
Die Liga läuft – nur die Ruhrgebietsclubs haben offenbar noch nicht ganz verstanden, wie das mit dem Fußball funktioniert. Dortmund schleppt sich mühsam an Wolfsburg vorbei, Bochum taumelt durch die Saison wie eine tote Taube, und auf Schalke dreht sich schon jetzt das Personalkarussell. Thommy Junga und Peter Hesse werfen außerdem einen Blick auf Union Berlin und Rot-Weiss Essen – selbstverständlich mit der nötigen Portion Augenzwinkern und völlig fehlender Zurückhaltung.
Peter Hesse: Die 1:2-Niederlage beim 1. FC Nürnberg offenbarte beim VfL Bochum auch unter Interimstrainer David Siebers bekannte Probleme – denn das Team von der Castroper Strasse verliert seine Spiele nicht unglücklich, sondern hochverdient. Welche Stellschrauben müssen jetzt gedreht werden, damit die Bochumer endlich wieder punkten können?
Thommy Junga: Das Bemerkenswerte in Bochum ist ja, dass im kompletten Umfeld des Vereins völlig klar war, welche sportlichen Maßnahmen für eine sportliche Wende nötig gewesen wäre. mehr Tempo in der Defensive, individuell fußballerische Qualität für die Zentrale und den Flügel, idealerweise mit Standardqualitäten. Da hat niemand Wunderdinge erwartet, jedem Fan war bewusst, dass das Budget überschaubar sein würde. Was die Verantwortlichen geliefert haben ist bestenfalls eine Mischung aus Fehlgriffen und überforderten Jungspunden. Wer auch immer damit beauftragt wird jedes Wochenende aus diesem zusammengewürfelten Haufen eine vermeintlich funktionierende Elf auszusuchen, arbeitet sicher vergnügungssteuerbefreit. Da muss jetzt ins Risiko gegangen werden, besser noch vor der Winterpause, damit der Klassenhalt noch irgendwie gesichert werden kann. Es ist eine jämmerliches Desaster.

Peter Hesse: Nur ein 4:4 in Turin und ein spielerisch mäßiges 1:0 zuhause gegen Wolfsburg – auch Borussia ist noch nicht in der Form eines potentiellen Bayernjägers – auch wenn die Schwarz-Gelben gerade auf dem zweiten Tabellenplatz stehen und den besten Saisonstart seit 2017 hingelegt haben. Wohin geht zukünftig die Reise für die Dortmunder?
Thommy Junga: Dortmund ist und bleibt ein instabiles Konstrukt. Was ist da großartig in der Sommerpause passiert, dass sich das geändert haben sollte. Zwei Nachwuchsstars ändern da eher nichts am grundsätzlichen Gefüge: Man bleibt stark abhängig von einzelnen Akteuren, Konstanten stehen Spekulationsobjekten gegenüber, niemand hat wirklich Rückhalt. Obendrein werden Ultimaten und Bewährungsfristen ausgerufen. Ein gefühltes Pulverfass, dass erfreulicherweise immer noch von guten Momenten überlagert wird. Aber deine Frage beinhaltet bereits das Grundproblem. Ein Remis in Turin ist eigentlich nicht übel, ein Sieg gegen Wolfsburg auch o.k., aber die Echokammer BVB jagt einem Selbstbild hinterher, dass es schon in sich hat. Zumal jetzt jeder zweite im Team einen Prüfstein an der Kette hinter sich herzieht.

