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Corona: Wo ist nur die große Selbstdisziplin aus dem Frühjahr hin?

Ein Mann niest. Quelle: Wikipedia, Lizenz: Gemeinfrei

Die Zahl der Corona-Infizierten steigt seit Tagen wieder bedrohlich an. Das war leider zu erwarten. Alle Experten haben uns gebetsmühlenartig davor gewarnt, dass es im Herbst so kommen würde, wenn wir die einst beschlossenen Maßnahmen zu sehr lockern würden.

Jetzt ist es dann also soweit. Die zweite Welle baut sich auf. Ein Ende ist noch nicht zu erkennen. Es wurde seit dem Ende des ‚Lockdowns‘ offenkundig in zu vielen Bereichen gleichzeitig gelockert. Die Tage des vergleichsweise entspannten Sommers für weite Teile der Bevölkerung sind damit leider erst einmal wieder Geschichte. Das war zu befürchten.

Das große Erstaunen und Entsetzen darüber, das derzeit in der Geseellschaft zu erkennen ist, muss einen kritischen Beobachter der Geschehnisse daher stark verwundern.

Noch mehr betrübt einen solchen jedoch die sich gleichzeitig ausbreitende große Sorglosigkeit und der sich aufbauende klammheimliche passive Widerstand weiter Teile der Bürgerschaft gegenüber den jüngst angeordneten Verschärfungen der Schutzmaßnahmen.

Schon mehrfach hörte ich zuletzt von von mir eigentlich immer als sehr vernünftig vorgekommenen Mitmenschen ein lapidares ‚Ach, was soll’s‘, oder ein ‚Aber so schlimm ist das doch nicht‘.

Klar, dass große Durcheinander, was die frisch getroffenen Corona-Schutzmaßnahmen betrifft nervt uns alle. Trotzdem vermisse ich in diesen Tagen schlicht die noch im Frühjahr vorherrschende große grundsätzliche Bereitschaft zu konsequentem Handeln und zur Selbstdisziplin bei vielen Zeitgenossen.

Schon ein Blick in den eigenen Freundes- und Familienkreis zeigt mir aktuell, dass deutlich weniger Leute Willens sind sich an die vorgegebenen Abstands- und Hygieneregeln zu halten. Zwischen März und Mai traf man kaum jemanden an, der nicht bereit gewesen wäre seine privaten Kontakte auf ein Minimum herunterzufahren. Im Oktober ist das, obwohl die Lage sich wieder dramatisch zuspitzt, offenbar anders.

Diverse private Treffen und Veranstaltungen sind trotz der rapide ansteigenden Infektionszahlen unverändert auf der Agenda vieler. Kaum jemand sieht derzeit die Notwendigkeit sich hier maßgeblich einzuschränken.

Es macht sich offenkundig in breiten Bevölkerungsschichten gerade eine gefährliche Corona-Müdigkeit breit, die wohl nur noch schwer aus den Köpfen herauszubekommen sein dürfte.

So verständlich es ja sein mag, dass man gerne schnellstmöglich sein altes Leben zurückhaben möchte, es ist aktuell schlicht noch nicht die Zeit dafür. Und das war uns doch eigentlich auch schon vor Monaten klar. Oder?

Warum plötzlich nun doch so viele Mitbürger offensichtlich nicht mehr bereit zu sein scheinen in den kommenden Herbst- und Wintermonaten auf ihre aus den Vorjahren angestammten Freizeitrituale zu verzichten, ist aus meiner Sicht schlicht unlogisch.

Bekommen wir es jetzt nämlich nicht in Kürze hin uns bis zum Frühjahr wieder etwas zu mäßigen, droht uns wohl schon in Kürze ein zweiter Lockdown. Und daran kann natürlich niemand Interesse haben, denn dann kommen uns die aktuell beschlossenen Maßnahmen sicher schon bald wie ein erstrebenswerter Traum vor.

 

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Harald
Harald
3 Jahre zuvor

Also in meinem Bekanntenkreis sieht es anders, dort ist offenbar mehr Vernunft vorhanden als vom Herrn Patzwald "weiten Teilen" der Bevölkerung attestiert.

