Das Problem mit dem autoritären Denken

Die Dortmunder Neonazis Christian Meyer, Michael Brück und Lukas Bals auf einer islamistischen Demonstration im Sommer 2014 in Dortmund.

Der Messerstecher, der in Chemnitz einen jungen Mann ermordet hat, die Nazis, die ihre nackten Hintern in den Kameras hielten und den Hitlergruß zeigten, die Gruppen, die sich in Essen und Gelsenkirchen Straßenschlachten liefern, die Clans, die, aus Berlin kommend, sich im ganzen Land im Schutzgeldgeschäft breit machen, sie alle sind Brüder im Geiste. Sie sind sich ähnlicher, als sie es wahrhaben wollen, und was sie gemeinsam haben, ist das, was die liberale Gesellschaft bedroht.

Sie alle sind destruktiv, gehorsam gegenüber den für sie wichtigen Autoritäten, lehnen alles  Fremde ab, und sind weder offen noch neugierig. Ehrbegriffe, Clan- und Stammesdenken, die Missachtung der Instanzen des demokratischen Rechtsstaates und seiner Organe, Frauenverachtung, die Ablehnung von Minderheiten, allen, die als schwach gelten und anders sind, Antisemitismus und Schwulenfeindlichkeit – wer genauer hinschaut, erkennt die Ähnlichkeiten. Und so wundert es auch nicht, dass beide Gruppen sich aus dem Weg gehen – viel zu nahe ist man sich, als dass man die Konfrontation mit dem anderen sucht. Nazis und Hooligans haben noch nie versucht, eine Großveranstaltung von Erdogan- Anhängern oder Salafisten zu stürmen, die Mitglieder libanesischer Clans prügeln sich lieber, wenn es um Jungfernhäutchen oder die Verteidigung von Quartieren zum Drogenverkauf geht, als dass sie sich mit Nazis anlegen.

Polizei und Justiz, Schulen, Universitäten, allen anderen Einrichtungen einer liberalen, offenen Gesellschaft, misstrauen sie nicht nur, sie verhöhnen sie, nehmen sie nicht ernst und bekämpfen sie.

Die Auftritte von Clans und Nazis vor Gericht sind sich ähnlich: Man tritt in der Masse auf, versucht einzuschüchtern, lügt bis über den Rand der Lächerlichkeit hinaus und jede Form von Einsicht in die eigene Schuld sucht man oft vergebens.

Das Verhalten gegenüber Minderheiten ist bei beiden Gruppen ähnlich, die Verachtung, vor allem gegenüber Frauen aus anderen Kreisen ist groß und zeigt sich auch in gewalttägigem Verhalten, wie es nicht nur in Köln in der Silvesternacht 2015 aufgetreten ist. Die Clan-Gewalt, die Messerangriffe, die Morde der Neonazis, die Jagd auf alle, die anders und schwächer sind – der Feind ist die liberale, bürgerliche Gesellschaft, weil sie als nicht verteidigungsfähig gilt und verachtet wird. Auch die freie Presse schätzen beide Gruppen eher gering.

Liest man die Bücher des Psychologen Ahmad Mansour, der sich intensiv mit Islamisten und muslimischen Straftätern beschäftigt, wird klar, wo für diese Gruppe die Wurzeln ihres autoritären Verhaltens liegen: Patriarchalische Familienstrukturen, eine Kultur der Gewalt, der schon Kinder ausgesetzt sind, ein Ehrgefühl, das das Jungfernhäutchen der Schwester fast in das Zentrum des Lebens stellt und einhergeht mit der Verachtung aller Frauen, an die man „rankommen“ kann, ein von Angst geprägtes religiöses Denken und ein extremer Konformitätsdruck gegenüber der eigenen Familie und Gruppe.

