Das Hohelied auf die Pharmaindustrie

Flickr.com / planetmoore

Wenn in diesen Tagen über die Schweingrippe und über das Impfen gesprochen wird, kommt in meinen Augen ein Aspekt zu kurz. Wie toll ist es, dass wir Menschen heute einen Stoff haben, der uns vor einem Virus beschützen kann. Wie wahnsinnig ist die Entwicklung. Vor 2000 Jahren haben unsere Ahnen im Winter Baumrinden geknabbert und sind an Schnupfen verreckt. Heute wird ein neuer Virus in Mexiko entdeckt, breitet sich über Welt aus und gleichzeitig sitzen unsere Forscher über Mikroskope und Petrischalen und Spektrometern und suchen einen Stoff, den Virus zu bekämpfen. Diese Männer und Frauen haben Erfahrung. Sie wissen, was sie tun müssen. Und sie tun genau das. Nach sechs Monaten haben sie den Stoff gefunden und produziert, mit dem sie uns impfen können. Damit wir nicht krank werden.

Kann sich einer vorstellen, was für ein gigantischer Apparat dahinter steht, damit Millionen Impfdosen produziert werden können. Allein die Vorstellung, dass Hunderttausende von Hühnereier bebrütet werden müssen mit dem Virus, Tag ein Tag aus. Da werden ganze Häuserblocks aus dem Boden gestampft, Maschinenparks erfunden und eingerichtet. Tausende Facharbeiter, jeder eine Spezialist auf seinem Gebiet, müssen genau das richtige tun und dürfen keine Fehler machen, damit mein Junge die richtige Dosis in den Arm gespritzt bekommt, damit ich beruhigt schlafen kann.

Dieser gigantische Apparat kann nicht nur die Schweinegrippe bekämpfen. Er produziert Mittel gegen Krebs. Er erfindet Kopfschmerztabletten und Antibiotika. Selbst Aids kann er mittlerweile behandeln, weil irgendwo im Apparat eine Armee von Spezialisten forscht und sucht und findet.

Sie haben einen Bandscheibenvorfall? Vor Jahrzehnten wären Sie ein Krüppel geworden. Heute gibt es bewegliche Spritzen, die in den Hals gestochen, unter einem Magnetresonanztomograph im Spinalkanal hinab an den Brustwirbeln ausgerichtet werden, um genau da, wo es wehtut das Mittel gegen die Entzündung am Rückgrat zu platzieren. Irre.

Irgendwer im Apparat konnte sich den Magnetresonanztomograph ausdenken, weil ein anderer herausgefunden hat, was Magnetkräfte sind und wie man diese aufzeichnet.

Irgendwer konnte das Mittel gegen die Entzündung produzieren, weil ein anderen herausgefunden hat, was bei einer Entzündung im Körper passiert.

Heute meckern viele darüber, dass der Impfstoff gegen die Schweinegrippe nicht genug erprobt sei. Man, seid doch froh, dass ihr überhaupt Impfstoff habt. Die Mittel sind ausreichend getestet, die Forscher haben Erfahrung. Ich vertraue ihnen. Und wenn einer beim Impfen ins Gras beißt, tut es mir leid für ihn. Aber das immer noch besser als wenn hunderte ungeimpft ins Gras beißen. 

Andere meckern darüber, dass nicht genügend von dem Mittel da ist. Mein Gott, der Apparat produziert, was er kann und wird noch mehr liefern. Am Ende wird es genug für alle geben.

Ich muss sagen, ich bin froh, hier zu leben und nicht in Weißrussland oder in Afrika, wo die meisten Menschen nur beten können. Wir haben Tabletten und Spritzen.

Das hier alles klappt, erscheint mir immer noch wie ein Wunder, das ich kaum begreifen kann.

Dabei ist das Prinzip einfach. Ich hab eine Krankenkasse. Die bekommt von mir Geld. Auf der anderen Seite ist jemand scharf auf dieses Geld. Wenn er was sinnvolles organisieren kann, nämlich den Apparat, der Heilmittel schafft, dann kriegt er das Geld. Damit werden Forscher und Malocher bezahlt, die das Geld für ihre Arbeit und für ihr Leben brauchen. Natürlich machen die Menschen in der Industrie die ganze Arbeit nicht nur wegen des Geldes. Aber das Geld hält die Industrie in Gang. Das Geld sorgt dafür, dass genügend Werkzeuge da sind, dass es im Winter in den Labors warm ist und im Sommer kühl.

Manche meckern, die Pharmaindustrie würde sich an der Schweinegrippe bereichern. Ich kann nur sagen, Gott sei Dank wollen die Menschen in der Pharmaindustrie sich an der Schweinegrippe bereichern. Denn deswegen tun sie, was sie tun. Nämlich uns allen helfen. Ich hoffe die Pharmaindustrie will sich an möglichst vielen Krankheiten weltweit bereichern.

