Alice Herz-Sommer

Alice Herz Sommer ist die älteste Holocaust-Überlebende. Sie feierte am 26. November ihren 107. Geburtstag. Wir gratulieren und weisen gerne auf den Film hin, der über sie erschienen ist. Er heißt Dancing Under The Gallows.

Alice Herz-Sommer hatte eine bewegendes Leben. Sie kannte Franz Kafka und Gustav Mahler persönlich und sagt von sich, dass die Liebe zur Musik ihr das Leben gerettet hätte.

Koreakrise: hundertfach, tausendfach, alles und noch viel mehr

Image by Wikipedia

Sonntag, 28. November 2010. Heute beginnt das gemeinsame Seemanöver Südkoreas und der USA. Die Welt fragt sich, ob es nach dem tagelangen Säbelrasseln zwischen den verfeindeten koreanischen Staaten nunmehr bitterer Ernst werden könnte. Bereits am Dienstag ist es nicht mehr bei Wortgefechten geblieben. Nordkorea hatte die auch von südkoreanischen Zivilisten bewohnte Insel Yeonpyeong völlig überraschend mit Granaten beschossen und dabei nicht nur zwei südkoreanische Soldaten, sondern auch zwei Zivilisten getötet. 

„Massive Vergeltung“ für diesen Artillerieangriff hatte gestern Südkoreas Marinechef angekündigt; „hundert- und tausendfach“ werde man Nordkorea diese Aggression heimzahlen, verkündete er vor einer Menge auf Rache sinnender Demonstranten, die die Wiederherstellung der südkoreanischen Ehre einforderten. Aber auch „Armee und Volk der Volksrepublik sind äußerst aufgebracht über die Provokation des Marionettenregimes“, wie mittlerweile aus Nordkorea zu vernehmen war. „Sie bereiten sich darauf vor, furchtbare Feuergarben loszuschicken und das Bollwerk der Feinde in die Luft zu jagen, sollten diese es erneut wagen, die Würde und Souveränität der Volksrepublik auch nur auf das Geringste zu verletzen.“ 

Der atomgetriebene US-Flugzeugträger „George Washington“ beteiligt sich an der amerikanisch-südkoreanischen Militärübung, und der ist unbestreitbar ein wenig mehr als „das Geringste“. Und was die Souveränitätsrechte der nordkoreanischen Volksrepublik betrifft, so sind sie im Gelben Meer und insbesondere in der Bohai-Bucht keineswegs unumstritten. Die vielen Inseln, wechselseitig nicht anerkannte Ansprüche und das internationale Seerecht lassen einen großen Interpretationsspielraum, wer sich nun gerade wo aufhalten darf oder eben nicht. Der Umstand, dass sich unter dem Meeresboden auch einige Ölfelder befinden, macht die Sache auch nicht gerade einfacher. 

An Land, also auf der koreanischen Halbinsel selbst, stehen sich einige Hunderttausend Soldaten gegenüber, die am 38. Breitengrad die Ehre, die Würde und die Souveränität ihrer jeweiligen koreanischen Republik schützen – gegebenenfalls aufopferungsvoll. Ein nach 60 Jahren neuerlicher Koreakrieg wäre eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes. Damals sind in drei Jahren etwa eine Million Soldaten und rund drei Millionen Zivilisten ums Leben gekommen. Damals. Im Kern handelte es sich um einen sog. „Stellvertreterkrieg“ zwischen den USA und der VR China. Der Krieg endete mit einem Waffenstillstandsabkommen, nicht mit einem Friedensvertrag. 

Die Situation heute ist brenzlig, und sollte ein Krieg „ausbrechen“, ist das Stellen der Schuldfrage müßig. Denn die Antwort steht auf beiden Seiten schon vorher fest. Selbstverständlich hat immer der Andere angefangen, sind die eigenen Kriegshandlungen rein reaktiv, in der Regel Reaktionen auf völkerrechtswidrige Grenzverletzungen. So stellt bspw. auch Pjöngjang den Angriff auf Yeonpyeong als Vergeltung für einen Beschuss aus Südkorea dar. Das heute beginnende Seemanöver wird vom nordkoreanischen Militärregime verständlicherweise als Bedrohung aufgefasst. Südkorea und der Westen legitimieren diese Drohkulisse wiederum damit, die aggressiven Steinzeitkommunisten eindämmen zu müssen. 

