nur sinnvoll.

Das sind nur zwei Beispiele. Es gibt unzählige mehr für Dinge wo das Geld besser in die Zukunft von Dortmund investiert wäre. Anregungen kann man hier lesen.

Ich weiß, sind alles andere Töpfe der Finanzierung.  Muss man differenzieren.  Da werden Äpfel mit Birnen verwechselt. Die Kreuzviertel-Boheme meint es doch nur gut. Aber welches Signal wird hier eigentlich gesetzt?

Ich  bin nicht aus Prinzip  gegen Saufräume. Aber eine Stadt die viel zu wenig  Geld für die Bildung ihrer Kinder und damit für ihre Zukunft ausgibt, muss sich Ausgaben verkneifen die all jene mit Karacho in den Arsch tritt die das sinnvolle und notwendige tun. Auch wenn die den Arschtritt schon gewöhnt sind. Jeden Tag. Ohne Fördertöpfe.

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Christian
Christian
11 Jahre zuvor

„60.000 Euro sind eine Menge Geld für eine Stadt die immer nah an der Haushaltssperre entlang schrammt und ihre Pflichtaufgaben nur geradeso hinkriegt.“

Äh – sorry, aber das ist riesiger Quatsch. Wie viel Geld 60 000 Euro für eine Stadt ist, entscheidet nicht, wie pleite sie ist, sondern wie groß ihr Haushalt insgesamt ist. Und da sind 60 000 Euro doch eher „ferner liefen“.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

Tja, die Populisten-Riege um eine Hetmeier oder die Spießkünstler-Herde um eine Meisner haben die Akzente der Politik doch früh selbst gesetzt – Geld gibt’s fürs Optische/Aseptische, der Rest darf sich selbst helfen oder abhauen.

Wobei ich den – kostengünstigen! – Saufraum immer noch weit näher an den *momentanen* Bedürfnissen der Nordstadt sehe als z.B. die Kredit- und Fördergeld-Offerten für Fassaden-Verschönerungen oder deren „Illumination“ (aus dem IdEE-Projekt, einer Art Gelddruckmaschine fürs örtliche Handwerk).

Solange man in der Dortmunder Politik weiter die Richtung einschlägt, mit dem groben Wischmob erstmal oberflächlich „Grund“ in die Nordstadt reinzubringen, um den Geruch der Immobilienhaie – auch und zuvorderst aus den eigenen Politikerreihen, siehe u.A. Hovermann mit seiner Grundtransfer – zu vertreiben und die eigenen Planungsfehler zu verwischen, bleibt das gesamte Areal in der Gefahr, durch massive Gentrifizierung seine Identität endgültig zu verlieren.

Jan W.
Jan W.
11 Jahre zuvor

„Das die Stadt nun eine positive Bilanz zieht, ist bei einen Projekt mit EU-Förderung nur mehr als logisch. Sonst müssten die Fördermittel ja zurückgezahlt werden.“
Das ist das Kranke an einer solchen Projektförderung – die Förderkriterien setzen Anreize, die Auswertung zu manipulieren. Und so entstehen auf dem Papier Einrichtungen, die als nachahmenswert gelten – und vermutlich später auch Nachahmer finden, die am Ende auch auf dem Papier erfolgreich sein müssen.
Viel sinnvoller wäre es, wenn die Antragsteller ohne Rückzahlungsrisiko das Scheitern eines Projektes ausführlich dokumentieren könnten, damit diejenigen, die über Fördergelder entscheiden, künftige Mittelentscheidungen besser fällen können.

politchaos
politchaos
11 Jahre zuvor

Darf man daran erinnern, dass der Saufraum vor allem deshalb eingerichtet wurde, weil sich Eltern von Nordstadt-Schülern über die Säuferszene unter anderem am Nordmarkt beschwert hat? Es gab sogar Protestmärsche zum Rathaus. Darauf hat die Stadt reagiert (in diesem Fall ohne SPD). Und Klaus Lohmann hat recht, dass in der Nordstadt Geld für viel unsinnigere Dinge ausgegeben wird.

Thorsten Stumm
Thorsten Stumm
11 Jahre zuvor

@Christian
Echt, das ist Quatsch, dann kann diese Quatschgeld ja ganz schnell an die Schulen und Kitas verteilt werden. Da scheitern regelmässig sinnvolle Dinge und Kleinstkäufe an Sparzwängen….

Thorsten Stumm
Thorsten Stumm
11 Jahre zuvor

@Politchaos
Also da ich die Demos mitorganisiert habe, kann ich mich an die Forderung an einen Saufraum nicht erinnern…aber gut wenn Sie da Insiderinfos haben.

Im übrigen kann ich jedem nur empfehlen mal das Gespräch mit den Menschen zu suchen, die in den Schulen und den Kitas der Nordstadt arbeiten.

Dabei erfährt man dann drei Dinge, erstens die absolute Begeisterung für die Kinder und zweitens, die Verbitterung über den Stellenwert von Erziehung und Ausbildung.

Und, drittens, wenn man nach den Zahlen fragt, das viele Dinge an beschämend wenig Geld scheitern….

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

@#3 | Jan W.: Nur am Rande, aber trotz zahlreicher kosmetischer Änderungen der Fördermittel-Politik in der EU hat sich an der Basisstrategie seit 40 Jahren nichts geändert:

Erfinde möglichst hochtrabend getextete Projekte, um die EU-Umlagen möglichst ohne Aufsehen in die kommunalen Kassen zu schleusen – für was auch immer, denn wirklich kontrollieren können wir in Brüssel das sowieso nicht.

(Schreibt Jemand, der in den 90ern EU-Projekte verwaltungstechnisch begleiten durfte;-))

trackback
11 Jahre zuvor

Links anne Ruhr (21.02.2013)…

Bochum: Opel-Spitze will angeblich Nachtschicht streichen (RP-Online) – Dortmund: Warum ich immer noch gegen den Saufraum bin… (Ruhrbarone) – Dortmund: Eigentlich mag er die Stadt gar nicht…: Warum der Ryanair-Chef (trotzdem) a…

Robin Patzwaldt
11 Jahre zuvor

Erinnert mich spontan auch an meinen Wohnort, wo mit Geld aus diversen Fördertöpfen die Schulen zwar vielfach nagelneue Solarmodule auf den Dächern haben, aber die Tafeln in den Klassenräumen häufig kaputt/gesprungen sind und nicht repariert werden können, wo es nun neue Kunstrasenplätze für Fußballfreunde gibt, die Straßen zu den entsprechenden Sportanlagen aber mehr Löcher aufweisen als man zählen kann.

mkorsakov
11 Jahre zuvor

@ #6 | Thorsten Stumm:
politchaos hat nicht geschrieben, dass ein ›Saufraum‹ eine der Forderungen der Demo(s) war, er schrieb, dass die Stadt auf die Demos derart reagiert hat, dass sie ebenjenen Raum überhaupt erst geschaffen hat (quasi auf den ›Druck‹ der Demos hin).
Nebenbei finde ich es doch recht erstaunlich, wie leicht sich vermeintliche ›Randgruppen‹ (Kinder in unterfinanzierten Schulen hier – Trinker dort) gegeneinander ausspielen lassen, wenn es ums gute alte Geld geht, dass allen ach so sehr fehlt (was ich nicht bestreiten will).
Lieber gegeneinander kämpfen und die armseligen Krümel an Kohle abgreifen, anstatt sich gemeinsam einmal gegen »die da oben« zur Wehr zu setzen.

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