Peter Hesse: Der FC Schalke 04 ist gut in die Zweitliga-Saison gestartet. Nach vier Spielen haben die Königsblauen bereits neun Punkte gesammelt und liegen damit auf Rang zwei der Tabelle. Mit drei Siegen und nur einer Niederlage kann sich die Bilanz bislang sehen lassen. Auch die Defensive wirkt gefestigter als in Teilen der Vorsaison, was sich in der geringen Zahl an Gegentoren widerspiegelt. Nun ein Paukenschlag: Der Verein hat den Kaderplaner Ben Manga entlassen – beginnen jetzt wieder die Chaostage in Gelsenkirchen?
I Thommy Junga: ch würde eher sagen, dass die Schalker Theaterspielzeit wieder begonnen hat. Mir fällt keine ruhige Saison auf Schalke in den letzten Jahren ein, dieser Verein kann nicht anders als konstant unkonstant. Das hat mit dem sportlichen Wirken des neuen Trainers kaum etwas zu tun. Der Rasen ist bei S04 eine parallele Welt. Hier wird auch auf Platz zwei gezofft. Jetzt werden von Baumann die Wogen geglättet, in zwölf Monaten wird er sich vermutlich selbst warm anziehen müssen. Ich bin mir sicher, dass man bei der Verpflichtung von Ben Manga, ähnlich wie bei den Nachbarn in Bochum bei der Verpflichtung von Sportvorstand Dirk Dufner, nur das Beste im Sinn hatte. Aber beide Klubs haben gemein, dass wir hier jahrelange Abwärtsspiralen und personelle Rochaden beobachten können. Da geht dann Augenmaß und auch unvermeidbar irgendwann Entscheiderqualität verloren über die Zeit. Die Ergebnisse sehen wir jetzt. Frank Baumann tut dem Klub jetzt gut, drücken wir ihm die Daumen.

Peter Hesse: Alarm bei Union Berlin-Trainer Steffen Baumgart: Weil er im Spiel bei Eintracht Frankfurt den Mittelfinger zeigte, muss Steffen Baumgart mit Konsequenzen rechnen – unabhängig von seiner Roten Karte. Er sagte nach dem Spiel: „Ich muss gucken, dass ich meine Emotionen im Griff habe“, räumte Baumgart sein Fehlverhalten den Platzverweis betreffend ein. Welche Strafe wird Baumgart vom DFB bekommen?
Thommy Junga: Uff, das alte Lied mit der Entertainmentfalle. Wenn sich am Sonntagmorgen Effenberg und Basler zum Frühshoppen auf dem Vereinsheim-TV die Schenkelkopfer zuwerfen nachdem am Abend zuvor Thorsten Legat auf RTL Primetime die Faust ballte, dann ist das cool, aber hier wird jetzt wieder ein Exempel statuiert. Lasst ihn was spenden an ein Berliner Kinderheim und dann bitte weitermachen. In zwei Monaten lädt die DFL das Bild auf die eigene Homepage hoch, schreibt „Bundesliga – Emotionen pur“ darüber und hängt den Spielbericht in Dortmund ins Fußballmuseum. Ich nehme an, die Strafe wird daher erst mal entsprechend saftig ausfallen müssen.

Peter Hesse: In der dritten Liga sind die Westclubs sehr gut in die Saison gestartet: momentan ist der MSV Duisburg auf Platz 1, Rot Weiss Essen Tabellen-Vierter. Im letzten Heimspiel an der Essener Hafenstrasse fand Hansa Rostock kaum zu seinem Spiel, blieb offensiv weitgehend blass und wurde mit 3:0 Toren besiegt. Ex-Profi Sascha Mölders sagte bei den Kollegen vom Reviersport, dass RWE stark genug ist, um nach der Saison in die zweite Liga aufzusteigen – wie siehst du das?
Thommy Junga: Die Formulierung, Essen sei ein schlafender Riese, hört man ja nicht zum ersten mal. Essen hatte gezwungenermaßen ein Reset, eine schicksalshafte Neubesinnung. Hier ist etwas entstanden – Stadion, sportlicher Bereich, aber eben auch Vereinsführung greifen schon seit einiger Zeit erfolgreich in einander über. Auch über die Fanarbeit hört man Positives. Vorstandsvorsitzender Marc-Nicolai Pfeiffer, ehemals bei 1860 München und den Stuttgarter Kickers, war ein guter Griff, denn er kennt zweifellos das Dasein als Nischenverein. Duisburg macht es jetzt ebenfalls vor, dass mit gezielten personellen Entscheidungen die Zukunft eines Vereins wirklich gestaltet werden kann. Vielleicht sehen wir beide Vereine schneller in Liga 2 wieder, als man das hätte vermuten dürfen.