Dabei wäre letztlich einzig und allein China in der Lage, Kim Jong-il und seine Nomenklatura zu zügeln. Aus einer ganzen Reihe von ökonomischen Gründen kann Peking nicht das geringste Interesse daran haben, dass der Korea-Konflikt außer Kontrolle gerät. In Hinblick auf die weltweiten Ambitionen Chinas ist es allerdings auch keine Option, den langjährigen Verbündeten einfach fallen zu lassen. Zumal auch China selbst nicht gerade erfreut ist über die militärischen Aktivitäten vor der eigenen Küste, an der sich immerhin eine Sonderwirtschaftszone befindet. Als aufstrebende Macht wird sich Peking folglich nicht mit der Rolle eines Postboten von Washington nach Pjöngjang zufrieden geben, sondern versuchen, sich als Weltmacht zu inszenieren, die ihren Einfluss gemäß der Verantwortung einer Weltmacht angemessen einzusetzen weiß. 

Die Ereignisse heute und in den nächsten Tagen werden nicht allein Aufschluss darüber geben, wie es auf der koreanischen Halbinsel weitergeht. Weil die Fähigkeit oder Unfähigkeit der USA und Chinas, regionale Konfliktherde zu befrieden, allgemein die Geschichte des 21. Jahrhunderts bestimmen werden, kann die jetzige Koreakrise als Indikator betrachtet werden. Die nächste Krise, die nicht ohne ein Einvernehmen zwischen Washington und Peking zu lösen sein wird, ist bereits fest vorgemerkt. Es geht um die Zukunft des Sudan.

EPostbrief: Postboten boykottieren Werbung

Die Post will, dass die Postboten bei ihren Kunden für den EPostbrief werben. Die haben aber gar keine Lust darauf.

Der EPostbrief soll für die Post so etwas wie die Brücke in die digitale Zukunft sein. Er soll eine Art digtales Einschreiben werden. Er ist erst einmal eine schnöde, aber teure E-Mail. Man kann ihn aber auch von der Post ausdrucken und dann zustellen lassen. Dann ist er so offen wie eine Postkarte.

Die Begeisterung bei den Kunden der Post hält sich wohl noch in Grenzen. Auf Facebook hat der EPostbrief nicht viele Freunde.   Und auch sonst läuft alles wohl eher schleppend.

Deswegen sollen jetzt die Postboten ran. Sie sollen bei ihren Kunden Werbung für den EPostbrief machen. Viele von ihnen kennen  ihre Kunden lange und gut – für die einen nennen so etwas Vertrauen. Für die Post-Manager ist es eine gute Verkaufsgrundlage.

Doch die Postboten haben keine Lust darauf, ihren Kunden ein Produkt zu verkaufen, an dass sie selbst nicht glauben. Und von dem sie befürchten, dass es ihre Jobs kosten wird.

Allen Mitarbeitern der Deutschen Post wurde als kleines Geschenk vor ein paar Tagen eine  Mailadressen reserviert und jeder bekam dazu einen Freischaltcode zugesendet, um die Registrierung abzuschließen.  Das haben viele nicht gemacht.

Die Post kann mit dem EPostbrief nicht nur ihre Kunden schwer überzeugen – auch bei den eigenen Mitarbeitern hat sie Probleme.

Wechselt Eure Autoversicherung. JETZT

Gerade wollte ich meine Autoversicherungsrechnung für das kommende Jahr bezahlen. Ich bin bei der DEVK in Essen. Dabei fiel mir auf, dass zwar der Betrag für die Haftpflicht gesenkt wurde, weil ich schadensfrei fahre. Dafür stieg aber der Betrag für die Vollkasko – um einen ähnlichen Betrag.

Ich habe mich beim DEVK-Call-Center erkundigt, warum das so ist und erhielt zur Auskunft, dass meine Regionalklasse hochgestuft worden sei, weil in meiner Gegend haufenweise Unfälle passieren würden. Auf Nachfrage hieß es, das würden alle Versicherungen so machen. Alle Versicherungen hätten in meinem Ort die gleiche Regionalklasse.

Ich wohne auf dem Land. Hier kenne ich fast jeden Unfall persönlich. Hier passiert nix. Ein Blechschaden ist hier tagelang Ortsgespräch.