Weder auf der Arbeit, noch im öffentlich Raum sehe ich jemanden, der sich der Maskenpflicht entzieht, von Einzelfällen vielleicht mal abgesehen. Man hält sich allgemein zurück, man trifft sich weniger, man geht seltener aus, man weiss halt, was die Stunde geschlagen hat.

Mein Fazit:

Die Bevölkerung verhält sich erstaunlich diszipliniert.
Und das trotz der permanenten Lockerungsbeschallung aus weiten Teilen der Wirtschaft, der mit ihr verbandelten Politiker (schöne Grüße an die FDP), und der an Werbeeinnahmen sehr interessierten Medienlandschaft.

Björn Wilmsmann
Björn Wilmsmann
3 Jahre zuvor

Ich verstehe nicht, woher diese Wahrnehmung kommt. Die Menschen verhalten sich z.B. in Sachen Masken mittlerweile deutlich disziplinierter als noch vor einigen Wochen. Nasenmänner und Kinnlappenträger sieht man nur noch selten.

Auch das Uminterpretieren von Regeln ist wenig hilfreich. Veranstaltungen und Zusammenkünfte sind bis zu einer bestimmten Personenzahl und unter Berücksichtigung von Kontaktverfolgung erlaubt. Sich dann darüber zu wundern oder gar zu empören, dass Menschen diese Möglichkeit wahrnehmen, ist schon kurios.

Was mich sehr frustriert, ist dass der große Vorteil und Zeitgewinn der in Deutschland vergleichsweise ruhigen vergangenen Monate von Politik und Behörden nicht genutzt wurde, um Infrastruktur und Prozesse zu verbessern und sich auf die für den Herbst erwartbare Entwicklung der Pandemie mit deutlich höheren Infektionszahlen vorzubereiten:

– Die meisten Gesundheitsämter arbeiten immer noch Papier, Fax und Excel statt SORMAS.
– Temperaturmessung im öffentlichen Raum: Fehlanzeige.
– Breiter Einsatz von Luftfiltern: Ebenso.
– Erweiterung der Corona-Warn-App um weitere nützliche Tracing Funktionen: s.o.
– Konzepte und Schaffung von Infrastruktur für Remote Learning: Nichts passiert. Ahnungsloses bis gleichgültiges Schulterzucken. Wir lüften einfach ab und zu. Ok?
– Teststrategie: Immer noch kein Plan.
– Schnelltests: Irgendwann. Vielleicht. Und für den privaten Gebrauch schonmal gar nicht.
– Planung der Logistik für die Impfstoffdistribution und -gabe: Schauen wir im nächsten Jahr nochmal. Ist ja noch Zeit.

Daher sind "Abstand. Hände waschen. Arschbacken zusammenkneifen." jetzt weiterhin die bestmöglichen Maßnahmen für die nächsten Maßnahmen.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass jetzt angeblich mangelnde Disziplin als Entschuldigung für weitreichendes Politik- und Behördenversagen aufgebaut werden soll.

Susanne Scheidle
Susanne Scheidle
3 Jahre zuvor

Hat jemand gestern Abend in der Aktuellen Stunde den Bericht aus Gelsenkirchen gesehen? Aus der Kneipe "Fliegenpils"? Da bleiben keine Fragen offen… drinnen sitzen die Leute dicht an dicht als gäbe es kein Virus, draußen wird der Wirt interviewt, der sich über die Sperrstunde beklagt, ich weiß nicht mehr, ob er das Wort "Hygiene-Konzept" erwähnt hat, jedenfalls klagte er, das wäre sein drohender Ruin.
Wie haben die das in Merry Old England eigentlich fertig gebracht, ihre Pub-Culture aufrecht zu halten? Da habe ich Pubs gesehen in denen womöglich schon Queen Liz I. ein Pint zu sich genommen hat, und die existierten immer noch – trotz Sperrstunde 11.00 Uhr…

ingenhorst
ingenhorst
3 Jahre zuvor

schön sich zu vergewissern, daß die ruhrbarone unter den linientreuen die treuesten sind.wem nützt kritikfähigkeit? buckeln hilft…

Ottoburger
Ottoburger
3 Jahre zuvor

Wie geht Solidarität? Kennt jemand ein besseres System als „Mehr Demokratie“?

