Christian Lindner und die Atomkraft

Christian Lindner - Foto: Tulipana (via Wikipedia)

Christian Lindner ist der Jüngste in der dreiköpfigen Boygroup, die am Wochenende auch offiziell das Regiment in der FDP übernehmen wird. Der 32-Jährige ist seit dem letzten Bundesparteitag vor gut einem Jahr Generalsekretär der FDP, kommissarisch schon seit Ende 2009 im Amt, weil sein Vorgänger Dirk Niebel das Entwicklungshilfeministerium übernommen hatte.

Zwei Wochen nach Ausbruch der Reaktorkatastrophe in Fukushima machte Lindner – freilich im Namen der FDP – mit der Forderung auf sich aufmerksam, das zuvor von Kanzlerin Merkel verkündete dreimonatige Atom-Moratorium nicht mehr auslaufen zu lassen. Entsprechendes solle umgehend verbindlich festgeschrieben werden. Die im Rahmen des Moratoriums abgeschalteten sieben deutschen Kernkraftwerke sollten nach dessen Ende im Juni nicht wieder in Betrieb genommen werden, verlangte Lindner.

Heute, zwei Monate nach den Super-GAUs in Japan, erscheint dies nicht weiter spektakulär. Doch Ende März wurde diese Forderung von SPD und Grünen gestellt, während sich Union und FDP noch auf die Formel zurückzogen, zunächst müssten die während des Moratoriums zu erlangenden Untersuchungsergebnisse über den Zustand der deutschen AKWs abgewartet werden, bevor Schlussfolgerungen gezogen werden könnten. Regierungspolitiker wiesen vor jeder Kamera darauf hin, dass auch neuere Atomkraftwerke unsicher, ältere Meiler dagegen relativ sicher sein könnten.

Insofern stellte Lindners Vorpreschen seinerzeit einen gezielten Tabubruch dar. Lindner galt in den Tagen danach – länger merkt sich das kollektive Gedächtnis in diesen stürmischen Zeiten so etwas nicht – als der am weitesten gehende Atomkraftgegner in den schwarz-gelben Reihen. Dies war offenbar auch seine Absicht; allerdings hatte Lindner die Anti-AKW-Stimmung innerhalb der Koalition überschätzt. So verzichtete er in Folge darauf, diese Forderung noch einmal aufzuwärmen. Er hatte sie jedoch auch niemals relativiert. Inzwischen hat sich die Frage, was mit den sieben abgeschalteten AKWs nach Ablauf des Moratoriums geschehen soll, weitgehend erledigt, da es als sicher gilt, dass die Reaktoren vom Netz bleiben.

Für Christian Lindner blieb jedoch die Aufgabe, die Folge seiner Fehlspekulation zu korrigieren. In Sachen Atomkraft ist sein Image nämlich ein wenig in Schieflage geraten. Da musste nachjustiert werden. Am besten noch vor dem Parteitag am Wochenende, wo auch seine Wiederwahl als Generalsekretär ansteht. Gestern ergab sich die Gelegenheit; Lindner sprach in die Fernsehkameras – hier in die des ZDF: „Wir wollen jetzt einen rationalen Wechsel in der Energiepolitik, keinen kopflosen. Und deshalb wird die FDP die Partei sein, die auf die Vorstellungen und Wünsche anderer Parteien oder Experten mal ein Preisschild aufklebt.“

Ja, so ist das. Der Brüderle kann hingehen und beim BDI das ganze Moratorium kurzerhand zu Wahlkampftaktik erklären. Dann sagt er einfach gar nichts mehr dazu und sitzt die Sache locker aus. Aber wenn Du so ein Jungspund bist, gerade mal 32 Jahre alt, und liegst daneben, wenn Du Dich an die Spitze der Bewegung setzen willst, dann musst Du sehen, dass Du irgendwie wieder die Kurve kriegst. Denkbar ist allerdings auch, dass derlei unterschiedlicher Maßstab überhaupt nichts mit dem Lebensalter der Patzenden zu tun hat. Es war doch so: Brüderle war grundsätzlich für die Atomkraft, Lindner dagegen. Es geht um Einfluss in der FDP. Damit ist alles erklärt. Alter wird mitunter einfach überschätzt.

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