Deswegen fiel es mir schwer zu glauben, dass die Regionalklasse wegen vieler Unfälle anderer Leute gestiegen sei, und ich deswegen mehr zahlen soll.

Ein einfacher Preisvergleich brachte dann auch heraus, dass diese Aussage Unfug war. Die Regionalklassen können bei den Versicherungen voneinander abweichen. Die Versicherungen legen also selbst die Klassen fest, in die sie ihre Kunden einstufen.

Gut. Da hat das DEVK-Call-Center dann wohl Mist erzählt.

Ich habe nochmal da angerufen und gefragt, ob die Versicherung bereit ist, über den Preis zu sprechen.

Besonders verwundert hat mich, dass ich in der Schadensfreiheitsklasse (SF) 13 bei 45 Prozent liegen sollte, obwohl in der SF 13 eigentlich max 40 Prozent üblich sind. Da wäre doch sicher Spielraum, um mich als Kunden zu halten, sagte ich.

Den Unfug wegen der Regionalklassen lies ich mal unberücksichtigt. Wer wird schon gerne beim Behumpsen erwischt.

Ich erhielt als Auskunft: Nein, das sei man nicht. Die DEVK wolle nicht verhandeln.

OK. Ich bin nicht Chef der DEVK. Das Call Center wird schon Gründe haben, warum sie die Preispolitik so fahren, wie sie sie fahren.

Ich habe jetzt meine beiden Wagen auf jeden Fall zu einer anderen Versicherung gebracht und spare damit knapp 300 Euro. Ich denke, ich werde meinen Eltern und meiner Frau auch sagen, dass es sich lohnt, mal einen Preisvergleich zur KFZ-Versicherung zu machen. Und zu wechseln.

Das geht noch bis zum 30. November, das Wechseln für das kommende Jahr.

Man muss nicht stumpf immer die Versicherungs-Rechnung bezahlen. Wenn man sieht, was die anderen anbieten, wird es billiger.

P.S. Lustig, dass mir die DEVK Essen mit ihrem Call Center geholfen hat, 300 Euro zu sparen. Wenn die nicht versucht hätten, mich zu beschmieren, hätte ich nie die Versicherung gewechselt.

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Letters from Ireland I

Irland steckt in einer tiefen Krise. Nicht nur wirtschaftlich geht es bergab, auch politisch steht das Land an der Abbruchkante. Der seit vielen Jahren in Nordrhein-Westfalen lebende Ire Hugh Murphy reist in seine Heimat zurück und schreibt über das, was er sieht. Hier der erste Brief unseres Gastautors. Geschrieben wenige Stunden vor dem Abflug.

„Hello,

I’m heading back to Ireland today for a few days and it’s like heading into a war zone. Tall pillared buildings, where once busy officious bankers went in and out are now emptying. Doors and windows are hanging from broken hinges and occasional explosions can be heard in the cellars where toxic material lay hidden till now. Very occasionally, a leading banker will raise a white flag, stick his head above the parapet and shout ‘Sell out! Sell out! Now!’ He is prepared to deal with the invader already. His type never loses.

Up the road from Trinity College a few enraged mortgage holders are trying to storm the Dail (parliament) and lynch those who led them into the mess. Their rage stems as much from the fact that they know they have themselves as much to blame. Why did they accept 100% mortgage loans at variable interests when they were just married with a kid and only shortly before had started into their first job? Didn’t they realize how close to the front they were in the risk-taking zone? Was this the fecklessness the puritan English always accused the Irish of?

Why didn’t they leave after they grew up as the generations did before them? Why did they stay on in Ireland after their teens and educate themselves for an illusionary future in Ireland? Why did they think they had the computer world by the short hairs when their real success was to flood the world with Botox?

When you’re young you are hopeful and that is why the banks could play fairy god-mother when in fact they were just another excrescence of Joyce’s old sow ever ready to eat her young. The genius of the Irish has always had to go abroad or hide in Ireland (mostly in pubs). The great state institutions, the Church and whatever industry there was never provided scope.

We left in the 50s and the 60s because we needed to breath. Church and State and de Valera (or was it John Mcquaid?) had us by the throat whenever we made a move. We never had the energy to go back. But we didn’t forget.

The Celtic Tiger held on to or attracted back some of the best of this generation. We were so proud when they seemed to take the country by the scruff of the neck and make it into a place they wanted to live in and bring up their families in. Now they are open to the old charge of fecklessness. It wasn’t true then and it is not true now.