Was wir in der Deutschen Epidemie der Corona-Virus-Pandemie erleben, sind Folgen einer ungeübten Demokratie – es fehlt die Übung des gemeinsamen Aushandelns der Pflichten für das Gemeinwesen; die persönliche Erfahrung: meine Sichtweise zählt. Lasst uns schauen, wie wir das Beste daraus machen!

Die Trittbrettfahrer Mentalität der Platzhirsche in den sog. Großen Volksparteien hat versagt. Der Corna-Virus sprengt den lange verklempten Gullideckel des subversiven, eigennützigen Parteiensystems.

Ottoburger
Ottoburger
3 Jahre zuvor

Wie geht Solidarität? Kennt jemand ein besseres System als „Mehr Demokratie“?

Was wir in der Deutschen Epidemie der Corona-Virus-Pandemie erleben, sind Folgen einer ungeübten Demokratie – es fehlt die Übung des gemeinsamen Aushandelns der Pflichten für das Gemeinwesen; die persönliche Erfahrung: meine Sichtweise zählt. Lasst uns schauen, wie wir das Beste daraus machen!

Die Trittbrettfahrer Mentalität der Platzhirsche in den sog. Großen Volksparteien hat versagt. Der Corona-Virus sprengt den lange verklempten Gullideckel des subversiven, eigennützigen deutschen Parteiensystems.

Yilmaz
Yilmaz
3 Jahre zuvor

Wo müssen Masken getragen werden? Im ÖPNV, beim Einkauf und in Restaurants. Dort kommt es laut RKI auch nicht zu einem Infektionsgeschehen. Sondern hauptsächlich bei Feiern, im privaten Bereich, wo keine Masken getragen werden.

Psychologe
Psychologe
3 Jahre zuvor

Ich sehe es ganz genau so wie Björn Wilmsmann. Jetzt an der Bevölkerung herumzunörgeln ist in gewissen Punkten zwar nicht ganz falsch, weitestgehend aber eben doch (ganz am Rande: Auch meine Beobachtung ist es, dass es mit dem Maskentragen deutlich besser klappt als noch vor 8 Wochen).
Es war völlig zu erwarten, dass Verhaltensweisen einreißen, denn es gehört zum normalen menschlichen Lernverhalten dazu, dass sich Ängste weg-habituieren. Psychologie, 1. Semester.
Der Spannungsbogen kann über einen so langen Zeitraum einfach nicht aufrecht erhalten werden. Stattdessen wäre aber von der Politik ein ausgereifteres Konzept zu erwarten gewesen. Wir befinden uns nun seit dem Frühjahr in dieser Krise und es wird weitestgehend gehandelt wie ganz am Anfang. Ich frage mich, wann sich der erste wieder hinstellt und behauptet, wir wüssten noch "sehr wenig" über den Virus und müssten daher "auf Sicht fahren" (Schönsprech übersetzt: Einen Blindflug hinlegen). Ich kritisiere nicht, dass Maßnahmen ergriffen werden, aber ich kritisiere, dass man sich von den Ereignissen treiben lässt, als dass die Situation gestaltet wird und der Bevölkerung auch Optimismus vermittelt wird. Hier betreiben auch die Medien stellenweise ein dreckiges Geschäft. Mal hetzt man gegen Impfrisiken, dann wird wieder betont, dass das Schlimmste noch kommt.
Im Übrigen, zu den Masken in Fußgängerzonen: Keine Ahnung, habe lange keine Fußgängerzone mehr betreten. Lange haben uns aber die Vordenker jedoch erzählt, dass das Tragen im Freien sinnbefreit, wenn nicht gar kontraproduktiv (die Masken sind durch den Temperaturunterschied schnell gesättigt, wenn ich dann einen geschlossenen Raum betrete, versagt die Maske genau dann, wenn es wirklich drauf ankommt) sei.

thomas weigle
thomas weigle
3 Jahre zuvor

@ Robin Patzwald #9 Nun ja, im Netz firmieren die Ruhrbarone auch schon mal als "Merkelknechte", da ist "linientreu" doch schon fast wohlwollend zu nennen, doppelkicher. Letztlich sind all diese tw. bescheuerten Benennungen, die ja von rechts-bis linksradikal gehen, ein Beweis dafür, dass die Ruhrbarone vieles richtig machen, inklusive einer großen Meinungsvielfalt. Und auch Salz in viele Wunden streuen.