Für die Menschen in den neuen Bundesländern gilt, dass Demokratie und Freiheit, die westliche, liberale Demokratie, für sie relativ neu sind. Von 1933 bis Ende 1989 lebten sie in  Diktaturen,  die sich bei allen Unterschieden in wichtigen Punkten ähnlich waren: Meinungsfreiheit, Eigeninitiative, Individualismus und Eigenverantwortung wurden unterdrückt. Der Konformitätsdruck war gewaltig und Verstöße konnten das Leben kosten oder es zumindest ruinieren. Ein Grund, warum autoritäres Denken im Osten stärker verankert ist als im Westen – was natürlich nicht heißt, dass es im Osten keine aufgeklärten, liberalen Demokraten gibt und im Westen keine tief autoritär strukturierten Extremisten, die sich selbstverständlich nicht nur auf der rechten Seite des politischen Spektrums finden.

Ich  bin, was die Veränderungsfähigkeiten erwachsener Menschen betrifft, kein allzu großer Optimist. In vielen Fällen wird es darum gehen, Verhaltensweisen enge Grenzen aufzuzeigen. Der Rechtsstaat hat in seinem Handeln immer verschiedene Möglichkeiten, kann sich zurückhalten oder bestimmt auftreten. Gegenüber autoritär strukturierten Menschen muss er so autoritär auftreten, wie er es in seinem Rahmen kann: Hitlergrüße, sexuelle Angriffe wie in Köln Silvester 2015, Clan-Kriminalität, rechtsradikale Überfälle – dem Staat bleibt nichts anderes übrig, als das Gesetz mit aller Härte durchzusetzen und eine Null-Toleranz-Strategie zu fahren. Beide Gruppen verachten Schwäche und so auch einen schwachen Staat.

Wirtschaftlicher Wohlstand und soziale Sicherheit können  die Lage stabilisieren. Die Vermittlung westlicher und aufgeklärter Werte in der Schule ist ebenfalls wichtig, was auch bedeutet, dass autoritäres Denken, ob völkisch oder islamistisch, dort keinen Platz haben dürfen. Lehrerinnen mit Hijab  und das Kopftuch bei kleinen Mädchen haben in der Schule so wenig zu suchen wie Lehrer mit Thor Steinar Shirts. Es ist unverantwortlich, reaktionären religiösen Organisationen wie der DITIB oder dem Zentralrat der Muslime ein Mitspracherecht an Schulen und Universitäten einzuräumen.

Die liberale, aufgeklärte Gesellschaft muss zudem zu ihren Werten stehen und sie offensiv vertreten. Ein postmoderner Kulturrelativismus, eine Welt, die nur aus gleichberechtigten Narrativen besteht, die irgendwie nebeneinander existieren, ist Gift und hat autoritären Denk- und Gesellschaftsmodellen nichts entgegenzusetzen.

Emanzipation, Individualismus, Freiheit – natürlich auch wirtschaftliche und technische, der Rechtsstaat, Wissenschaft, die Ferne des Staates zur Religion, eine offene Debattenkultur – das ist alles nicht irgendwelcher Kram, der mit den Vorstellungen autoritärer Ideologien auf einer Ebene steht, sondern das Ergebnis aus jahrhundertelangen Auseinandersetzungen und die Grundlage einer modernen Zivilisation, die sich von der autoritären Barbarei abgrenzt.

 

 

 

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Ines. C.
Ines. C.
5 Jahre zuvor

Auf den Punkt, danke Ruhrbarone. Das Wort zum Sonntag …und Montag (#Auswärtsspiel). Mit Dietrich Bonhoeffer, Hannah Arendt, Doris Lessing, Martin Luther King, Ahmad Mansour, Seyran Ates, Deniz Yücel, John McCain und Campino gegen autoritäre Barbarei. "An Tagen wie diesen…dumdidumm".

Ke
Ke
5 Jahre zuvor

So einfach ist es!
Hoffentlich wird der Artikel entsprechend beachtet!