I’ll have more to tell after landing, Hugh Murphy.“

Letters from Ireland I

Letters from Ireland II

Letters from Ireland III

Angst essen Seele auf

Mario Sixtus hat ein Blog gegen die Terrorangst gestartet. Und jeder kann mitmachen.

Im Mission Statement erklärt Sixtus worum es ihm geht:

Gefährlicher als es ein Terroranschlag für unseren Staat jemals sein könnte, sind überaktive Politiker. Sie wollen im Windschatten einer vermeintlichen oder realen Terrorbedrohung unsere Freiheitsrechte beschneiden, Überwachungsstrukturen schaffen und ganze Bevölkerungsgruppen unter Pauschalverdacht stellen. Geben wir der Angst nach, haben die Terroristen gesiegt. Das gönnen wir ihnen nicht! Daher rufen wir allen politischen Entscheidungsträgern zu: Wir haben keine Angst!

Und da sehe auch ich das größte Risiko. Bedeutet das, dass die Gefahr eines Anschlags nicht realistisch ist? Keine Ahnung, ich bin kein Terrorexperte, weiß aber, dass da draussen eine ganze Menge Idioten sind, die die Art wie wir leben als Bedrohung empfinden. Und das zu Recht. Denn der Westen, seine Lebensart, hat eine ungeheure Ausstrahlung. Nicht nur die Demokratie. Vor allem die Freiheiten, die der Westen den Menschen eröffnet sind verführerisch. Wir leben in eimem sehr hohen Maße selbstbestimmt. Lieben wen wir wollen, essen was wir wollen, trinken was wir wollen, lesen was wir wollen, ziehen an was wir wollen, sagen was wir wollen. Wir entscheiden über uns. Das feste Regelwerk von Religionen gilt für uns kaum noch. Das erregt nicht nur muslimische Fundamentalisten. Auch die hiesigen Kirchen würden das Rad gerne zurückdrehen. Nur in jahrhundertelangen Konflikten wurden sie domestiziert. Der Papst ist heute für die meisten Menschen in Europa ein alter Mann, der gerne Kleider trägt und dessen moralischen Autorität sich in Grenzen hält.

Angst essen Seele auf ist der Titel eines Fassbinder Films und in dem Satz steckt viel Wahrheit. Viele wollen   dass wir Angst haben. Unsere Angst ist ihr Triumph. Das gilt für irgendwelche Terroristen, die kaum erwarten können, sich in die Luft zu jagen ebenso wie für hiesige konservative Politiker, die den Terrorismus nutzen wollen, um unsere Freiheit zu beschneiden.

Natürlich kann etwas passieren. Und dann sollten wir reagieren. Robust, wie man so schön sagt. Aber auf keinen Fall mit Angst und dem Abbau unserer Rechte.

Angst haben müssen diejenigen, die den Menschen die Freiheit verweigern. Die sie einsperren wollen und Sorge haben, dass die Welt aus den Fugen gerät, wenn die Regeln aus alten Büchern nicht mehr gelten. Das Versprechen der individuellen Freiheit, unser antikes Erbe, das Geschenk Europas an die Welt, ist für sie eine Bedrohung.  Wie heißt es so schön in 300? „Dort kauern die Barbaren, ihre Herzen zu Eis gefroren.“ Daran hat sich auch 2500 Jahren nach Plataiai nichts geändert.

Und hier geht es zu Sixtus Blog Wir haben keine Angst

Cowen, schick die Banken in die Pleite

Europa steckt in einer tiefen Krise. Nach Griechenland und Irland müssen nun wohl Portugal und vielleicht auch Spanien und Italien vor dem Staatsbankrott gerettet werden. Damit ist eines klar, die Eurozone wird sich massiv verändern.

Doch wie konnte es so weit kommen? Während in Griechenland schlichtweg der Umbau zu einem modernen Wirtschaften verpasst wurde, sieht die Lage in Irland gänzlich anders aus. Der „Keltische Tiger“ ist ein Produkt der EU-Wirtschaftsförderung. Mit dem Geld aus Brüssel wurde die Infrastruktur der Insel aufgebaut, vom Agrarland wandelte sich Irland zum Hightech-Standort mit vielen Bauernhöfen. Dass war so gewünscht und es hat auch geklappt.

