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Das Ende des unbekannten Kompetenz-Zentrums

Eine Ära geht zu Ende. Eine Ära allerdings, von der kaum jemand etwas wird bemerkt haben: das ECMC  in Marl wird geschlossen.  Nach dem  kommenden Jahr wird es ein Teil des Adolf Grimme Instituts sein.

Als das ECMC, das Europäische Zentrum für Medienkompetenz, 1997 gegründet wurde, war es ein Kind des Zeitgeistes. Was heute die Kreativwirtschaft ist, der Hoffnungsträger für die wirtschaftliche Erneuerung des Ruhrgebiets, war damals die Medienwirtschaft. Ganz wuschig wurden die damaligen Wirtschaftsförderer bei dem Gedanken an Fernsehsender und neue Medien. Denn NRW unter Wolfgang Clement sollte das Medienzentrum Deutschlands werden. In Köln errichteten sie den Mediapark, die dortige Stadtsparkasse ruinierte sich fast bei der Finanzierung des Senders VOX und am Medienhafen in Düsseldorf siedelte sich der TV Sender Nickelodeon an. Klar, dass das Ruhrgebiet auch bei dieser Entwicklung nicht abseits stehen durfte, auch wenn es eher die Krümmel vom Kuchen waren, auf die man hoffte. In Dortmund entstand mit Steuergeldern ein komplettes Fernsehstudio im Technologiepark, im Stiftsgebäude in Hörde siedelte sich Sat 1 an, und dort unternahm Verona Feldbusch ihre ersten stöckelnden Schritte hinein in die TV-Welt und sogar ein bundesweiter Musiksender sendete ab 1996 aus der ehemaligen Stahl und Bierstadt: Onyx, der einzige Musiksender, der sich der Förderung des deutschen Liedgutes widmete – ein Schlagersender. Dem hielt es allerdings nicht lange in Dortmund: schon 1999 verabschiedete man sich und zog nach Köln. "Wir wollen dahin, wo die Musik spielt", so der damalige Geschäftsführer.

Auch in Essen setzte man auf das Fernsehen. Die WAZ richtete ein komplettes Fernsehstudio ein, leistete sich einen Fernseherbeauftragten und auch freie Produktionsgesellschaften siedelten sich an. So mancher Witwenschüttler betrieb sein Geschäft in den folgenden Jahren vom Standort Essen aus.
In Bochum gab man sich hingegen ganz innovativ und setzte auf ein damals ganz neues Segment: TV Shopping. Man hoffte auf die Ansiedlung des US Kanals QVC, der allerdings sein Studio in Düsseldorf eröffnete. Nur das noch unglamouröse Call Center ist bis heute dem Standort Bochum treu geblieben. Von hier aus werden noch immer schlaflose Rentner betreut, die sich mitten in der Nacht via Telefon mit Billigschmuck, Ramschhandys oder Heizkissen eindecken.

In dieser Zeit fiel auch die Gründung des ECMC.  Es hatte 1997 gleich zwei Funktionen zu erfüllen: zum einen galt es, die damals bei den Marler Kommunalpolitikern noch lebendige Ideen von Marl als Medienstadt nicht ganz untergehen zu lassen und mithilfe des ECMC in die ebenso gegenstandslose Vorstellung von Marl als Stadt der Medienkompetenz zu transferieren. Zum anderen sollte das ECMC den Wandel Nordrhein-Westfalens zum Medienstandort wissenschaftlich begleiten.  Irgendwas mit Internet und neuen Medien sollte das Hauptthema werden. Dass dies zu keinem Zeitpunkt ganz ernst gemeint war, zeigte damals schon eine Auswahl des ersten Geschäftsführers Klaus Klenke. Der kam um Radio, war mit VOX gescheitert und hatte vor allem gute Kontakte zu Wolfgang Clement.  Von neuen Medien hatte Klenke ungefähr so viel Ahnung wie ein militanter Veganer von der Zubereitung eines herzhaften Gulasch. Die Frage, was ihn zur Übernahme dieses Postens qualifiziere, beantwortete er damals via Fax mit einem selbstgemalten Smiley.

Nun wird das ECMC zu einem Teil des Adolf Grimme Instituts und beendet damit seine ohnehin überflüssige Existenz. Noch nicht einmal für einen eigenen Wikipediabeitrag hat es gereicht – zu unspektakulär waren die Aktionen und Arbeitsergebnisse des Zentrums. Und auch vom Medienstandort Ruhrgebiet, ja NRW, spricht kaum einer mehr, wenn es um den Aufbruch zu neuen wirtschaftlichen Ufern geht. Vox ist kaum mehr als eine Abspielstation von Kochsendungen und drittklassigen Spielfilmen, der damals mit viel Trara gegründete Musiksender Viva längst ein Ableger von MTV und die paar Fernsehproduzenten, die es noch im Ruhrgebiet gibt, interessieren schon lange niemanden mehr.