Ich habe noch nie so gerne wie heute meine Krankenkassenbeiträge bezahlt. Ich danke den verstorbenen und mir unbekannten Gründern der Pharmaindustrie und der Krankenkassen. Ihr habt gute Arbeit geleistet. Und ich bedaure alle Menschen auf der Welt, die nicht in einem solchen System leben dürfen.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
11 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Robert
Robert
14 Jahre zuvor

Grundsätzlich stimme ich darin überein, dass das Geld der Motor ist, und die Pharmafirmen uns (auch) helfen, weil ihnen das Profit bringt. So weit so gut.

Aber leider leben wir in einer Zeit, in dem es so gut wie ausschließlich um das Geld geht und darum, sich zu bereichern. Es geht nicht mehr darum, den Menschen das zu geben was sie brauchen, sondern darum, den Menschen glauben zu machen dass sie das brauchen, was ich gerade herstelle.

Und diese Einstellung wird, auch wenn ich es nicht belegen kann, nicht vor der Pharmaindustrie halt gemacht haben, und die Vorstellung, dass die Dringlichkeit der Impfung seitens der Industrie massiv übertrieben wird klingt für mich mehr als glaubhaft.

Verkaufen, verkaufen, verkaufen!

Dirk Fern
Dirk Fern
14 Jahre zuvor

Vor ca. 2 Jahren hatte ich einen Vortrag des Essener Amtsarztes zur Vogelgrippe und den städtischen Vorbereitungen auf eine mögliche Pandemie gehört. Sein damaliger Wissenstand war, dass eine Impfung gegen eine Pandemie nicht möglich wäre, weil die Pandemie viel schneller verläuft, als die benötigte Zeit für die Entwicklung eines Impfstoffs. Das es jetzt bereits einen Impfstoff gibt, ist ein großer medizinwissenschaftlicher Fortschritt. Das ist in der hoch gejubelten Debatte untergegangen.
Die gebetsmühlenartige Mär von den geldgierigen Machenschaften der Pharmaindustrie in den Diskussionsforen geht mir genauso auf den Senkel wie Ihnen auch.
Ich habe jedoch an Ihren Artikel die inhaltliche Kritik, dass Sie den medizinischen Fortschritt und die medizinische Forschung mit der Pharmaindustrie gleichsetzen. Die Pharmaunternehmen arbeiten mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften. Das schließt auch ein, dass nicht an benötigten Medikamenten geforscht wird, wenn damit kein Gewinn zu machen ist. Es ist auch nicht auszuschließen, das Patente aus dem selben Grund unter Verschluss gehalten werden, die Kranken Menschen helfen könnten.
Ich würde mich gerne gegen die Schweinegrippe impfen lassen, stoße aber auf die organisatorischen Schwierigkeiten im Ennepe-Ruhr-Kreis, über die schon bei den Ruhrbaronen berichtet wurde.
P.S. falls dieser Artikel eine gut gemachte Satire ist, muss ich eingestehen diese Satire nicht erkannt zu haben.

David Schraven
14 Jahre zuvor

@ Dirk Fern

nee, das ist keine Satire. Ich finde es toll, dass die Pharamindustrie Mittel gegen Krebs, Diabetis und Schweinegrippe produziert. Das ist ein Riesenfortschritt. Sollen sie Geld verdienen. Sollen sie reich werden und auch mal Cremes verkaufen, die nichts taugen.

Ich finde es auch gut, dass ein Unternehmen mal untergehen kann, wenn es Mist macht, etwa mit Lipobay. Dann wird halt eine Firma aussortiert. Aber das System ist so gut, dass es durch solche Rückschläge nicht beschädigt wird. Die Industrie macht weiter und macht Fortschritte.

Da dies ein Hohelied ist, habe ich auf Kritik verzichtet. Die kann man im Detail sicher üben, aber ich wollte einfach mal sagen, wie toll ich die Leistung dieser Branche finde.

Nedat Kermal
Nedat Kermal
14 Jahre zuvor

…FÜRCHTERLICH naive, wirtschaftsliberalismusgläubige Sichtweise.

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

David, deine Fortschrittsbegeisterung in Ehren und nichts gegen eine Lob derer, die ihn erarbeiten bzw. erforschen. Aber was ist nun wirklich so toll daran, dass die Pharmaindustrie für die viele Kohle die sie verdient auch etwas Gutes leistet.

Wenn man allerdings weiß, dass unnütze Präparate nicht die Ausnahme sondern einen sehr großen Teil ihrer Produkte ausmachen und sehr notwendige nicht produziert werden, dann kriegt deine ganze Argumentation doch eine erhebliche Schlagseite. Erst recht wenn man weiß, dass die Pharmaindustrie selbst dafür sorgt, dass in vielen Entwicklungsländern ihre Präparate nicht zu bezahlen sind, bzw. erst gar nicht dort ankommen. Von ihrer Patentpolitik ganz zu schweigen.