Klar ist, dass Firmen wie Google, Dell oder Microsoft das Land nicht wegen seiner grünen Wiesen als Standort gewählt haben. Entscheidend war für sie die im Vergleich zu den EU-Flächenstaaten geringe Körperschaftssteuer. Aber auch die Sprache Englisch sowie die Tatsache, dass die Flugzeit nach Dublin von den USA aus kürzer ist als nach London, Frankfurt oder Paris, waren ausschlaggebend.

Mit seiner gut ausgebildeten Bevölkerung ist Irland für Investoren ein attraktiver Standort – und er bleibt es. Einige Bereiche wie der Pharmasektor weisen in dem Land Zuwächse aus.

Einer der Hauptvorwürfe gegen die irische Regierung zielt auf die laxe Regulierung des Bankensektors. Das ist in der Tat das Kernproblem. Wie die Briten hat Dublin den Finanzsektor nicht ausreichend im Auge behalten. Die Quittung kommt nun mit der Schieflage des Sektors mit den hervorstehenden Spielern Allied Irish Banks und Bank of Ireland.

Weil Irland Milliarden in die Finanzbranche pumpt, um die Banken vor der Pleite zu retten, muss das Land nun unter den Rettungsschirm von EU und IWF flüchten. Aber muss das sein? Warum die Banken nicht einfach in die Insolvenz schicken? Warum müssen die Verluste vom Staat getragen werden?

Sicherlich wären viele Spareinlagen verloren und auch die Verluste der Aktionäre wären bedauerlich. Aber eine Bank ist nun einmal ein stinknormales Unternehmen. Und als solches müssen sie bei Missmanagement auch pleite gehen dürfen. Ganz offensichtlich haben die irischen Banker einen verdammt schlechten Job gemacht, sonst würde es ihren Firmen auch besser gehen.

Ein solcher Insolvenz-Tsunami im irischen Finanzsektor würde zwar das Vertrauen in das Land belasten, aber er ließe Platz für eine schnelle Erholung. Die nun kommenden Finanzspritzen werden künftig bei der Bildung und dem Sozialsystem eingespart. Die von EU und dem Internationalen Währungsfonds geforderten Einsparungen werden dem Land zusätzlich die Luft nehmen.

Also, bitte lieber Premierminister Brian Cowen: „Let the banks go bankrupt!”

Und noch etwas zum Vorwurf der laxen Regulierung, wie in viele Kommentatoren aus Deutschland geäußert haben. Schaut euch bitte den eigenen Finanzsektor an. Die Milliardenverluste bei der WestLB, der HSH und der SachsenLB sind kein Beleg einer guten deutschen Regulierung. Für eine funktionierende Aufsicht spricht auch nicht, dass die Commerzbank mit Staatskohle gerettet werden musste.

Eier gegen Google-Verweigerer

In Essen haben angebliche Google-Fans rohe Eier  auf Häuser geworfen, die bei Streetview nur gepixelt zu sehen waren. Gehts noch?

Herr, wirf Hirn vom Himmel:

Mehrere Reihenhäuser in Bergerhausen sind in der Nacht aus Samstag mit Eiern beworfen worden. Das berichten Anwohner. An die Briefkästen der Häuser klebten die Täter Zettel mit der Aufschrift „Google’s cool“ („Google ist cool“). Offenbar suchten sie sich ausschließlich solche Häuser aus, die im Panorama-Dienst „Google Street View“ unkenntlich gemacht worden waren.

Die Meldung steht auf der Westen. Früher wurde so etwas ja aus allen möglichen Gründen gemacht. Eier flogen schon wegen Atomenergie, Kündigungen und Räumungen gegen Fassaden. Aber nächtliche, illegale Aktionen weil sich Bürger dem Geschäftsfmodell eines Milliarden-Konzerns entziehen ist neu. Was kommt als nächstes? Anonyme Anrufe gegen Leute, die keine Coke kaufen? Prügel gegen Menschen ohne Markenklamotten?  Wenn hinter der Aktion nicht die Titanic steht, ist sie das Absurdeste was ich seit langem gehört habe.

In einer früheren Version des Textes war von Farbeiern die Rede. Das stimmt nicht. Ich habe mich verlesen. Es waren rohe und nicht rote Eier. Sorry.