Denn längst wird nicht mehr die Sau Medienwirtschaft durch Dorf getrieben – ein neues Ferkel mit niedlicher Steckdosennase und rosaner Haut ist der neue Liebling von Medien, Politik und Wirtschaftsförderungen: die Kreativwirtschaft. Der Hype steigert sich seit Jahren und wird im kommenden Jahr im Zeichen der Kulturhauptstadt 2010 seinen Höhepunkt erreichen. Die Kreativwirtschaft soll Arbeitsplätze bringen, bei der Sanierung von heruntergekommenen Stadtteilen helfen und der Region zu neuem Glanz verhelfen. Es braucht keine sonderlich ausgeprägten Wahrsagerischen um heute schon vorauszusehen, dass ihr die Zukunft bevorsteht, welche die Medienwirtschaft hinter sich hat. In zehn Jahren wird kaum jemand im Ruhrgebiet noch von der Kreativwirtschaft sprechen und ob es da noch das von Dieter Gorny gerade gegründete Kreativwirtschaftsinstitut noch geben wird, ist mehr als fraglich. Zu offensichtlich sind die Parallelen der beiden Entwicklungen. Heute wie damals wird ohne Berücksichtigung der vorhandenen Strukturen mit viel Geld und importierten Möchtegern-Experten ein Spektakel veranstaltet. Mit dem Ruhrgebiet, seinen Chancen und Defiziten hat das nicht viel zu tun. Mich ärgert es noch nicht einmal mehr dass wir wieder einmal den Hintergrund für die Subventionierung umherziehender Beratern liefern dürfen.  Nur dass ich sie und ihre Konzepte ernst nehmen soll, kann niemand verlangen.

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Angelika
Angelika
14 Jahre zuvor

Wenn die Leute eben keine Kompenz (siehe Überschrift – klar, ein Tippfehler, aber eben ein lustiger …) haben, dann nützen auch keine Zentren …

Angelika
Angelika
14 Jahre zuvor

p.s.: Interessanter Artikel (ich hab nicht nur die Überschrift gelesen …)!

David Schraven
Admin
14 Jahre zuvor

@ Stefan,

Sprachsoftware ist halt so eine Sache, wird aber besser. 🙂

Mir fällt bei der ganzen Nummer die Projekt Ruhr GmbH ein. Ich habe diese PR Firma des Landes unter Wolfgang Clement oft und hart kritisiert. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass sie auch gute Sachen gemacht hat. Zum Beispiel eine Studie über die Migrantenwirtschaft. Darin wurden Erkenntnisse über die Art und Weise gesammelt, wie Türken, Griechen und Spanier oder andere Ausländer hier ihr Business aufziehen, wie sie sich motivieren und voran kämpfen. Fast jenseits der staatlichen Förderkanäle im Stil von „Kreativwirtschaft“ schaffen die es nämlich in benachteiligten Stadtteilen etwas hochzuziehen.

Nach dem Muster Stärken Stärken, hieß es damals bei der Projekt Ruhr, gelte es hier, diese Migranten bei ihrem Wachstum zu unterstützen, sei es mit Mikrokrediten oder mit gezielten Ansprachen.

Wege zur Förderung der Migrantenwirtschaft, die von der PR GmbH aufgezeigt wurden, finde ich spannend und wichtig. Viel wichtiger jedenfalls, als das Ganze Medienkreativgeschrumse.

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

Mir fällt dabei nur ein, dass die von Stefan aufgezählten Fehlschläge allesamt von Leuten initiiert und geleitet wurden, die keinerlei persönliches Risiko getragen, geschweige denn eigenes Geld dafür aufgewandt haben.Dass viele von ihnen immer noch große Töne spucken und/oder neue Pöstchen für sich organisiert haben wo sie erneut und völlig unberührt von ihren bisherigen Mißerfolgen weiter wurschteln.Für diese Sorte Leute ist das Ruhrgebiet wirklich ein Eldorado und wird es in absehbarer Zeit auch bleiben.

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

Und wir produzieren obendrein mit der hier immer noch herrschenden Parteibuchwirtschaft reichlich eigene Blindgänger auf wichtigen Posten, die sich wiederum mit den hierhin abgeschobenen bestens verstehen.

Aber es gibt Zeichen der Veränderung. Es gibt zunehmend Leute die das alles satt haben. Ja die sogar den Mut haben das auch offen zu sagen.Nicht nur in den unteren Etagen.

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[…] ernst nehmen, wie immer ginge es nur darum, ein paar Förderungsgelder abzuziehen und irgendein Kreativwirtschaftsinstitut zu gründen, um ein paar Kumpels anstellen zu können. So sei es auch vor zehn Jahren […]

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[…] mal mittelfristig wie mit das ähnlich klingenden  Zentrum für europäische Medienkompetenz (ECMC). Es wurde nach Jahren des Wirkens in der Bedeutungslosigkeit in das Grimme Institut integriert. […]

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