Wie wäre es mit einem Interview mit einem renommierten Kritiker eben dieser Industrie, um das Argumentationsschiff wieder aus der bedenklichen Schräglage zu befreien. Sonst denken alle noch wir wären eine Apothekerzeitung.

M.Gehling
M.Gehling
14 Jahre zuvor

Hallo,

Was von Kosten/Nutzen gehört. Von wenig Transparenz bei Entscheidungen der Weltgesundheitsorganisation ? …

Oder jetzt auch Qualitätsjournalist geworden ?

Mfg Marc
wohl schon geimpft ? Dann hätte es ja eine Wirkung…

trackback

[…] das geringste Problem darstellen würde. Insofern weiß ich auch nicht, ob ich so sehr ein Hohelied auf die Pharmaindustrie singen wollen würde… denn organisatorisch ist da meiner Meinung doch einiges deutlich […]

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

Hallo M. Gehling, an wen richtet sich ihr Kommentar?

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
14 Jahre zuvor

Noch eine Bemerkung: David Schraven unterstellt einen alten Mechanismus ist: erst die Krankheit – dann das Medikament.

Das war einmal die industrielle Idee. Wir sind etliche Schritte weiter: erst war das Oseltamivir (https://de.wikipedia.org/wiki/Oseltamivir) – dann die Supergrippe.

Medikament und Grippe sind (vielleicht sogar virtuelle) Mittel. Der Profit ist der Zweck.

Helmut Junge
14 Jahre zuvor

Für jemanden, der in der Forschung arbeitet, empfinde ich es wie Balsam, nach Jahrzehnten der Technikfeindlichkeit mal so einen freundlich-euphorischen Artikel über die Arbeit der Menschen in den Forschungsinstituten zu lesen, andererseits hat die Medaille allerdings noch eine zweite, häßliche Seite.
Und das ist die, die am häufigsten diskutiert wird.
Nämlich, was mit den Produkten, die aus der Forschungsarbeit entstehen, hier, unter marktwirtschaftlichen Bedingungen, gemacht wird.
Jede Industrie, auch die Pharmaindustrie produziert nur solche Produkte, von denen sie vermutet, daß sie Gewinn bringen werden. Das bedeutet aber, daß die Nachfrage groß sein muß. Wo das nicht so ist, muß die Werbung die Nachfrage künstlich herstellen. In der Konsumgüterindustrie wird dem Konsumenten der Gedanke suggeriert, daß er dieses oder jenes Produkt unbedingt zu seinem Glück benötigt. Damit die Werbung für Pharmaprodukte beim Konsumenten ankommt, muß dieser allerdings erst mal das Gefühl haben, daß er krank ist, oder krank werden könnte. (Pervers, nicht?) Das ist eben Marktwirtschaft. Am besten für den Umsatz ist da sogar eine Massenhysterie.
Jetzt will ich nicht behaupten, daß die Pharmaindustrie von sich aus Massenhysterien erzeugt. Dafür sorgen schon die sensationsgeilen Medien, die sich damit leider große Leser-bzw. Zuschauerzahlen verschaffen können. Aber die Pharmaindustrie verdient kräftig mit. Die Gefährlichkeit der Vogelgrippe wurde so hochgekocht,
jetzt ist es die Schweinegrippe, nächtes Jahr ist es dies, und übernächstes Jahr jenes. Das geht so lange, bis keiner mehr daran glaubt, und dann könnte ea wirklich mal knapp werden. Wie stehen die Politiker da? Ziemlich hilflos, denn ist alles wahr, und sie reagieren nicht, dann gibt`s Ärger. Also lieber mitmachen. Der einzelne Konsument ist immer der Dumme, weil er sich mittlerweile auf keinen der vielen sich widersprechenden Gutachter und Ratgeber verlassen kann. Jedenfalls hab ich, ähnlich wie David Schraven, Vertrauen in die Leistungen der Forschungslabore, aber überhaupt kein Vertrauen auf die Notwendigkeit, all das Zeug zu schlucken.

Martin Böttger
Martin Böttger
14 Jahre zuvor

Habe über 20 Jahre mit einem Arzt in einer WG gelebt und stimme nach dem, was ich dabei mitbekommen habe, Arnold (5) zu. Wir sind hierzulande auf der Sonnenseite der globalen Pharmapolitik, insofern würde ich David Recht geben. Bekannte von mir, z.B. aus Italien oder den USA, ziehen sogar wegen unseres hier so viel verfluchten Gesundheitssystems im Alter nach Deutschland, weil sie sich hier besser versorgt fühlen.
In anderen Weltregionen dagegen muß man die Auswirkungen der globalen Strategien der Pharmakonzerne, die Arnold polemisch aber nicht falsch zusammenfasst, dagegen fast als verbrecherisch bezeichnen.
Eine gute industrieunabhängige Informationsquelle hierzulande ist meines Laienwissens nach das
http://www.arznei-telegramm.de

Werbung