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Zur Lage im Sudan: die Zeitbombe tickt

Nicht einmal, wenn man bei Google den Begriff „Unruheprovinz“ eingibt, bekommt man Darfur angezeigt. Man erhält Links zu Kundus, wo sich deutsche Soldaten im Kriegsdienst befinden, und zu Xinjiang, wo das Turkvolk der Uiguren gegen die chinesische Zentralregierung – und gegen die chinesischen Mitbürger – aufbegehrt. Darfur dagegen, als es noch in den Medien Erwähnung fand fast immer mit der erläuternden Bezeichnung „Unruheprovinz“, erscheint auf den ersten beiden Seiten der Google-Suchresultate nicht.

Dabei hat der Darfur-Konflikt seit 2003 Wikipedia zufolge „bis zu 400.000 Menschen das Leben gekostet und 2,5 Mio. in die Flucht getrieben“. Letztes Jahr erließ der Internationale Strafgerichtshof (IstGH) einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten al-Baschir – wegen der „Bedenken“ der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga allerdings „nur“ wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, nicht aber wegen Völkermord. Gegenwärtig ist die weltgrößte Friedenstruppe in Darfur stationiert (UNAMID), um dem Gemetzel der dem islamistischen Regime treuen arabischen Reitermilizen Einhalt zu gebieten.

Die schwarzafrikanische Bevölkerung Darfurs gehört zwar ebenso dem sunnitischen Islam an wie al-Baschir und seine fundamentalistischen Schergen. Dies hat sie aber weder vor dem Völkermord, sorry: den Verbrechen gegen die Menschlichkeit bewahren, noch ihr Solidaritätskundgebungen hierzulande verschaffen können – auch nicht derer, die in anderen Fällen häufig einen „Völkermord an Muslimen“ wittern. Inzwischen ist Darfur fast vollkommen aus den Medien verschwunden – und der ganze Sudan gleich mit. Dies könnte sich jedoch in Kürze ändern.

Der Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden des Sudans droht nämlich erneut aufzubrechen; ein Krieg droht erneut auszubrechen. Der Norden ist arabisch geprägt, es gilt die Scharia, während die vornehmlich christliche Bevölkerung des Südens von der Zentralregierung unterdrückt wird. Zuletzt 22 Jahre lang – von 1983 bis 2005 – tobte ein blutiger Sezessionskrieg, dem geschätzt vier Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein dürften. Er wurde 2005 mit der Abmachung beendet, dass in der nunmehr entstandenen „autonomen Region Südsudan“ im Jahr 2011 ein Referendum stattfinden solle, in dem die knapp neun Millionen Einwohner entscheiden, ob sie Teil des Sudans bleiben oder sich trennen wollen.

Am 9. Januar soll es stattfinden, am 9. Januar 2011. Heute in sieben Wochen. Man kann sich denken, wie eine solche Volksabstimmung, fände sie denn statt, wohl ausgehen würde. Genauso gut kann man sich vorstellen, dass der Norden den Süden doch nicht so ohne weiteres abtreten möchte, zumal sich ein Großteil der immensen Ölvorkommen im Süden des Landes befindet. Der Süden ist fest entschlossen, am 9. Januar abzustimmen; der Norden ist nicht bereit, ein Drittel seines Staatsgebiets widerstandslos abzugeben. Die „tickende Zeitbombe“, so US-Außenministerin Hillary Clinton, steht vor der Explosion.

Im Streit um die Wählerlisten, den Grenzverlauf und die Aufteilung der Öleinnahmen droht das Referendum unterzugehen. „Der Norden und der Süden steuern auf ein neues Blutvergießen zu“, wird ein „Insider“ zitiert. Nachdem am Freitag, den 5. November, ein besonders umstrittenes, weil ölreiches Gebiet an der Grenze zum Süden des Landes von Regierungstruppen aus der Luft angegriffen wurde, befasste sich der UN-Sicherheitsrat am letzten Dienstag mit der dramatischen Lage im Sudan, um dies dann den Agenturen in die Hand zu drücken: Der UN-Sicherheitsrat zeigte sich besorgt über eine Verschiebung des Referendums über die Unabhängigkeit des Süden Sudans und kritisierte die unausreichende finanzielle Vorbereitung der Regierung in Sudan für das Referendum, die Konflikte zwischen Rebellen und Regierungstruppen, die Angriffe auf UN-Einheiten und die Entführung eines UN-Beamten.