Gerd
Gerd
5 Jahre zuvor

Sommer 2014. Anti Israel Demo wegen des Gazakriegs? Ja, da sind die beiden Gruppen sich seit den späten 1930er Jahren einig.

Helmut Junge
5 Jahre zuvor

Klasse Stefan!

thomas weigle
thomas weigle
5 Jahre zuvor

Daumen hoch!!

Arnold Voss
5 Jahre zuvor
Marc Bertram
Marc Bertram
5 Jahre zuvor

Der Artikel stellt die autoritär strukturierten Gruppen (Nazis, Clans, etc. ) den Einrichtungen einer liberalen, offenen Gesellschaft (Polizei, Justiz, etc.) gegenüber. Leider zeigen die Ereignisse der letzten Wochen, dass man diese beiden Gegenpole nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen kann. Der pöbelnde Pegidademonstrant mit Deutschlandhut ist zwar inzwischen nicht mehr beim LKA, aber weiterhin im öffentlichen Dienst beschäftigt. Auch bei den Demonstrationen in Chemnitz gewinnt man teilweise den Eindruck, dass Polizei und Rechtsradikale nicht unbedingt die erbittertsten Feinde sind. Man sollte die schleichende Unterwanderung der staatlichen Institutionen durch demokratiefeindliche Denk- und Handlungsweisen auf keinen Fall unterschätzen.

Psychologe
Psychologe
5 Jahre zuvor

Ich stimme dem Artikel in weiten Teilen zu. Ja, es gibt Ähnlichkeiten und Überlappungen: Die Triade Antimodernismus/Antiliberalismus/Kulturpessimismus mit seinem konkreten Auswuchs Antisemitismus und dazu Kollektivismus sowie autoritäre Charakterstrukturen.

Schwierig wird es, wenn hier die Erfahrung durch die DDR-Diktatur ins Spiel kommt. Ja, das wird eine Rolle spielen. Aber wie passt jenseits des Atlantiks Trump ins Bild? Wo war da die Diktatur-Erfahrung?
Ich bin davon überzeugt, dass wir hier bei den Ursachen einfach eine historisch besondere Konstellation vorliegen haben: Eine lange Episode der vorherrschenden Postmoderne, die Veränderungen der Globalisierung, die als Zumutung empfunden werden, und eine Zutat reeller Probleme, die vielleicht auch durch Migration entstanden sind. Probleme, die nicht angegangen werden.
Aber es gibt noch eine Zutat. Ich denke, es ist schlicht und ergreifend das Internet. Kommunikation ohne individuelle Konsequenz weckt scheinbar eine neue Lust am Hass. Es ist quasi wie Naschen ohne Kalorien: Man kann hassen, ohne sich mit einem Individuum auseinandersetzen zu müssen, oder es ihm sogar ins Gesicht sagen zu müssen. Wenn ich mir den Wahn anschaue, in den sich im Internet Wutbürger begeben haben, dann ist das nicht anders als durch lustvolles Hassen zu erklären. Wir sprechen hier über Menschen, bei denen irgendwann jede Rationalität abhanden gekommen ist. Da ist es dann egal, was AfD-Vertreter für Lügen und Verleumdungen verbreiten oder Meuthen oder von Storch ganz offen politische Forderungen stellen, welche den Interessen des "kleinen Mannes" zuwiderlaufen (hier gemeint bspw.: Der Austausch eines einheitlichen Rentensystems gegen dessen vollständige Privatisierung) . Wenn als Preis der Hass winkt, ist offenbar nichts zu teuer, um es dagegen einzutauschen. Wir haben bei einigen der ganz harten Fraktion also vermutlich längst mit Personen zu tun, bei denen Hass das Einzige ist, was das Belohnungssystem noch triggert. Da steckt keine tiefere Wahrheit mehr dahinter, die z.B. vom sozialen Abgehängtsein erzählt. Es ist der reine Wahn.

Daniel
Daniel
5 Jahre zuvor

Genau so ist es.

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