Susanne Scheidle
Susanne Scheidle
3 Jahre zuvor

@ Ingenhorst #5

Nein, Ingenhorst, Sie buckeln nicht! Sie sind wie der Schwarze Ritter, der aufrecht stehend auf freiem Feld das Gewitter bekämpft indem er sein Schwert gen Himmel reckt!
Respekt!

ingenhorst
ingenhorst
3 Jahre zuvor

bin nicht neu hier. vor 12 jahren aus essen nach costa rica ausgewandert (gottseidank!) gucke ich manchmal nostalgiegetrieben bei euch vorbei und bemerke, daß ihr seid "pandemieausbruch" berichtet, wie es der pressesprecher von jens spahn es sich nicht besser erträumen könnte. keine kritik an den massnahmen, kein bhakti,kein homburger, keine great barrington declaration, kein gar nix. sowas nennt man "linientreu". sorry

Ruhr Reisen
Ruhr Reisen
3 Jahre zuvor

Was ist mit den Ruhrbaronen los? Seit ein paar Monaten entwickeln sich nicht nur die Themen, sondern auch die Qualität der Berichterstattung immer weiter nach unten. So auch dieser hier. Ist das gewollt, nur noch die Selbstanalyse einiger "Journalisten" über Corona und weitestgehend Fußball auf die Leser/innen loszulassen?
Dabei brauchts im Pott ein waches Auge für das, was sonst noch täglich in Selbe springt!

Schade, wenn!

Fettreduzierkanne
Fettreduzierkanne
3 Jahre zuvor

Der Autor war doch selbst kürzlich ohne Maske mit Freunden unterwegs.

https://www.facebook.com/100001393641371/posts/3601619193227833/

Susanne Scheidle
Susanne Scheidle
3 Jahre zuvor

@ Robin #16

Das ist der eingeübte Reflex, den einige in der Krise halt einfach beibehalten: Man muss dagegen sein, sonst ist man angepasst und angepasst ist doof. Autopilot eben. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass Autopilot nicht geeignet ist für unvorhergesehene Situationen.

dhgfhe
dhgfhe
3 Jahre zuvor

@ Björn Wilmsmann:

Gruß aus der Landeshauptstadt ins Ruhrgebiet. Ich hätte ja wenigstens am Fernknotenpunkt Dortmund Hauptbahnhof die gleichen pfiffigen Desinfektionsspender erwartet wie in Düsseldorf. Aber anscheinend liebt dieses Land Schlaftabletten in der Verwaltung.

Über Temperaturmessgeräte wenigstens für die internationalen Flughäfen habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Nach gerade Mal zwanzig Minuten Google weiß man auch den Hersteller. Aber die Schlaftabletten haben einen sicheren Job…. Warum dann unnötig selber und mitdenken.

Björn Wilmsmann
Björn Wilmsmann
3 Jahre zuvor

@dhgfhe #19

Genau so sieht es leider aus. Leider mal ausnahmsweise nicht nur im rückschrittlichem Ruhrgebiet, sondern bundesweit. Das erwähnte positive Beispiel ist leider eine sehr seltene Ausnahme, wo mal jemand mitgedacht und Initiative gezeigt hat.

Ansonsten wird aber einfach Dienst nach Vorschrift gemacht.

Bürgern und Unternehmen werden gerade enorme Lasten aufgebürdet (und über die aktuelle Situation hinaus; denn es dürfte klar sein, wer die Rechnung für den “Wumms” am Ende bezahlt). Da ist es für eine fortschrittlichen Technologienation, die Deutschland immer so gerne sein möchte, umso mehr eine Farce, dass Behörden mit längst überholten Werkzeugen, Prozessen und Paradigmen aus den 1980ern arbeiten und auch nicht bereit sind, sich auf Neuerungen und neue Ansätze einzulassen.

Die Politik zeigt sich derweil auch vollkommen ignorant gegenüber sinnvollen Ideen. Man arbeitet sich an irrelevanten Nebenschauplätzen wie dem Beherbergungsverbot ab, aber die Maßnahmen, die uns in den nächsten Monaten wirklich weiter helfen würden, kommen in der Diskussion gar nicht einmal vor.

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