Was aus dem Abkommen von 2005 wird, ist gegenwärtig völlig unklar. Im „Spiegel“ heißt es heute in einem Bericht von Matthew Teague: „Die chaotische Geschichte des Landes und die anhaltenden, verdeckt ausgetragenen Konflikte machen es unmöglich vorherzusagen, ob der Vertrag die Wahlen zur Unabhängigkeit 2011 überstehen wird.“ Denn, so Ines Zöttl in der FTD, „selbst wenn die Abstimmung stattfindet, droht Gefahr. Der Norden wird das Ergebnis anfechten, der Süden sich daraufhin einseitig für unabhängig erklären. Was dann passiert, kann man sich in Abstufungen des Grauens ausmalen: Beide Seiten haben die letzten Jahre genutzt, um aufzurüsten. Der US-Journalist und Autor Nicholas Kristof hat schon eine ,Chronik des angekündigten Völkermords` entworfen: Milizen aus dem Norden rücken aus und morden, brandschatzen und vergewaltigen im Süden. Al-Baschir lässt die Ölförderanlagen von der Armee besetzen. Das Land versinkt im Chaos.“

Ein Schreckensszenario, das wegen der vielschichtigen Interessen der vielen Nachbarstaaten des Sudans Auswirkungen haben dürfte, die wir in Europa seinerzeit als „Weltkrieg“ bezeichnet hatten. Wegen der Rohstoffe – nicht nur des Öls -, aber auch wegen des islamistischen Regimes in Khartoum, und nicht zuletzt wegen der „Engagements“ sowohl Chinas wie auch der USA wäre auch Europa von den Folgen einer solchen Katastrophe ungleich stärker betroffen als von den bisherigen Waffengängen im größten Flächenstaat Afrikas, die uns hier ziemlich kalt ließen, weil sie uns kalt lassen konnten. Welchen Weg der Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden des Sudans nehmen wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Noch besteht Hoffnung – gerade wegen des Einflusses aus Peking und aus Washington. Die USA haben, wie bei Greenpeace im einzelnen nachzulesen ist, dem Sudan ein Ende der amerikanischen Sanktionen in Aussicht gestellt. Und auch die Chinesen scheinen entschlossen, das Referendum zu unterstützen und zu akzeptieren.

Update: Bild am Sonntag: Mit einfachen Worten das Richtige sagen

Zwei deutsche Journalisten werden seit 42 Tagen vom Iran gefangen gehalten. Sie arbeiteten für die Bild am Sonntag. Heute hat sich deren Chefredakteur Walter Mayer an die Öffentlichkeit gewandt.

Die zwei Kollegen wollten im Iran über die Geschichte von Sakine Aschtiani recherchieren. Der Frau, die wegen Ehebruch zum Tod durch Steinigung verurteilt worden ist. Beide wurden vom iranischen Regime festgenommen. Der Vorwurf: Sie seien Spione.

So etwas machen Diktaturen gerne. Wer mehr wissen will, ist ein Agent. Ein guter Bürger glaubt, schweigt und fragt nicht nach.

In seinem Text in der heutigen Ausgabe der Bild am Sonntag legt der BamS-Chredakteur Walter Mayer den Fall noch einmal dar und erinnert an das Schicksal der beiden Kollegen. Er fordert ihre Freilassung. Und die des Sohnes und des Anwalts von Sakine Aschanti, die auch festgenommen wurden. Und dann, am Ende des Textes, findet Mayer ebenso einfache wie beeindruckende Wort zu den Journalisten und der von der Steinigung bedrohten Frau:

Kenner des Irans erklären, der Fall sei kompliziert. Es gehe um iranische Außen- und Innenpolitik, um rivalisierende Machtzentren, um Fanatiker und Gemäßigte, die sich gegenseitig blockieren, um Intrigen und Propaganda.
Mag alles sein. Im Grunde, davon bin ich überzeugt, geht es aber um ganz eindeutige Fragen. Darf man lieben, wen man liebt? Darf man leben, wie man will? Darf man sagen, was man denkt? Darf man nachfragen, wo man Ungerechtigkeit sieht?
Es geht um die Freiheit. Und Pressefreiheit ist der Gradmesser der Freiheit.

Mehr gibt es nicht zu sagen. Und besser kann man das kaum sagen.

Update:

Die BamS hat einen ausführlichen Artikel zu den Hintergründen der Festnahme veröffentlicht